Lohaus Leistungsbeurteilung
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-8444-2090-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 151 Seiten
Reihe: Praxis der Personalpsychologie
ISBN: 978-3-8444-2090-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nicht nur in großen, sondern zunehmend auch in mittleren und kleinen Unternehmen trägt die systematische Einschätzung der Leistung von Mitarbeitern wesentlich zur Optimierung von Ressourceneinsatz und Produktivität bei. Aber auch die Mitarbeiter selbst haben Interesse an Leistungsbeurteilungen. Sie wollen wissen, wo sie stehen und welche Entwicklungsmöglichkeiten sie haben. Ihr Commitment kann durch den professionellen Einsatz dieses Instruments positiv beeinflusst werden.
Um diese Ziele zuverlässig erreichen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dabei sind folgende Punkte von Bedeutung: Welche Personengruppen sollten beurteilt werden und von wem? Was genau soll beurteilt werden und wie kann die Leistung angemessen erfasst werden? Da Menschen von Menschen beurteilt werden, ist mit Urteilsfehlern zu rechnen. Wie können solche Verzerrungen vermieden werden? Wie kann die Leistungseinschätzung dem Mitarbeiter in angemessener Weise rückgemeldet werden? Welche rechtlichen Belange der Arbeitnehmer und des Betriebsrates sind zu beachten? Und nicht zuletzt: Wie und mit welchem Aufwand lässt sich ein unternehmensspezifisches Beurteilungsinstrument entwickeln, implementieren und erfolgreich einsetzen?
In diesem Buch werden aufbauend auf neuesten theoretischen Grundlagen alle gängigen Verfahren zur angemessenen Leistungsbeurteilung mit ihren Besonderheiten für die Praxisanwendung gut verständlich dargestellt. Zahlreiche Beispiele und Grafiken veranschaulichen die Umsetzung für die Unternehmenspraxis. Die detaillierte Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen der verschiedenen Verfahren ermöglicht eine begründbare Entscheidung für ein unternehmensspezifisches Konzept. Schritt für Schritt wird dargestellt, wie ein Beurteilungssystem entwickelt, eingeführt und angewandt werden kann. Das Buch ist unentbehrlich für Mitglieder des Human Resources Management und ein sehr nützlicher Ratgeber für alle Führungskräfte, die regelmäßig Mitarbeiter beurteilen.
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2 Modelle der Leistungsbeurteilung
Die größte Aufmerksamkeit gilt den gedanklichen Prozessen des Beurteilers In diesem Kapitel geht es um Erkenntnisse darüber, aus welchen Komponenten die systematische Leistungsbeurteilung in Unternehmen besteht und wie diese zusammenhängen. Im ersten Abschnitt wird ein Überblick über die Komponenten wie beispielsweise Beurteilungsinstrument und beteiligte Personen gegeben. Im zweiten Abschnitt werden drei Modelle zu einem zentralen Bereich des Leistungsbeurteilungsprozesses vorgestellt. Dabei handelt es sich um Vorstellungen darüber, welche gedanklichen (kognitiven) Prozesse im Beurteiler ablaufen. Diese Konstrukte bilden den komplexesten Teil des Leistungsbeurteilungsprozesses. Das erste Modell, das von Brandstätter, ist am wenigsten detailliert, aber dafür sehr praxisnah. Die beiden folgenden Modelle wurden auf der Grundlage der Ergebnisse einer Vielzahl von empirischen Studien entwickelt. Sie bilden den aktuellen Stand der Wissenschaft davon ab, welche Komponenten am Ur teilsprozess beim Beurteiler beteiligt sind und wie sie zusammenhängen. Keines dieser beiden Modelle hat bislang eine endgültige Bestätigung gefunden. Sie bieten aber den Rahmen für neue Forschungsvorhaben. Im letzten Teil des Kapitels werden dann Erkenntnisse zur Qualität der Einschätzungen durch Beurteiler dargestellt. 2.1 Komponenten und Prozess der Leistungsbeurteilung
Die Leistungsbeurteilung ist eines der gut erforschten Gebiete der Psychologie. Ausgehend von Modellen des Urteilsprozesses wie dem von Landy und Farr (1983), das in Abbildung 5 beispielhaft dargestellt ist, gibt es Studien zu allen am Urteilsprozess beteiligten Komponenten. An Beurteilungen beteiligte Faktoren Abbildung 5: Ein Prozessmodell der Leistungsbeurteilung (Landy & Farr, 1983, S. 96, eigene Übersetzung) Aus der Abbildung wird deutlich, dass für Leistungsbeurteilung nicht nur die beteiligten Personen maßgeblich sind, sondern auch Merkmale der Organisation und der der Bewertung zugrunde liegenden Position sowie das Beurteilungsinstrument mit den für seine Anwendung festgelegten Bedingungen. Es wird ersichtlich, dass Merkmale der Organisation und Position sich nicht nur gegenseitig beeinflussen, sondern auch auf den Zweck der Beurteilung und die Entwicklung und Endfassung des Bewertungsinstruments wirken und ihrerseits durch die aufgrund der Leistungsbeurteilung getroffenen Personalmaßnahmen beeinflusst werden. Die Entwicklung des Beurteilungsinstruments und seine endgültige Form werden außerdem durch den Zweck der Beurteilung und die beteiligten Personen beeinflusst. Das Urteilsinstrument bestimmt ebenso wie der Zweck der Beurteilung auf welche Weise der Urteilsprozess ablaufen soll. Die sequenziell ablaufenden kognitiven Prozesse des Beurteilers (die Kästchen in der „untersten Reihe“ der Abbildung) werden sowohl durch den Zweck der Beurteilung, den Urteilsprozess, das Instrument mit seinen Skalen sowie durch Merkmale der beteiligten Personen beeinflusst. Sie münden in die personelle Maßnahme, die auf der Grundlage der Leistungsbeurteilung ergriffen wird. Beachte: Bis zu Beginn der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts konzentrierten sich die Bemühungen zur Verbesserung von Leistungsurteilen auf die Entwicklung guter Bewertungsskalen und das Training der Beurteiler (Ilgen, Barnes-Farrell & McKellin, 1993). Erst dann wurde der Schwerpunkt auf die Erforschung der kognitiven Prozesse der Beurteiler gelegt, wobei die Beurteiler als Entscheider gesehen wurden, die soziale (also auf Menschen bezogene) Informationen verarbeiten. Es wurden verstärkt Modelle der kognitiven Anteile des Urteilsprozesses formuliert. Im Folgenden werden zunächst Modelle des kognitiven Urteilsprozesses dargestellt, bevor auf die Qualität der im Prozess gewonnenen Urteile eingegangen wird. 2.2 Die kognitiven Anteile des Urteilsprozesses
Vier Phasen der Informationsverarbeitung Kognitive Modelle (d. h. solche, die sich mit den gedanklichen Anteilen des Urteilsprozesses beim Beurteiler beschäftigen) betrachten die bei der Beurteilung ablaufenden Vorgänge als Informationsverarbeitungsprozess mit den vier Phasen von erstens Beobachtung bzw. Informationsaufnahme, zweitens Enkodierung der Information, drittens Speicherung sowie viertens Abruf und Wiedergabe (Marcus & Schuler, 2006). Die einflussreichsten Modelle stammen von Feldman (1981), Landy und Farr (1983) sowie DeNisi, Cafferty und Meglino (1984). Das Modell von Feldman bezieht sich allerdings eher auf den Prozess der Urteilsbildung über Menschen all gemein als spezifisch auf den Prozess der Leistungsbeurteilung. Da Landy und Farr Ideen von Feldman aufgegriffen haben und ihr Modell spezifisch für Leistungsbeurteilungsprozesse formuliert haben, werden im Folgenden die Modelle von Landy und Farr sowie von DeNisi und Kollegen beschrieben. Kritikpunkte an diesen Modellen sehen Marcus und Schuler in erster Linie im Mangel an praktischer Umsetzbarkeit der Ergebnisse sowie darin, dass motivationale, affektive und situative Faktoren, die die Beurteilung beeinflussen, in den Modellen in geringerem Maß berücksichtigt werden als im weniger spezifischen Modell von Brandstätter (1969, zitiert nach Marcus & Schuler, 2006). Daher wird das Modell von Brandstätter ebenfalls dargestellt und seiner geringeren Ausdifferenzierung wegen vor den anderen Modellen behandelt. Die Informationsverarbeitungsschritte in den Modellen von Landy und Farr sowie DeNisi und Kollegen gleichen sich sehr stark. Außerdem gibt es deutliche Parallelen bezüglich der Einflussfaktoren auf die Informationsverarbeitung in den Modellen von Brandstätter und DeNisi et al. 2.2.1 Ebenenmodell von Brandstätter
Bei Leistungsbewertungen handelt es sich um einen Prozess der sozialen Urteilsbildung, d. h. der Urteilsbildung über Menschen, bei dem verschiedene Menschen zu unterschiedlichen Urteilen kommen können. Nach dem Modell von Brandstätter (1969), das von Schuler aktualisiert wurde (Schuler, 2004a; Schuler & Marcus, 2004), können unterschiedliche Bewertungen verschiedener Urteiler über dieselbe Person auf drei Ebenen erklärt werden. Zum einen kann das Verhalten der beurteilten Person unterschiedlich wahrgenommen worden sein. Es können sich zweitens Unterschiede in der Interpretation der Beobachtungen ergeben und drittens können trotz gleicher Beobachtung und Interpretation die Aussagen über die Leistung voneinander abweichen. Auf jeder Ebene wirken verschiedene Faktoren als Filter für die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, die in der Person des Urteilers, des Beurteilten oder des Kontextes, d. h. der Situation und des Arbeitsumfeldes, liegen. Die Einflüsse, die auf den drei Verarbeitungsebenen wirksam sein können, werden im Folgenden beschrieben. Das Modell ist schematisch in Abbildung 6 dargestellt. Drei Ebenen der Verarbeitung =Beobachtung, Interpretation und Beschreibung von Verhalten Abbildung 6: Ebenen-Modell der sozialen Urteilsbildung • Ebene des Verhaltens Beobachtung ist nicht objektiv Verantwortlichkeit für Verhalten Auf der Ebene des wahrgenommenen Verhaltens der beurteilten Person spielen Merkmale der Person eine Rolle. Das können die Ausbildung oder die tätigkeitsbezogenen und überfachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse der Zielperson sein. Außerdem haben Merkmale der Situation Einfluss wie die Arbeitsbedingungen, der Anregungsgehalt der Tätigkeit und die Anwesenheit anderer Personen wie Kollegen oder Kunden. Weiterhin sind Umfeldvariablen zu beachten. Damit ist u. a. die persönliche Situation des Beurteilten gemeint, die die Leistungen vorübergehend beeinflussen kann wie beispielsweise familiäre Probleme. Sie spielen nur eine Rolle, sofern der Beurteiler Einblick in sie hat. Welches Verhalten der Beurteiler wahrnimmt, wird nicht nur von den beschriebenen Faktoren beeinflusst, sondern auch durch den Beurteiler selbst. Seine Beobachtung ist nicht objektiv, sondern gefiltert durch seine Wahrnehmung und seine Interpretation. So bemerkt der Beurteiler möglicherweise einige relevante Situationsmerkmale, während andere seiner Aufmerksamkeit entgehen. Auf der Grundlage dieser (immer unvollständigen Wahrnehmung) interpretiert er seine Beobachtungen. Wichtig ist dabei, in welchem Ausmaß der Beurteiler die beurteilte Person als verantwortlich für diese Faktoren ansieht. So würde beispielsweise eine schlechte materielle Ausstattung des Arbeitsplatzes, die dem Mitarbeiter die Erledigung seiner Aufgaben erschwert, diesem nicht angelastet werden. Geringe Kenntnisse des Fachgebiets hingegen würde ihm zugeschrieben werden, speziell wenn der Vorgesetzte weiß, dass der Mitarbeiter die Möglichkeit hatte, seine Fachkenntnisse auszuweiten. Außerdem muss beachtet werden, dass der Beurteiler die Zielperson nicht permanent beobachtet, sondern immer nur zeitlich begrenzte Ausschnitte des Verhaltens erlebt, die unterschiedlich repräsentativ für die Gesamtleistung sein können. So arbeiten Vorgesetzte und Mitarbeiter häufig nicht im selben Büro und verbringen nur einen geringen Teil der Arbeitszeit gemeinsam. Bekommt der Vorgesetzte bei einer der u. U. wenigen gemeinsamen Arbeiten einen der seltenen Fehler des Mitarbeiters mit, wiegt dieser unter Umständen unverhältnismäßig schwer in der Beurteilung und vermutlich schwerer, als wenn der Fehler in Abwesenheit des Vorgesetzten passiert wäre. • Ebene des Eindrucks Der Einfluss des Beurteilers Bezüglich der...