Lochocki | Die Vertrauensformel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Lochocki Die Vertrauensformel

So gewinnt unsere Demokratie ihre Wähler zurück
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-451-81415-0
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

So gewinnt unsere Demokratie ihre Wähler zurück

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-451-81415-0
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Volksparteien machen derzeit auf dem politischen Parkett eine schlechte Figur. Ihre Umfragewerte bröckeln, ihr Personal wirkt müde und ihre Angebote scheinen beliebig. Im Aufschwung sind die politischen Ränder, insbesondere Rechtsaußen. Ein Rezept dagegen scheint es nicht zu geben. Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und Wähler nehmen diese Entwicklung als unvermeidlich hin, das Ende des politischen "Systems" wird herbeigeredet. Dem widerspricht der Politologe Timo Lochocki: Die Volksparteien haben noch immer das Heft des politischen Handelns in der Hand. Dem Erstarken des Populismus lässt sich durchaus mit den Mitteln der Parteiendemokratie begegnen.

Seinem Buch liegen drei Anliegen zugrunde: Es möchte

•die aktuelle politische Lage auf Grundlage wissenschaftlicher Forschungen analysieren, ohne zu polemisieren und den moralischen Zeigefinger zu heben.

•wissenschaftliche Erkenntnisse so wiedergeben, dass sie für jeden interessierten Bürger nachzuvollziehen sind.

•Politikern und Bürgern gleichermaßen umsetzbare Lösungswege aus der aktuellen Misere aufzeigen.

Timo Lochocki weiß, wovon er spricht: Seine internationale Forschung ermöglicht ihm den Vergleich mit anderen westlichen Staaten wie Großbritannien, Frankreich, USA, Schweden und die Niederlande. Aus seinen wissenschaftlichen Beobachtungen entwickelt er ein konkretes Programm für die Renaissance der Volksparteien. Wenn diese nicht gelingt, drohen dieselben politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen wie sie in manch anderen Staaten derzeit zu sehen sind: eine kurzsichtige im schlimmsten Falle kriegerische Außenpolitik; ein Klima des Hasses und eine sozialstaatliche Stagnation.

Doch dabei allein lässt er es nicht bewenden. So wie die vermeintlich große Politik oft höchst menschlich ist, ist die tägliche Lebenswelt oft sehr politisch. Das bedeutet, dass jeder seinen Teil dazu beitragen kann, die Entfremdung der Wähler von den Volksparteien zu verhindern: "Mein Appell ist: Glauben Sie nicht, die Dinge würden sich über unsere Köpfe hinweg entscheiden. Im Gegenteil – wir bestimmen den zwischenmenschlichen Umgang, nach dem sich unsere Politiker richten müssen. Unser Land, unsere Gesellschaft stehen vor existenziellen Bedrohungen von innen und außen, und wir können alle daran mitwirken, diese Herausforderungen zu meistern. Dies gelingt aber nicht durch kurzsichtige Empörung, sondern durch in sich ruhende Besonnenheit. Es gelingt nicht durch Moralisierung und Sachargumente, sondern durch Demut und Empathie. Und es gelingt nicht durch Ideen, die für einen selbst gut klingen, sondern vielleicht gerade mithilfe der Vorschläge, die uns Bauchschmerzen machen." Sein Buch ist eine aufrüttelnde, faktenreiche Abrechnung mit der allgegenwärtigen politischen Denkfaulheit und Resignation.

"Wer wissen will, wie die Volksparteien von Getriebenen wieder zu Gestaltern der politischen Mitte werden können, findet die Antworten in Timo Lochockis fulminantem Buch." Robin Alexander, Die Welt

"Wer nicht will, dass die politischen Ränder weiter erstarken, der muss die 'Vertrauensformel' von Timo Lochocki beherzigen. Im Gegensatz zu vielen gut gemeinten politischen Ratschlägen basiert Lochockis Buch nicht auf gefühlten Wahrheiten, sondern auf internationaler wissenschaftlicher Forschung." Prof. Dr. Bernhard Weßels, WZB Berlin

"Wer keinen deutschen Trump will, der lese Timo Lochockis Buch. Eine kluge Analyse über das drohende Ende der Volksparteien und ihren stümperhaften Umgang mit der AfD." Melanie Amann, Redakteurin im Spiegel Hauptstadtbüro

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


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Die fundamentale Neuordnung westlicher Parteipolitik
»Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind, andere gibt’s nicht.« (Konrad Adenauer) Der Wunsch nach Anerkennung
Die 55 Prozent der eher progressiven Globalisierungsfreunde, die Wandel positiv sehen, und die 45 Prozent der eher konservativen Globalisierungsgegner, die Stabilität schätzen, verstanden sich bis vor wenigen Jahren ziemlich gut. Denn CDU/CSU und SPD konnten beide Wählergruppen in ihren damals noch stattlichen Wahlergebnissen vereinigen. Um zu verstehen, was sich seitdem verändert hat, braucht man kein jahrelanges Studium der Politikwissenschaften. Ein wenig Lebenserfahrung genügt. Jeder, der schon mal einen guten Freund hatte, verliebt war, eine Familie hat, weiß aus eigener Erfahrung, was die Beziehungen von Parteien und Wählern im Innersten zusammenhält: Der Wunsch nach Anerkennung. So gut wie jede Studie, die sich mit der Psychologie von Wahlentscheidungen beschäftigt, kommt zu diesem Schluss.1 Wenn man sich der gegenseitigen Anerkennung sicher ist, ist alles im grünen Bereich; oftmals sogar im rosaroten. Wenn diese aber ausbleibt, kommt zuweilen das Schlechteste in uns zum Vorschein: Bitterkeit, Neid und Hass, unter Umständen Gewalt. Von gegenseitiger Anerkennung kann in der deutschen Politik gerade kaum die Rede sein: Bei der Bundestagswahl 2017 wurden die Volksparteien CDU/CSU und SPD von den Wählern in ungekannter Weise abgestraft. Haben 1990 noch 60,2 Prozent aller Wahlberechtigen den beiden großen Parteien ihre Stimme gegeben, so waren es im September 2017 nur noch 40,7 Prozent (Stimmenanteil CDU/CSU plus SPD multipliziert mit der Wahlbeteiligung). Zwar wuchsen im gleichen Zeitraum die Parlamentssitze für Grüne, FDP und Linkspartei. Aber ihren Zweitstimmenanteil konnten diese drei Parteien zwischen 1994 und 2017 nur von 10 auf 13,5 Millionen steigern. Im gleichen Zeitraum verloren die CDU/ CSU und die SPD aber über 10 Millionen Wähler. Die meisten Deutschen, die sich von den beiden Volksparteien abwandten, gingen also nicht zur Linkspartei, den Grünen oder zur FDP, sondern einfach nicht mehr wählen. Somit haben die beiden Volksparteien binnen gut zwanzig Jahren ein Drittel ihrer Wähler verloren, ohne dass bis 2017 eine andere Partei nennenswert davon hätte profitieren können. Die schwindende Unterstützung der Volksparteien, die durch Gewinne von Grünen, FDP und Linkspartei nicht kompensiert werden, sind daher ein Zeichen der beginnenden Entfremdung der Wähler von den aktuellen Spitzenpolitikern und Meinungsmachern in ihrer Gesamtheit. Würde ein Traditionsunternehmen so schnell mehr als 30 Prozent seiner Kunden verlieren, würde es wahrscheinlich Bankrott gehen. Viele Wähler verweigern ihren etablierten Politikern also die Anerkennung. Die 12,6 Prozent der Alternative für Deutschland (AfD) zeigen, dass viele Bundesbürger die Nase von ihren Volksparteien gestrichen voll haben. Denn die AfD wurde nicht gewählt, da man ihr zutraut, drängende Probleme zu lösen. Selbst bei ihrem Hauptthema – Migration und Flüchtlinge – trauen (je nach Umfrage) nur 6 bis 8 Prozent der Deutschen der AfD überzeugende Lösungen zu. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik sprechen die deutschen Wähler der AfD sogar jegliche Kompetenz ab.2 Etwa die Hälfte der AfD-Wähler drückt also mit ihrem Kreuzchen ihre Enttäuschung über die Migrationspolitik der Bundesregierung aus. Auch die andere Hälfte wählt die AfD nicht, weil sie von ihrem Programm überzeugt wäre. Diese will ihre Unzufriedenheit mit den anderen Parteien zum Ausdruck bringen. Die Denkweise dieser Sympathisanten der AfD geht so: »Wenn die Volksparteien die AfD brandmarken, ist meine Stimme für die AfD umso mehr das ideale Vehikel, um meine Unzufriedenheit über diese auszudrücken. Der Feind meines Feindes ist mein bester Freund!« Wir haben es also hier mit einem höchst emotionalen, höchst menschlichen Phänomen zu tun. Soziale Beziehungen, die von tiefen Emotionen geprägt sind, funktionieren nicht anders. Sich zurückgesetzt fühlende Beziehungsgefährten oder enttäuschte Kinder nehmen zuweilen eine vergleichbare Haltung ein: Wenn ihnen ihr Partner keine Blumen mehr und nicht ausreichend Zuneigung schenken will, flirten sie mit dem Arbeitskollegen und erzählen das beiläufig beim Abendessen. Und wie oft versuchen Kinder Aufmerksamkeit von ihren Eltern zu erhalten, indem sie ganz bewusst unerwünschte Verwandte oder Orte aufsuchen? Oftmals ist es aber so, dass der sich vernachlässigt fühlende Partner oder die enttäuschten Kinder keineswegs einen neuen Lebensabschnittsgefährten oder neue Eltern suchen. Stattdessen wollen sie, dass die Menschen, mit denen sie zusammenleben, sich mehr um sie kümmern. Wir haben es hier also mit unerfüllten Wünschen und vor allem der Enttäuschung über diese Nichterfüllung zu tun. Und damit diese Nichterfüllung richtig schmerzt, muss sie von jemandem ausgehen, von dem man sich erhoffen konnte, dass sie/er uns erhört. Wenn Sie zum Beispiel am Valentinstag vom Busfahrer keine Blumen bekommen, sind Sie nicht verärgert. Wenn das aber Ihr jahrelanger Lebensgefährte vergisst, dann schon. Soziologen beobachten in westlichen Gesellschaften seit Jahren eine sogenannte gesteigerte Erwartungshaltung. Wir erwarten immer mehr vom Leben, da wir über die Medien und die Werbung tagtäglich vorgeführt bekommen, was theoretisch alles möglich wäre. Und da diese Erwartungen natürlich kaum erfüllt werden können, tritt leicht ein permanentes Gefühl des Zu-kurz-Kommens ein. Somit fühlen sich viele Bürger alleingelassen, sie fühlen sich nicht verstanden und somit sozial isoliert. Dadurch nimmt das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gesellschaft rapide ab. Der Soziologe Heinz Bude beschreibt eindrücklich, wie eine globalisierte, digitalisierte und individualisierte Gesellschaft sich immer weniger an gemeinschaftsdefinierende Normen und Autoritäten gebunden fühlt. Die Anerkennung von Individuen untereinander und ein bindendes Gemeinschaftsgefühl muss unter solchen Umständen viel bewusster und immer wieder aufs Neue geschaffen werden. Bleibt dies aus, entsteht sehr leicht ein Gefühl der mangelnden Anerkennung und Wertschätzung.3 Dieser soziologische Mechanismus hat mit Parteipolitik erstmal wenig zu tun. Doch er könnte gut erklären, warum Bürger, die sich im Privaten wenig gehört fühlen, besonders sensibel und auch aggressiv reagieren, wenn sie glauben, auch politisch nicht gehört zu werden. Vielleicht war vor einigen Jahrzehnten die Enttäuschung über mangelnde Anerkennung durch politische Entscheider nicht kleiner. Aber man war darüber weniger empört, da man sich der Anerkennung im privaten Raum sicher war, sei es durch die Einbindung in der Großfamilie, dem Sportverein, den Kirchen, den Gewerkschaften und so weiter. Im Jahr 2018 hingegen scheint es Wählergruppen zu geben, deren Empfindung von mangelnder Anerkennung im Privaten und Politischen in eine aggressive Trotzreaktion mündet: »Nie hört mir einer zu! Jetzt reicht es, denen werde ich es jetzt aber zeigen!« Und dies umschreibt zumindest die Stimmungslage jener Hälfte AfD-Wähler sehr gut, die keinen konkreten Grund dafür angeben können, warum sie den Rechtspopulisten ihre Stimme geben, außer dem »allgemeinen Protest gegen die da oben«. Sie wählen also nicht die AfD, sondern sie wählen vor allem nicht die anderen. Der Wahlerfolg der AfD ist kein Sieg eines überzeugenden politischen Programms. Er ist ein Symptom der Entfremdung zwischen den Bürgern und den Volksparteien und eine Projektionsfläche für enttäuschte Wählerhoffnungen. Dieses Buch über die Entfremdung zwischen den deutschen Volksparteien und ihren Wählern wird daher von etwas allzu Menschlichem handeln: dem Wunsch nach Anerkennung, oder besser: von einem Teufelskreis. Resignierte Wähler gehen einfach nicht mehr zur Wahlurne, wütende zur AfD. Resignierte Politiker der Volksparteien versuchen gar nicht mehr, die sich abwendenden Wähler zu verstehen, wütende beschimpfen sie sogar. Diese Kombination entfremdet beide Seiten immer mehr. Wer kennt diesen Teufelskreis nicht? Es ist das Gefühl, das auftritt, wenn eine große Leidenschaft, eine große Zuneigung ins Gegenteil umschlägt: in Missgunst, in Neid, manchmal gar in blanke Aggression. Oder, um im Bild zu bleiben: in einen großen Familienkrach, einen massiven Streit mit einem guten Freund oder in eine Trennung. Dann herrscht eine große Enttäuschung darüber, dass an die Stelle von einstmals großen Gemeinsamkeiten nun so viel Trennendes getreten ist. Das Verhältnis zwischen den deutschen Volksparteien und ihren Wählern im Jahr 2018 ist gut vergleichbar mit der Stimmung am Abendbrottisch nach einem großen Familienstreit. Denn Bundespolitik und Familien haben sehr viel gemeinsam: Erstens, beide sind an einen Ort gebunden – Deutschland oder der Familienwohnsitz –, es gibt also kein Entkommen. Zweitens, beide sind von einem Zugehörigkeitsgefühl getragen – einer nationalen Identität oder der Familienbande. Drittens gibt es hierarchische Beziehungen, aber auch Druckmittel der Rangniederen: Eltern haben mehr Macht als ihre Kinder, aber Letztere können den Eltern das Leben zur Hölle machen; genauso haben Politiker mehr Macht als die einfachen Bürger, die sie jedoch abwählen können. Und viertens ist das Zusammenleben in beiden Gruppen – im Land und in der Familie – getragen von Empfindungen und Emotionen. Es geht weniger darum, was ist, sondern wie es sich anfühlt. Wie kam es also nun zu unserem deutschen Familienkrach? Es gibt nur subjektive Wahrheiten
...


Timo Lochocki, Dr. phil, geb. 1985, studierte Interdisziplinäre Sozialwissenschaften in Deutschland, den USA und Norwegen. 2014 promovierte er an der Humboldt Universität Berlin zu den Gründen für den Auf- und Abstieg rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa. Er war bis zum Jahreswechsel 2017/2018 Forschungsleiter im Europaprogramm des German Marshall Fund of the United States (GMF) in Berlin, berät bundespolitische Entscheidungsträger und kommentiert europäische Parteipolitik, u. a. für die "New York Times", "Zeitonline", "The Economist", "Politico Europe". Lochocki ist u.a. Universitätsdozent für Politische Kommunikation und Europäische Politik an der Humboldt Universität sowie dem Bard College in Berlin und lehrt von August bis Dezember 2018 als "James Knox Batten Visiting Professor" am Davidson College in den USA.



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