E-Book, Deutsch, 91 Seiten
Lehmann Splatterfilm und Torture Porn: Politische und soziokulturelle Parallelen zu dem Amerika der 70er
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8428-4192-5
Verlag: Diplomica Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 91 Seiten
ISBN: 978-3-8428-4192-5
Verlag: Diplomica Verlag
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Weitere Infos & Material
1;Splatterfilm und Torture Porn;1
1.1;Referat;3
1.2;Inhaltsverzeichnis;4
1.3;Abbildungsverzeichnis;5
1.4;Abkürzungsverzeichnis;6
1.5;Einleitung;7
1.6;1 Horror im Allgemeinen;9
1.6.1;1.1 Die Entwicklung in drei Epochen;9
1.6.2;1.2 Monster, Menschen und ihre Ängste;12
1.6.3;1.3 Horror als Spiegel;14
1.7;2 Amerika in den 70ern;18
1.7.1;2.1 Wirtschaftspolitik;18
1.7.2;2.2 Gewalt in den Medien;21
1.7.3;2.3 Soziokulturelle und -politische Strömungen;26
1.8;3 Amerika heute;39
1.8.1;3.1 Wirtschaftspolitik;39
1.8.2;3.2 Soziokulturelle und -politische Strömungen;45
1.8.3;3.3 Gewalt in den Medien;65
1.9;4 Bildsprache;70
1.9.1;4.1 Auswirkungen auf die Realität?;70
1.9.2;4.2 Gründe;72
1.9.3;4.3 Das Kino der Sensationen;75
1.10;5 Fazit;78
1.11;Literaturverzeichnis;82
Textprobe: Kapitel 2, Amerika in den 70ern: 2.1, Wirtschaftspolitik: Am 9. August 1974 ging Richard Nixon als der erste amerikanische Präsident, der von seinem Amt zurückgetreten war, in die Geschichte ein. Doch auch Nixons Machtübernahme am 20. Januar 1969 hatte bereits weitreichende Folgen für die amerikanische Gesellschaft. Nixon verfolgte dabei wirtschaftlich ein völlig anderes Konzept als Dwight D. Eisenhower Ende der 50er, unter dem er bereits bis zum 20. Januar 1961 acht Jahre lang als Vizepräsident tätig gewesen und dessen Wirtschaftspolitik vollständig kapitalistisch geprägt war. Dies beinhaltete insbesondere die Förderung des freien Wettbewerbs weitestgehend ohne staatliche Eingriffe. Damals war '[k]riegsbedingt [...] die Staatsquote am Bruttoinlandsprodukt seit 1940 von 23 auf 33 Prozent gestiegen.' Zu seinem Konzept gehörte zudem die Eindämmung der Inflation, ein gleichmäßiges Wirtschaftswachstum und de[r] Schutz des Individuums und der Familie vor wirtschaftlichen Risiken in einer urbanisierten, industrialisierten Welt. Nixon, der knapp 20 Jahre später mit einem ähnlichen Inflationsproblem umgehen musste, versuchte eine Strategie, die eher einer Art Planwirtschaft glich. Sie sah vor, Löhne und Preise staatlich reguliert in vier Phasen einzufrieren und stand somit im deutlichen Kontrast zu der Wirtschaftspolitik Eisenhowers. Wichtig ist hierbei auch zu erwähnen, dass bereits durch die Regelungen Eisenhowers die amerikanische Gesellschaft zunehmend und offensiver kapitalistischer wurde. Der Erfolg des Einzelnen ließ sich weniger daran messen, was er selbst beruflich tat oder produzierte, sondern vielmehr daran, was er besaß und konsumierte. Der Wunsch nach Konsum, die freie, kapitalistische Marktwirtschaft, aber auch die gleichzeitige Angst vor Arbeitslosigkeit treiben zwei Filme auf die Spitze: den Konsum von Menschen, der Mensch als Produkt in The Texas Chain Saw Massacre und Night of the Living Dead. Texas Chain Saw erzählt dabei die Geschichte des Schlachthauses, das sich selbst in den Ruin wirtschaftet. Die 'ursprüngliche' Tötungsmethode des Viehs durch einen einfachen Hammer wird durch eine Druckluftpistole ersetzt. Weil diese Methode weitaus schneller funktioniert, wächst das Angebot trotz sinkender Beschäftigungszahlen - bei gleich bleibender Nachfrage. Und weil Angebot und Nachfrage den Preis regulieren, richtet sich das Schlachthaus letztendlich selbst zu Grunde. Die einzige Möglichkeit im Geschäft zu bleiben, ist letztendlich nur noch die Kostensenkung, welche bewerkstelligt wird, indem die Rinder gegen vorbeifahrende Touristen ausgetauscht werden, die wiederum an die nachfolgenden Touristen als Barbecue verkauft werden. Dabei erfolgt die Schlachtung der Menschen nach einem ähnlichen Prinzip wie die des Viehs: zum einen durch die altmodische Tötung durch einen Hammer (was in mehreren Szenen auch die Allegorie Mensch-Tier verdeutlicht, weil der Mensch ebenso nicht nach dem ersten Schlag tot ist, sondern genau wie die vorher beschriebenen Rinder noch unkontrollierte Zuckungen aufweist) und zum anderen nach der Devise '[U]se everything, [...] throw nothing away!' So werden, schon vor dem ersten Auftauchen von Leatherface (dem Monster), menschliche Knochen als Dekorationen wie Traumfänger und Möbel wie beispielsweise Sofas von der Kamera gezeigt. Dieses Vorhaben wird von dem Anhalter (dem 'Hitchhiker', der zweite Sohn der Kannibalenfamilie neben Leatherface) bereits angedeutet, der zunächst stolz Fotos seiner (Vieh-) Schlachtung im Bus herumzeigt und anschließend ein Foto von Franklin schießt. Bemerkenswerterweise werden die Touristen hauptsächlich durch Benzin angelockt und durch das Nicht-Vorhandensein festgehalten. Benzin erfuhr unter der Präsidentschaft von Nixon einen herben Preisanstieg, ausgelöst durch das sog. Öl-Embargo der OPEC 1973, welches seinerseits geschlossen wurde, um einerseits die von Nixon durchgeführte Abschaffung der Golddeckung des US-Dollars auszugleichen, andererseits, um gegen die aus Sicht der OPEC-Länder unrechtmäßige Unterstützung der westlichen Länder im Jom-Kippur-Krieg zu demonstrieren. Die Festsetzung des Öl-Preises im Januar 1974 auf 11,65$ pro Fass hatte schließlich weitreichende Folgen und trieb die amerikanische und europäische Wirtschaft in eine schwere Rezession und Hunderte Firmen in den Konkurs. Hier reflektiert Texas Chain Saw also bereits sehr deutlich die geschichtlichen Umstände. Das Monster ist in diesem Film der Kapitalismus selbst (Seeßlen spricht gar von einem 'Kapitalismus der Endzeit' ). Die Angst vor einer ähnlichen, möglicherweise noch drastischeren Lösung, wie sie einst Eisenhower verfolgte und der Wunsch nach einer anderen, eventuell unfreieren, aber dafür Arbeitsplatz-, Einkommen-, Existenz- und Familie-sichernden Lösung, all das reflektiert der Horror in The Texas Chain Saw Massacre. Der stete Konsumwunsch des Menschen wird zudem in Romeros Erstlingswerk Night of the Living Dead sehr deutlich. Der Zombie, der eigentlich kein Menschenfleisch zum reinen Überleben benötigt, konsumiert es dennoch und zwar so viel er kriegen kann. Noch deutlicher wird die Allegorie gar im zweiten Teil Dawn of the Dead (R: George A. Romero, 1978), in dem sich die Überlebenden in einer sog. 'mall', einer Art (für deutsche Verhältnisse) überdimensionalem Einkaufszentrum, verschanzen, um dort ebenso sinnlos zu konsumieren, wie die Zombies außerhalb. Sogar das Geld aus den Kassen wird geplündert, ohne dass der Zweck dessen in einer Welt, die von Zombies überschwemmt wurde, hinterfragt werden würde. Romeros Monster konsumieren dabei nicht nur den Menschen, sondern infizieren ihn währenddessen auch mit seinem eigenen Verlangen danach. Der Film verdammt dabei die Rettung der Menschheit als sinnlos und zeigt auch hier den Kapitalismus in seiner End(zeit)form als den Schuldigen.