E-Book, Deutsch, 332 Seiten
Mader Der letzte Atlantide
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7565-4893-4
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 332 Seiten
ISBN: 978-3-7565-4893-4
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Auf dem Festlande des Südpolgebiets, dem sechsten Weltteil unserer Erdkugel, an der Südküste des Weddellmeeres stand ein junger Mann einsam und verlassen vor einer Steinhütte. Der südliche Winter, der in unsere Sommermonate fällt, hüllte die in Eis und Schnee schimmernde Landschaft in Nacht; doch war es kein tiefes Dunkel, das sie umgab, denn der Himmel strahlte in rötlichem Glanz und ergoss einen rosigen Schein über die starren Gefilde. Die seltsame Beleuchtung mochte etwas Unheimliches an sich haben, dem Jüngling aber erschien sie ungemein lieblich, nachdem die letzten Tage ein Schneesturm von besonderer Heftigkeit gewütet und die Finsternis der Polarnacht völlig undurchdringlich gemacht hatte.
Ernst Friedrich Wilhelm Mader (* 1. September 1866 in Nizza; ? 30. März 1945 in Bönnigheim) war ein deutscher evangelischer Pfarrer und Schriftsteller von Zukunfts- und Abenteuerromanen, Theaterstücken, Märchen, Gedichten und Liedern. Er wird der schwäbische Karl May genannt.
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1.– Im Südlicht
Auf dem Festlande des Südpolgebiets, dem sechsten Weltteil unserer Erdkugel, an der Südküste des Weddellmeeres stand ein junger Mann einsam und verlassen vor einer Steinhütte. Der südliche Winter, der in unsere Sommermonate fällt, hüllte die in Eis und Schnee schimmernde Landschaft in Nacht; doch war es kein tiefes Dunkel, das sie umgab, denn der Himmel strahlte in rötlichem Glanz und ergoss einen rosigen Schein über die starren Gefilde. Die seltsame Beleuchtung mochte etwas Unheimliches an sich haben, dem Jüngling aber erschien sie ungemein lieblich, nachdem die letzten Tage ein Schneesturm von besonderer Heftigkeit gewütet und die Finsternis der Polarnacht völlig undurchdringlich gemacht hatte. Bei dem schneidenden Orkan, der auch die dichte Polarkleidung mit eisiger Schärfe durchdrang, hatte der junge Mann seine Steinhütte nur aus Minuten verlassen, um den nötigen Schnee hereinzuholen, den er zum Kochen und zur Verwandlung in Trinkwasser brauchte. Dann hatte er sich rasch wieder in den Steinbau geflüchtet, der ihm Schutz vor Wind und Kälte gewährte. Nun war es ihm eine willkommene Erholung, sich wieder ein wenig im Freien ergehen zu können und dabei das entzückende Schauspiel des Südlichts genießen zu dürfen, das ihm längst vertraut war und ihn jedes Mal von Neuem erfreute. Monatelange Einsamkeit ist nicht leicht zu ertragen, am schwersten in jungen Jahren, und wenn dann noch die lange Polarnacht dazu kommt, kein Sonnenstrahl, keine Tageshelle mehr Abwechslung in die Eintönigkeit des Lebens bringt, da könnte einen wohl Schwermut und Verzagtheit befallen. Glücklicherweise neigte Ernst Frank nicht zu Tiefsinn und Mutlosigkeit. Seine Verbannung war eine freiwillige, und er hatte ein Ziel vor Augen, das ihn immer wieder aufrechterhielt. Freilich galt es, Geduld zu beweisen, solange das nächtliche Dunkel jede Unternehmung zur Erreichung des Zieles hinderte, und da war eine Abwechslung, wie sie das Südlicht in die Einförmigkeit der langsam dahinschleichenden Tage brachte, eine willkommene Erquickung. Während Ernst sich dem Zauber der märchenhaften Beleuchtung hingab, lenkte plötzlich eine ganz fremdartige Erscheinung seine Blicke empor: drei leuchtende Kugeln schwebten in ungleichem Abstand nebeneinander von Norden daher, langsam und majestätisch, als glitten dort oben drei Luftboote durch die Lüfte, jedes mit einer Papierlaterne versehen. Und doch stimmte der Vergleich mit den kugeligen Leuchten nicht, denn jede der rätselhaften Leuchtkugeln zog einen langen strahlenden Schweif nach sich, gleich einem Kometen. Die mittlere erschien blutrot, die beiden äußeren goldgelb. Jetzt standen die so herrlichen und doch unheimlichen Lichtgebilde über Ernsts Haupt. Da erfolgte ein dumpfer Knall, wie von einem Sprengschuss und dann ein donnerähnliches Rollen. Die mittlere Kugel zerbarst, während die beiden anderen weiterzogen. Kurz darauf ging ein Steinhagel los: mehrere Brocken klatschten in die Bucht, das Meerwasser schäumend und zischend in gewaltigen Springbrunnen emporschleudernd; die meisten schlugen am Strande ein, wo sie sich in die Erde wühlten, die, mit Schneestaub und Eissplittern vermengt, ebenfalls aufspritzte, als ob sie flüssig wäre. Ein besonders großer rot glühender Meteoreisenblock fiel ganz in der Nähe des erschrockenen Beobachters nieder und überschüttete ihn mit Schnee, Erde und Eisstücken, so dass er sich rasch in die Hütte zurückzog. »Da wäre ich ja beinahe von einem himmlischen Steinregen erschlagen worden!«, sprach Ernst vor sich hin, während er die Türe hinter sich schloss und einen Vorhang von Robbenfellen zurückschob, der unmittelbar hinter dem Eingang herabhing, um das Eindringen von Schneewehen zu verhindern. Dabei fiel ihm eine köstliche Weisheit ein, die er einmal im Briefkasten einer angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift gelesen hatte. Da war einem Anfragenden folgender hochernste Bescheid erteilt worden: »Es ist statistisch festgestellt, dass in jedem Jahrhundert nur ein einziger Mensch durch einen Meteorfall ums Leben kommt. Da im laufenden Jahrhundert dieser eine schon erschlagen wurde, können Sie beruhigt sein, denn in den nächsten neunzig Jahren wird niemand mehr von einem Meteor getroffen werden können.« Diese Erinnerung weckte ein Lächeln auf Ernsts Lippen: »Welches Glück für mich«, sagte er, »dass der einzige Mensch, der jedes Jahrhundert nach den unumstößlichen Ergebnissen unserer erhabenen Wissenschaft von einem Meteorstein erschlagen werden darf, diesmal schon gleich zu Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts von seinem Schicksal ereilt wurde. Sonst wäre jedenfalls ich es gewesen, der heute daran hätte glauben müssen!« Das Innere der Hütte war ganz angefüllt mit Kisten, Ballen und aufgestapelten Blechbüchsen. Zwischen diesen Vorräten führte ein schmäler Gang nach hinten, bog dann nach rechts ab, um kurz darauf wieder links weiter zu führen und zuletzt, nochmals nach links sich wendend, auf eine freie Stelle zu münden, die etwa vier Meter im Geviert maß. Die Anordnung des Ganges bewirkte, dass hier in diesem behaglichen Mittelraum auch beim heftigsten Orkan kein Luftzug zu spüren war, zumal hier Kisten und Ballen bis zur Decke aufgebaut waren. In der Mitte des Raums stand ein Ofen, dessen Rohr durch das Dach ins Freie ging. Auf dem Ofen, der die Kammer, wenn man sie so nennen darf, gemütlich erwärmte, konnte auch gekocht werden. Vor ihm stand ein Tisch, auf dem eine Erdöllampe brannte. Eine leere Kiste diente als Sitzbank und im Hintergrund war, ebenfalls auf leeren Kisten, eine einfache Lagerstatt mit einem Schlafsack bereitet. Kriechend war der Jüngling aus dem Gang in diesen Mittelraum gelangt; denn auch gegen den Flur zu waren Kisten bis zur Decke aufgebaut, und nur die untersten standen so weit auseinander, dass sie einen niederen Durchgang freiließen, der durch eine eingeschobene genau eingepasste schmale Kiste verschlossen werden konnte. So vermochte die Wärme nicht zu entweichen und kein Luftzug einzudringen, während der Ofen doch für genügende Erneuerung der Luft sorgte. Nicht immer hatte Ernst Frank so wohlgeborgen hier gelebt. Die Steinhütte war eigentlich nicht als Wohnstätte, sondern lediglich als Vorratshaus erbaut worden, ein sogenanntes Depot. Der Ofen und seine Röhre waren wohl darin vorhanden gewesen, hatten aber erst aufgestellt werden müssen, wobei die Führung des Rohrs durch das Dach einige Schwierigkeiten bot. Der junge Deutsche hatte an einer Entdeckungsfahrt des Barons von Münkhuysen teilgenommen, die ihr Ziel, die Entdeckung des Südpols, erreichte. Auf der Heimreise war das Vorratshaus am Ufer des Weddellmeers errichtet worden, zum Nutzen späterer Südpolarfahrer, die etwa in Not geraten würden. Während die Reisegesellschaft heimfuhr, war Ernst heimlich zurückgeblieben. Nur notdürftig von einer schweren Verwundung genesen, hatte er vom abfahrenden Schiffe aus die Küste schwimmend gewonnen und sich in seinen nassen Kleidern in der Depothütte versteckt, sodass er, wie er beabsichtigt hatte, nicht aufgefunden werden konnte, als die Kameraden nach ihm suchten. Infolgedessen musste angenommen werden, er sei ertrunken. Eine weitere Folge jedoch, die der Jüngling durchaus nicht beabsichtigt hatte, trat ein: der längere Aufenthalt in dem frostigen Raum bei völlig durchnässter Kleidung, verursachte einen schweren Fieberrückfall. Wochenlang schwebte der freiwillig Verlassene zwischen Tod und Leben. Kam er zu klarem Bewusstsein, so konnte er nur mühsam aus seinem Schlafsack kriechen, um sich an dem glücklicherweise reichlich vorhandenen Wein und etwas Schiffszwieback zu stärken. Dann zog er sich alsbald wieder fröstelnd in den Schlafsack zurück. Als seine kräftige Natur schließlich das Fieber überwand, machte er eine schlimme Zeit durch: Schneestürme und heftiger Frost traten ein, und manchmal wäre er beinahe in seinem Schlafsack erfroren. Er war noch zu schwach zu irgendwelcher Tätigkeit, konnte sich kaum Bewegung verschaffen, und nur selten fand er die nötige Kraft, sich einen warmen Tee oder Kakao zu bereiten. Auch diese schlimmste Zeit überstand seine gesunde Jugend. Inzwischen stand jedoch der Polarwinter vor der Tür. Ernsts Kräfte kehrten so langsam zurück, dass er einsah, sein geplantes Unternehmen vor Einbruch der langen Nacht nicht mehr ausführen zu können. Er musste daher zusehen, sich in der Vorratshütte so bequem wie möglich einzurichten, um darin gefahrlos überwintern zu können. Vor allem machte er in der Mitte des Baus einen Raum frei und stellte den Ofen dort auf. Mittels aufgetürmter Kisten konnte er das Dach erreichen und eine Platte abheben, um das Rohr hinauszuleiten. Dann kletterte er von außen auf das Dach und verschloss die Lücke rings um die Röhre mit Steinen. Hernach baute er die Ballen und Kisten im Innern derart auf, dass sie den gewundenen Gang vor der Eingangstür bis zum Mittelraum freiließen. Eine große Erleichterung für ihn bildete Münkhuysens weise Fürsorglichkeit. Der Baron hatte nämlich Bedacht darauf genommen, dass die Waren nicht etwa nach Arten zusammengepackt worden waren, sodass eine ganze Anzahl Kisten und Ballen hätten geöffnet werden müssen, um das Notwendigste zusammenzubekommen, sondern jeder Behälter enthielt eine Auswahl des Nötigsten. Überdies erleichterten Aufschriften das Auffinden des Gewünschten. Ernst brauchte nur zwei Ballen und vier Kisten zu öffnen, um alles beieinander zu haben, dessen er bedurfte, und zwar in genügender Menge, um als einzelner monatelang damit auszukommen. Die erste Kiste mit der Aufschrift „Getränke und Lebensmittel“ hatte er gleich zu Anfang bei beginnendem Fieber aufgemacht. Hammer, Stemmeisen...