Ledesma Gott wartet an der nächsten Ecke
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8387-0232-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-8387-0232-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
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"14 DAS MESSER (S. 101-102)
»Schon merkwürdig«, brummte Méndez. »Wir sind immer noch im rechten Teil der Stadt.« »Wenn wir uns auf den Weg in die Ronda de San Pablo machen, sind wir im linken Teil.« »Stimmt, aber ich glaube nicht, dass wir dort etwas finden werden. Das mit dem rechten und linken Teil von Barcelona ist reiner Zufall, nur eine Obsession des Beamten vom Katasteramt. Alle Unterschlupfmöglichkeiten dieses Mistkerls befinden sich nach Stadtplan im linken Teil, und doch hat er den rechten nicht verlassen. Aber das entbehrt nicht einer gewissen Logik: Er kennt auch hier Leute, die ihm helfen.
Und mir können die Stadtpläne gestohlen bleiben, Gallardo. Das überlässt du am besten den demokratischen Bürgermeistern, die sich mithilfe der gesammelten Werke der franquistischen Bürgermeister die Regeln der Spekulation angeeignet haben. Für mich beschränkt sich die Stadt auf den alten Kern. Von mir aus könnte man die Stadtmauern wieder hochziehen. Dann kämen die Autos, die Schutzmänner und die Steuerprüfer nicht mehr hinein.
Eine Stadtmauer mit Zugbrücke und allem Drum und Dran und darin einige ausgesuchte Bewohner, die sich ausschließlich dem öffentlichen Wohl widmen: Kneipenbesitzer, Huren, Fabrikanten, die Schnaps in Fässern liefern, Laternenanzünder, Dichter im Endstadium und Theater-Ensembles, die von den Zinnen herab um Subventionen ersuchen. Die gesamte Stadt, durch die wir gehen, mit all den Ampeln und Parkhäusern, ist der reinste Horror für mich, mir wird schwindelig. Aber wir sind ja schon in der Calle Mallorca.«
Nach Verkündung dieses Glaubensbekenntnisses kehrte Méndez in die schmutzige Realität des Tages zurück. Seine Füße waren wund gelaufen, er war hundemüde, die Nieren taten ihm weh, und die äußerst sensiblen Magenwände rebellierten und verlangten nach Schonkost. Er brauchte dringend gebratene Sardinen, frittierte Paprika in einer kräftigen Sanfaina-Soße, Kroketten mit dem Fleisch gefährdeter Vogelarten und einen mit Liebe und Substanz – also vor der Perestroika – angerichteten russischen Salat.
Begleitet von einem guten Tropfen, konnte all das den letzten Rest des Méndez noch verbleibenden Lebens retten. Doch zu seinem Bedauern befand er sich in einer verzagten Stadt mitten in der Wertekrise, wo die Leute in Bistros einkehrten, deren Nährwert sich darauf beschränkte, dass sie einen Preis für das beste Design bekommen hatten.
Die Leute ernährten sich anscheinend von entrahmten, vergeistigten Milchprodukten, in Plastik verpacktem Brot und wertvollen Mineralwässern. Andere Gäste mit eher gelben, begierigen Gesichtern schienen sich ausschließlich von Anleihen der Banco de Santander zu ernähren. Gallardo sagte: »Hier ist es.« Es handelte sich um eines jener altehrwürdigen, klassischen Treppenhäuser, in denen man einen Buchhalter in den besten Jahren findet, einen Hausarzt, einen Rechtsanwalt, der seine Mutter immer noch um Geld bittet, und ein junges Mädchen, dem die Nachbarn verhohlen hinterherzuschielen beginnen."