LeGoff / Le Goff | Das Lachen im Mittelalter | Buch | 978-3-608-94274-3 | sack.de

Buch, Deutsch, 128 Seiten, gebunden, Format (B × H): 134 mm x 213 mm, Gewicht: 281 g

LeGoff / Le Goff

Das Lachen im Mittelalter


3. Auflage 2008
ISBN: 978-3-608-94274-3
Verlag: Klett-Cotta Verlag

Buch, Deutsch, 128 Seiten, gebunden, Format (B × H): 134 mm x 213 mm, Gewicht: 281 g

ISBN: 978-3-608-94274-3
Verlag: Klett-Cotta Verlag


Einfühlsam, klug und mit überraschenden Einblicken in eine vergangene Epoche erschließt Jacques Le Goff in seinem Buch die (ernste) Bedeutung des 'Lachens' im europäischen Mittelalter.

Zutiefst verabscheut in Umberto Ecos 'Der Name der Rose' der überstrenge Mönch Jorge de Burgos das unterhaltsame Gelächter der Menschen; nichts fürchtet er so sehr wie die Verbreitung einer verloren geglaubten Schrift des Aristoteles über das 'Lachen'. Eindringlich zeigt Le Goff, welche Bedeutung der mittelalterlichen Mensch dem Lachen zumaß:

'Hat Jesus gelacht? Kann Gott überhaupt lachen? Verspottet der lachende Mensch denn nicht die göttliche Weltordnung?', so fragten sich besorgt Mönche und Gelehrte. Und doch: 'Wenn Jesus auch Mensch war, dann war er auch ein Wesen, das lachen konnte.'

Anschaulich schildert Le Goff die vielfältigen Anlässe, sozialen Formen und Funktionen des Lachens in der mittelalterlichen Gesellschaft und setzt es in die größeren geschichtlichen Zusammenhänge.

Mit großem historischen Scharfblick und unverwechselbarer Präzision bietet der Autor überraschende Einblicke in ein facettenreiches mentalitätsgeschichtliches Phänomen.

'Le Goff ist mehr als ein Historiker', schreibt M. Buholzer, 'er ist ein Erzähler, zuweilen ein Poet der Geschichte.'

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Weitere Infos & Material


Inhalt

I. Das Lachen im Mittelalter
Vorgeschichte und Ziele der Untersuchung
Das Lachen in Gruppen
Das Lachen als Kommunikationsmittel

II. Lachen und Ordensregeln im Hochmittelalter

III. Anmerkungen

IV. Nachwort (von Rolf Michael Schneider)

V. Bildnachweise


Kaum will ich über die wissenschaftliche Untersuchung des Lachens im Mittelalter sprechen, da befällt mich auch schon das erste Unbehagen, denn Voltaire schrieb einmal: 'Die Menschen, die nach abstrakten Gründen für das Lachen suchen, sind nicht fröhlich.' Aber ich suche auch keine 'abstrakten Gründe', denn was ich, und speziell für das Mittelalter, zutage fördern möchte, sind die Einstellungen der Gesellschaft zum Lachen und theoretische Stellungnahmen; außerdem interessiert mich, welche Funktion ihm in seinen verschiedenen Formen in der mittelalterlichen Gesellschaft zukam.

Ich möchte den Leser überzeugen, daß es sich für ihn wirklich lohnt, über das Lachen nachzudenken, und daß sich das Thema für eine geschichtliche Abhandlung ganz besonders eignet. Ich hoffe, eine erste, sehr allgemeine Beobachtung zu bestätigen, die man nicht - unter dem Vorwand, sie sei banal - mit Schweigen übergehen sollte: Das Lachen ist ein kulturelles Phänomen. Die Einstellungen zum Lachen verändern sich je nach Gesellschaft und Epoche, ebenso die Art und Weise, wie gelacht wird; Anlässe und Formen des Lachens bleiben nicht dieselben.

Das Lachen ist - zweitens - auch ein soziales Phänomen, und dazu bedarf es mindestens zweier oder dreier real vorhandener oder fiktiver Personen, nämlich die Person, die Anlaß zum Lachen gibt, eine, die lacht, und eine, über die gelacht wird sehr oft auch den- oder diejenigen, mit denen zusammen man lacht. Das Lachen ist eine soziale Verhaltensweise, die Codes, Riten, Handelnde und ein Forum voraussetzt. Ich möchte sogar sagen, daß dies der einzige Punkt ist, der mich in der ansonsten sehr enttäuschenden Studie Henri Bergsons über das Lachen interessiert. In manchen geglückten Formulierungen legt er auf diesen Aspekt des Lachens großen Wert, und Sigmund Freud stellte die Übereinstimmung seiner eigenen Theorien mit dem Denken Bergsons in diesem Punkt ausdrücklich fest. Ob nun kulturelles oder soziales Phänomen auch das Lachen hat eine Geschichte, es kann gar nicht anders sein. Deshalb sehe ich mich veranlaßt, den Leser auf die Ernsthaftigkeit des Lachens hinzuführen, und darin kann ich mich auch auf angesehene Autoren beziehen. 1983 veröffentlichte der Amerikaner J. Morreall ein anregendes Buch mit dem Titel Taking Laughter seriously, und vor kurzem publizierte der Italiener F. Ceccarelli eine Studie über das 'Lachen und Lächeln'. Nach dem Hinweis, daß jede Erklärung des Komischen das Lachen darüber tötet und daß er das Ende des Lachens besorgniserregend findet, weil es eine Quelle des Vergnügens ist, unterzieht er alles, was mit dem Lachen zusammenhängt, einer langen und gründlichen Untersuchung. Am Ende seines Buches versichert er: 'Das Lachen und Lächeln läßt sich unter vielen Aspekten betrachten, aber an ihrer Bedeutung können eigentlich keine Zweifel bestehen.' Sehr scharfsinnig fügt er hinzu, daß die Art, wie viele Menschen eine Studie darüber als nutzlos ablehnen, ganz eng mit der Frage nach der Natur und Funktion von Lachen oder Lächeln verknüpft ist. Schließlich möchte ich auch den Russen Alexander Herzen erwähnen, der vor mehr als einem Jahrhundert bemerkte: 'Eine Geschichte des Lachens zu schreiben wäre außerordentlich interessant.' Was ich hier also vorlegen möchte, ist die Skizze der Fragen und Probleme einer Geschichte des Lachens im abendländischen Mittelalter.

Dabei will ich mit der Vorgeschichte meines Vorhabens beginnen, weil ich meine, daß sie seine Stoßrichtung und gleichzeitig seine Schwächen oder Lücken erklären kann. Von woher gelangte die Idee zu dieser Untersuchung an mich? Aus welchen Motiven entstand sie, und welche Ziele verfolgt sie? Diesen Fragen folgt eine Bestandsaufnahme der Probleme, die sich bei der Entstehung einer derartigen Studie stellen; sie zeigt deren wichtigste Züge auf. Dabei muß ich gestehen, daß ich über das Stadium der Exploration zu diesem Thema noch nicht hinausgelangt bin, aber ich will mit dieser Feststellung nicht um das Verständnis oder die Gunst des Lesers werben: Meine Freunde und ich boten dieses Thema in einem gemeinsamen Seminar an, und viele Teilnehmer steuerten sehr interessante theoretische und dokumentarische Beiträge bei. Zum Schluß greife ich mit dem Lachen der Mönche (risus monasticus) im Hochmittelalter exemplarisch ein besonderes Thema heraus, das ich bereits relativ genau untersuchen konnte. Ich möchte auch einige Anhaltspunkte für die Geschichte der Entwicklung von Verhaltensweisen gegenüber dem Lachen, den Formen des Lachens und für den Platz geben, den das Lachen in der mittelalterlichen Gesellschaft von der Spätantike bis zur Renaissance besetzte.

Das Lachen in Gruppen

Aus feudalen Adelskreisen ist uns das dröhnende Lachen über allerlei Ulk und Späße unter der Bezeichnung gab bekannt, die uns ein wenig an die 'Marseiller Geschichten' denken lassen. Die wackeren Rittersleut' erzählten sich, wenn sie sich nicht gerade in den Kemenaten der Damen aufhielten, sondern unter sich zusammensaßen und der Kampf für sie in weiter Ferne lag, typische Rittergeschichten oder Heldentaten. Wer dabei die ausgefallenste Geschichte erzählte, z.B. daß ein Ritter im Kampf seinem Gegner mit einem Schwerthieb nicht nur den Leib, sondern auch den seines Pferdes gespalten hatte, zählte noch zu den harmloseren Aufschneidern. In diesen Geschichten tut sich eine Fundgrube an Einbildungskraft, Erfindungsgabe und Erzählfreude auf; die ältesten Sagen berichten, daß die Helden gerade damit einen großen Teil der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit für Unterhaltung zubrachten. In der Wallfahrt Karls des Großen (Pélérinage de Charlemagne) wird erzählt, wie Karl der Große und seine zwölf obersten Vasallen als Gäste des Kaisers von Konstantinopel einen Spion, den der Kaiser zur Ausforschung ihrer Pläne selbst geschickt hatte, durch die Erzählung von gabs, als deren Helden sie sich selbst zu erkennen gaben, in Angst und Schrecken versetzten, weil er die Fiktion für bare Münze nahm.


Le Goff, Jacques
Jacques Le Goff, Jahrgang 1924, ehemaliger Präsident der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris, war einer der führenden Historiker Europas. Zahlreiche Werke, die größtenteils auch in deutscher Übersetzung Furore machten, weisen ihn als herausragenden Kenner des Mittelalters und als exzellenten Vertreter der Sozial- und Mentalitätsgeschichtsschreibung, der 'Nouvelle Histoire', aus. Le Goff starb am 1. April 2014.

Jacques Le Goff, Jahrgang 1924, ehemaliger Präsident der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris, war einer der führenden Historiker Europas. Zahlreiche Werke, die größtenteils auch in deutscher Übersetzung Furore machten, weisen ihn als herausragenden Kenner des Mittelalters und als exzellenten Vertreter der Sozial- und Mentalitätsgeschichtsschreibung, der 'Nouvelle Histoire', aus. Le Goff starb am 1. April 2014.



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