E-Book, Deutsch, Band 3, 152 Seiten
Reihe: Die Erben Abaddons
Lohwasser / Kaiser / Karg Skotophobia
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96629-309-9
Verlag: Verlag Torsten Low
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 3, 152 Seiten
Reihe: Die Erben Abaddons
ISBN: 978-3-96629-309-9
Verlag: Verlag Torsten Low
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
2306. Siedlung der »Dreckdigger« am Fuß des Grüngebirges: Trotz seiner Angst vor der Dunkelheit verbringt Mateo sein halbes Leben damit, in Gebäude aus der »Alten Zeit« einzusteigen und vergessene Hochtechnologie zu plündern. Er verkauft sie an Zwischenhändler aus dem Neu-Babeler Einzugsgebiet, was gerade so zum Überleben reicht. Da erhält er die Chance seines Lebens: Der professionelle »Hunters of Ancient«-Squad engagiert ihn für den größten Auftrag, den er je hatte. Nur noch dieses eine Mal, so hofft Mateo, muss er sich in die gefürchtete Dunkelheit wagen. Doch in der Gruppe um »Diggerjunkie« Benson und dessen skrupellosen Sicherheitschef hat Mateo einen schweren Stand. Von Anfang an muss er sich gegen Schikane und Anfeindung behaupten; zu allem Überfluss verliebt er sich Hals über Kopf in die Technikexpertin des Teams. Und dann kommt es tief unten im Forschungsbunker der Takashi Corporation zur Katastrophe. »Skotophobia« ist der actionreiche dritte Teil der Reihe »Die Erben Abaddons«, in der sich Postapokalypse, Science-Fiction und Adventure zu einer neuen, faszinierenden Wirklichkeit vereinen.
Thomas Lohwasser und Vanessa Kaiser wurden Mitte der Siebzigerjahre in Marburg an der Lahn geboren. 2006 vereinigten sie ihre Talente und erzählen seither als Duo Geschichten, die in zahlreichen Anthologien veröffentlicht wurden. Zudem sind sie Herausgeber dreier Kurzgeschichtensammlungen und wirken seit 2015/2016 in der Jury der Storyolympiade mit. Im Oktober 2016 erschien ihr erster Roman 'Herbstlande' (in Zusammenarbeit mit Fabienne Siegmund und Stephanie Kempin im Verlag Torsten Low). Für ihr Schaffen wurden sie bislang mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Weitere Infos unter: www.lohwasser-kaiser.de Thomas Karg lebt im Herzen Niederbayerns. Seine Werke beschäftigen sich mit den dunklen Seiten der menschlichen Seele und des Lebens. Er erzählt düstere Geschichten in allen Schattierungen und Formen - von subtil bis blutig, von realistisch bis phantastisch. Seine erste eigene Kurzgeschichtensammlung 'Fest der Geier und andere verstörende Geschichten' wurde 2017 veröffentlicht und erreichte Platz_2 beim Vincent Preis. Zudem finden sich mehrere Beiträge von ihm in verschiedenen Anthologien. 2018 beschlossen die drei Autoren, gemeinsame Projekte zu starten. Anfang 2019 erschien die erste gemeinsame Kurzgeschichte des Trios. 2019 rief das Trio die dystopische Romanreihe 'Die Erben Abaddons' ins Leben. Bisher in der Reihe erschienen sind die Bände 'Nimmerland', 'Remedium', 'Skotophobia' und 'Verfall'. Weitere Bände sind in Vorbereitung.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
»Hast du Angst vor der Dunkelheit?« »Ja! Ja, das habe ich.« 1
Hunters of Ancient Große Einöde, heute, 2306. Es war Mittag – maximal hell. Das war gut. Es war die Tageszeit, in der sich Mateo am sichersten fühlte. Und das, obwohl er gemeinsam mit sieben wildfremden Menschen in einem E-Truck über den Hartsand der Einöde donnerte. Nie zuvor war er so weit draußen gewesen, so weit weg von der kümmerlichen Siedlung am Fuß des Grüngebirges. Von dem, was er sein Leben nannte – dieses unbedeutende Nichts, an das er sich seit einundzwanzig Jahren klammerte. Vorgebeugt saß er auf einer der beiden Bänke, die auf der rüttelnden Ladefläche des Trucks festgenietet waren, und stützte sich mit den Unterarmen auf die Oberschenkel. Der Metallboden vibrierte unter seinen Stiefeln, holperte, schaukelte. Das tiefe, an- und abschwellende Heulen des Elektromotors und das sandige Knirschen der acht Großreifen wurden ab und an von einem Knall übertönt, wenn ein Stein gegen den Unterboden des Fahrzeugs prallte. Heißer Fahrtwind wirbelte zu den offenen Seiten der Ladefläche herein. Mateo rann der Schweiß am Rücken hinunter und durchnässte Hemd und Hosenbund. Er hielt den Kopf gesenkt, sein langer Zopf baumelte ihm aus dem Nacken wie eine tote Schlange. Mateo fixierte sich auf ihn. Kein Kontakt zu den anderen, weder zu Skeech, Nioba und – hieß der Grauhaarige Duval? –, die auf der Pritsche gegenüber hockten, noch zu Benson, Sander und Rafty im Führerhaus, auch nicht zu dem Hünen neben ihm. Nicht jetzt, wenn er sich innerlich auf seine Aufgabe vorbereitete. Automatisch krampften sich seine Finger um die rauen Träger des Rucksacks, der zwischen seinen Füßen stand. Mateo brauchte immer etwas zum Festhalten, wenn er sich vorbereitete. Er wusste, wie jämmerlich das aussah, und es war ihm peinlich, besonders vor der hübschen Nioba, aber er konnte es nicht ändern. Nebenbei befand sich in diesem Rucksack seine komplette Ausrüstung, alles, was er für den Job brauchte, und das war eine Menge unersetzlicher Technik. Also wichtig genug zum Festhalten, oder etwa nicht? Der E-Truck setzte über eine flache Kuppe hinweg und kam krachend auf, die Ladung schepperte. Mateos Sitzknochen scheuerten schmerzhaft über das Metallraster der Bank. Seit dem frühen Morgen wurde er schon darauf durchgeschaukelt, und sein Hintern war knochig, hielt nichts aus. »Hässlich und schmal wie ein Bergbock« – die Einschätzung einer der »Schlampen« seines Bruders. Aber damit kam er in den Historys – den verschütteten Stätten der Alten Welt – wenigstens auch da durch, wo’s eng wurde. Er seufzte schwer. Richtig. Und genau darum war er es auch, der in den Historys immer vorkriechen musste. Dahin, wo es schrecklich dunkel war. Sein Puls beschleunigte sich. Er schluckte, atmete tief ein, stieß die Luft seufzend aus. Ein Handrücken klatschte ihm gegen den Oberarm. »Was is los, Neuer?« Mateo zuckte zusammen, wandte den gesenkten Kopf ein Stück seitwärts und blinzelte zu dem Hünen hinauf, der den Rest der Dreimann-Bank neben ihm ausfüllte. Scharfer Moschusgeruch quoll dem Kerl aus der Achselhöhle, wo der große, dunkle Fleck prangte, und mischte sich mit dem Ölgeruch des Trucks. Wie nannte sich dieser Kraftprotz noch gleich? Büffel. Ja, genau. Du stinkst, Büffel, wie eine ganze Bocksherde. »Ist nichts. Alles in Reihe«, gab Mateo zurück und senkte den Blick wieder, vertiefte sich in das flirrende Spiel aus Licht und Schatten auf der abgeblätterten, dreckig-orangefarbenen Ladefläche. Es entstand durch die unzähligen Windkrafträdchen über ihm, die in dem Dach aus zusammengeschweißten Gitterquadraten im Fahrtwind sirrten. Mateo hatte den halben Morgen nach oben gestarrt, hatte versucht, trotz der schaukelnden Fahrt das wirre Dach zu ergründen, bis Büffel schließlich gesagt hatte: »Raftys Idee, Raftys Werk. Lädt den Zusatzschub auf«. Er hatte darüber nachgedacht, wozu das starke Gefährt einen Zusatzschub brauchte, aber mittlerweile war es ihm egal. Das Einzige, was ihn noch interessierte, war der Fokus auf den Job. Er seufzte. »Hör auf damit.« Mateo linste wieder zu Büffel hoch. »Womit?« »Mit dem Geseufze! Du sagst, es ist nichts, aber du klingst wie meine Mutter, wann immer sie den Gürtel geholt hat. Sie hat dann genau so geseufzt wie du, tief aus der Brust. Hat mit dem Riemen zugeschlagen. Und geseufzt. Und geschlagen. Weißt du, Mateo, du machst mich ganz schön verrückt mit deiner Seufzerei.« Mateo strich sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, kratzte sich sein Kinn mit dem Bartflaum, der einfach nicht wachsen wollte. Er wusste nicht, was er tun oder sagen sollte, was er von dem Kerl halten sollte. Er verunsicherte ihn. Da war diese zu kurz geratene Nase mit den weiten Nasenlöchern, die den Eindruck erweckten, als schnupperte er ständig umher, nähme irgendeine unsichtbare Witterung auf, und Mateo musste sich zusammenreißen, diese Löcher nicht ständig anzustarren. Die ausrasierten Kopfseiten und der schwarze Haarstreifen, der sich bürstenartig von der Stirn bis in den muskulösen Nacken zog, machten den Hünen noch einschüchternder. Mateo klammerte sich fester an seine Rucksackträger. Büffel sah es und begann zu grinsen, von einem Ohr zum anderen. Dann lachte er ein kehliges Lachen. »Mann, mach dich locker! Ich fress dich nicht!« Er lachte wieder, wischte sich über die Augen. Skeech stimmte ein, ohne das Weitsichtgerät herunterzunehmen, mit dem sie den Horizont absuchte – ein hässlich meckerndes Ziegenlachen. Mateo starrte ihren Hinterkopf mit den eng angeflochtenen, schmutzigen Zopfbahnen an. Einen kurzen Moment lang hätte er sie gern einfach aus dem Truck gestoßen. Büffels Lachen war eine Sache, aber ihres war schlimmer, denn es war gehässig. Es klang nach aufziehenden Problemen. »Klar. Geht klar«, antwortete er. Er war es gewohnt, dass er innerhalb kürzester Zeit zum Gespött von anderen wurde. War immer so, wie ein ungeschriebenes Gesetz. Entweder die Leute mochten ihn nicht oder sie lachten über ihn. Was er mehr hasste, hätte er nicht sagen können. Er wandte sich ab. Vermied es, Nioba anzusehen, blendete das leise Gespräch zwischen ihr und dem Alte-Welt-Spezialisten Duval aus. Er versuchte erneut, sich zu konzentrieren – auf die Dunkelheit, in die sie bald vordringen würden. Das war es nun mal, was sie taten, sie alle: die Dreckdigger-Trupps. Ach nein, dieser Trupp hier war etwas anderes, nannte sich »Hunters of Ancient«. »Wir sind Profis, keine Dreckdigger. Allein schon wegen der Spezialausrüstung, die wir hier spazieren fahren.« Bensons Worte zu Beginn der Fahrt. Benson war der Anführer des Squads und derjenige mit den wertvollen Verkaufskontakten nach Neu-Babel. Trotzdem hatte Benson ihn als Door-Opener engagiert, etwas, womit er niemals gerechnet hatte, weil sie doch »Profis« waren. Wie auch immer, er wollte es nicht vergeigen. Das hier war sein bisher größter Job und er brauchte das Geld. Schließlich wollte er so bald wie möglich aufhören, in ungewisses Dunkel zu kriechen. »Okay Leute, Plünderer im Anmarsch! Wieder die mit den bemalten Segeln«, brüllte Skeech und riss das Weitsichtgerät herunter. Ihre Augen leuchteten wild in ihrem breiten Gesicht. Beinah gleichzeitig zerrten sie und Büffel ihre Schnellfeuerwaffen von den Schultern. Mateo richtete sich kerzengerade auf. Ihm entging nicht, dass Nioba und Duval beunruhigte Blicke tauschten. Er wandte den Kopf, um über den offenen Rand der Ladeklappe zu spähen, und erkannte in einiger Entfernung eine Staubwolke, die sich bei genauerem Hinsehen aus mehreren kleinen zusammensetzte. Jede einzelne davon bewegte sich auf den Truck zu. Oh, fuck, fuck, fuck. Das roch nach Riesenärger. »Sicher, Skeech? Die mit der tropfenden roten Sonne?«, schrie Rafty hinter dem riesigen Lenkrad hervor. »Treffsicher, Ratte!«, rief Skeech zurück. »Scheiße, was treibt die denn so weit in den Norden?«, schrie Rafty wieder, wobei seine Stimme überschnappte. »Egal, jetzt gehören sie mir!« Wieder dieses meckernde Lachen. Wie konnte man sich über eine Horde Plünderer nur so freuen? Zu oft hatte Mateo tödliche Diggerkämpfe in den Historys erlebt. Er wünschte sich weg von hier, zurück in seinen Verschlag in der Siedlung. Er hörte Squadführer Benson, der rechts außen im Fahrerhaus saß, mit seiner ruhigen Stimme etwas sagen. »… wollen ihr Territorium ausweiten …« Mehr verstand er nicht. Sander bückte sich, um aus dem Fahrerhaus auf die Ladefläche zu klettern. Er war der Chef des Sicherheitstrupps, der Mann mit den toten Augen, wie Mateo ihn insgeheim nannte. Als er fast draußen war, hielt er inne und spähte Richtung Horizont. Dann drehte er sich noch einmal zu Rafty um. »Gib Gas!«, sagte er scharf. Rafty beugte sich vor und stierte in die Seitenspiegel. Anscheinend entdeckte auch er die Verfolger, denn sein seltsames Rattengesicht verzog sich zu einer Grimasse der Entschlossenheit. Er packte einen Hebel neben dem Lenkrad und rammte ihn nach unten. Im nächsten Moment brüllte etwas in der Front des Trucks auf und das eintönige Summen des Elektromotors ertrank im Lärm. Der Truck machte einen Satz vorwärts. Das also war der Zusatzschub. Der Ruck war gewaltig. Mateo ließ die Träger seiner Tasche los und krallte sich an der Metallbank fest, um nicht gegen Büffels Rücken zu kippen. Sander, der sich eben mit seinem rasierten Schädel vollständig zu ihnen rausgeschoben hatte, griff blitzschnell nach den beiden Stangen rechts und links...