E-Book, Deutsch, Band 11, 255 Seiten
Löw / Terizakis Städte und ihre Eigenlogik
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-593-41238-2
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Ein Handbuch für Stadtplanung und Stadtentwicklung
E-Book, Deutsch, Band 11, 255 Seiten
Reihe: Interdisziplinäre Stadtforschung
ISBN: 978-3-593-41238-2
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Einleitung;10
2.1;Die Eigenlogik der Städte und was die Praxis davon hat – Georgios Terizakis;12
3;Stadt als Wirtschaftsraum;22
3.1;Einführung – Georgios Terizakis;24
3.2;Lokale Ökonomie – Lebensqualität als Standortfaktor – Martina Löw;30
3.3;Stadtmarketing – Sybille Frank;38
3.4;Urbane Innovationssysteme – Johannes Rode;48
3.5;Migrantische Unternehmen in Köln – Raika Espahangizi;58
4;Stadt als kultureller Raum;68
4.1;Stadt als Raum für Kultur – Peter Noller;70
4.2;Lokale Sinnstiftung – Die Bedeutung der Denkmale – Gerhard Vinken;74
4.3;Stadt und Mode – Annäherung an die Städte München und Frankfurt am Main am Beispiel der Mode-Szenen – Kristina Siekermann;84
4.4;Stadtkonzeptionen im Widerstreit: Das Scheitern der Lahnstadt – Regine Sauerwein;96
4.5;Sport im öffentlichen Raum – am Beispiel moderner Stadionarchitektur – Franz Bockrath;112
5;Stadt als gebauter Raum;126
5.1;Städtische Materialität – Michael Toyka-Seid;128
5.2;Architektur – Silke Steets;134
5.3;Wahlverwandschaften – Städtebauliche Entscheidungen in Mannheim – Annette Rudolph-Cleff;142
5.4;Stadtrandzonen – Diana Böhm;154
5.5;Zwischenräume – Martina Fendt;164
6;Stadt als politischer Raum;182
6.1;Stadt als politischer Raum – Karsten Zimmermann;184
6.2;Auf dem Weg zur Weltstadt: Johannesburg und Delhi zwischen globaler Anschlussfähigkeit und Selbstfindung – Anna Mayr;190
6.3;Europe matters! Die Europäisierung des städtischen Raums – Michèle Knodt;204
6.4;Lokale Planungskulturen – Zur Eigenlogik Münchens und Frankfurts – Julian Wékel;216
6.5;Stadttypische Formen der Bürgerbeteiligung: Eine Annäherung an Frankfurt und München – Nicola Below/Jaqui Dopfer;226
7;Schluss;238
7.1;Schlussfolgerungen für eine erfolgreiche Gestaltung des Regierens von Metropolregionen – Hubert Heinelt;240
7.2;Empfehlungen für Stadtplanung und Stadtentwicklung – Martina Löw;246
8;Abbildungsverzeichnis;250
9;Autorinnen und Autoren;253
10;Städteregister;256
Stadt als politischer Raum (S. 183-184)
Karsten Zimmermann
Seinen Beitrag »Raum – die politikwissenschaftliche Sicht« beginnt Dietrich Fürst mit der Feststellung, dass Raum keine politikwissenschaftliche Kategorie sei (Fürst 1993). Insbesondere in der kommunalen Politik wird Raum in erster Linie über gebietskörperschaftliche Grenzen definiert. Da diese institutionell verfasst sind, kann die Kategorie Raum zu Gunsten der Institutionen vernachlässigt werden. Diese Sicht ist längst nicht mehr haltbar (Knoepfel/Kissling-Näf 1993; Kötter 2007; Benecke et al. 2008).
Darauf weist auch Fürst am Beispiel der Regionalisierung hin, bei der sich eher informell verfasste, also durch Vereine oder durch politische Netzwerke konstituierte Handlungsräume im Sinne eines experimentellen Regionalismus bilden, die gleichwohl politisch wirksam sind und oft erst im Nachhinein institutionalisiert werden (Fürst 1993; Gualini 2004). Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in vielen deutschen Metropolregionen, wo die Ebene der lokalen Politik durch eine weitere Ebene der interkommunalen Kooperation in verschiedenen funktionalen Zusammenhängen und räumlichen Zuschnitten ergänzt wird (Regionalparks, Marketing, Planung, Verkehrsmanagement, Abfallwirtschaft, etc.).
Ein weiteres Beispiel für die Ausweitung des stadtpolitischen Raums ist die zunehmende Außenorientierung der Städte und Regionen. Städte beteiligen sich an internationalen Städtenetzwerken wie METREX, Eurocities und Energie Cités oder eröffnen Vertretungen in Brüssel. Damit tragen sie der Tatsache Rechnung, dass kommunalpolitisch relevante Entscheidungen zunehmend in Brüssel und anderswo getroffen werden. Ein gebietskörperschaftlich definierter politischer Raum greift somit zu kurz.
Der stadtpolitisch relevante Handlungsraum hat sich aber nicht nur über die gebietskörperschaftlichen Grenzen hinaus ausgedehnt, sondern wird auch in besonderer Weise politisierbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein direkt gewählter Bürgermeister sich für die mitunter kostspieligen internationalen Aktivitäten kommunalpolitisch rechtfertigen muss (was z.B. für die in Deutschland beliebte Praxis des Cross-Border-Leasing gilt; der Gerichtsstand für derartige Leasinggeschäfte, bei denen kommunale Infrastrukturen an auswärtige Firmen verkauft und zurück gemietet werden, ist in der Regel New York).
Aber auch im Binnenverhältnis lässt sich die Stadt als geöffneter Raum des Politischen lesen, wenn die Stadt als politisches Organisationsfeld betrachtet wird, in dem Statusansprüche und Identitätsverteidigungen jenseits der formalen politischen Mitwirkungsmöglichkeiten geäußert werden (etwa durch Bürgerinitiativen, Stadtteilbewegungen und Wachstumskoalitionen, vgl. Mayer 1999). Üblicherweise ist das Rathaus und damit die kommunale Politik der Adressat für solche Statusansprüche, die erstens am formalen System vorbei formuliert werden und zweitens nie ohne Gegenreaktion bleiben – womit sie auf die relationale Verfasstheit des politischen Organisationsfeldes der Stadt verweisen.
Lokale Politik findet in hoch organisierten Feldern statt, die gleichermaßen durch Interessen, Kulturen, Regelsysteme und professionelle Werthaltungen und Wissensbestände strukturiert werden und gegenüber den sie bildenden Akteuren und Organisationen ein Eigengewicht gewinnen (Regeln bzw. Nomos des Felds im Sinne Bourdieus). Das so verstandene lokalpolitische Feld enthält Kategorien der Bewertung von Problemen, des Erkennens und Anerkennens von Kompetenz und Reputation, bewährte Herangehensweisen an feldspezifische Leitprobleme und entsprechende Lösungen, aber auch Rollenverteilungen und Machtverhältnisse. Ein solches politisches Organisationsfeld wird auch durch einen impliziten Konsensus darüber geprägt, wer wo legitim sprechen darf.