E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Malmsheimer Wieder besseres Wissen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-946207-96-2
Verlag: WortArt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Des Vademecums zwoter Teil
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
ISBN: 978-3-946207-96-2
Verlag: WortArt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In 'Wieder besseres Wissen' fragt sich Jochen Malmsheimer, ob Humor als Wegweiser oder Rezept zur Errettung der Welt versagt hat, welchen Sinn oder Unsinn Kunst dabei hat, und ob er und seine humorarbeitenden Kolleg*innen zu einer besseren Welt beitragen können. Sein neues Buch ist dann der sehr unterhaltsame Beweis, dass Humor eben doch 'ein treuer Freund, ein Gehilfe, eine Gehhilfe, ein Tröster, eben ein Begleiter durch die Fährnisse des Alltags' (Malmsheimer) sein - und damit die Welt wesentlich verbessern - kann. Mit manchem Schachtelsatz und sich einiger Regeln der neuen Rechtschreibung widersetzend stellt Jochen Malmsheimer Homers Odyssee richtig (Das Buch Herpes), beschreibt Heinrichs des IV Gang über die Alpen nach Canossa (Zwei Füße für ein Halleluja) und zeigt auch in 'Statt wesentlich die Welt bewegt, hab ich wohl nur das Meer gepflügt ...', dass er ein kunstvoller Meister des epischen Kabaretts und des gehobenen Unsinns ist. Und erschafft damit ein weiteres Vademecum der guten Laune. 'Wieder besseres Wissen - des Vademecums zwoter Teil' ist der zweite Band der 'Gedrängten Wochenübersicht - ein Vademecum der guten Laune'.
Jochen Malmsheimer startete seine Kabarett-Karriere als eine Hälfte des Kabarett-Duos Tresenlesen. Als Solokünstler erschuf er die Kunstform des epischen Kabaretts und trat regelmäßig in der ZDF-Sendung »Neues aus der Anstalt« als Hausmeister auf. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Deutsche Kleinkunstpreis, der Deutsche Kabarettpreis und der Bayerische Kabarettpreis
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Pars secunda
Pfingsten 1066 Dieses Land ist unregierbar! Und das wird sich auch in den nächsten tausend Jahren nicht ändern. Die Verwaltung liegt in den Händen gußeiserner Bürokraten mit spirituellem Hintergrund, wobei man »spirituell« durchaus auch durch »spirituos« ersetzen könnte! Die Leute sind verrückt, alle, und Gott macht offensichtlich ein ausgedehntes Nickerchen. Ich bin einige Jahre nicht zum Schreiben gekommen, Palimpsestmangel, ich hatte keine Zeit zu rubbeln. Dann wußte ich nicht, wo mir der Kopf stand. Eines ist aber sicher, ich kann’s beweisen: Die Leute sind verrückt, allen voran: Anno! Ihr erinnert Euch, Anno von Köln, der Mann mit den Winden! Offensichtlich wüten die Böen nicht nur in seinem Darm, sondern wehen mittlerweile auch in seinem Kopf! Vor vier Jahren, im 1062. Jahr der Wiederkehr unseres Herrn, versuchte der alte Blödian, mich zu entführen, zu entführen! In Kaiserswerth, ausgerechnet, hat er mich mit dem Angebot, mir seine Siegelsammlung zeigen zu wollen, an Bord eines Schiffes gelockt, Siegelsammlung! Und ich fall auch noch drauf rein! Nun gut, ich war zwölf und mein Interesse an Siegelsammlungen gerade erwacht und das muß der alte Blähbeutel gemerkt haben! Sein Interesse an Siegelsammlungen ist ja auch verbürgt! Wie auch immer, ich geh an Bord, innerlich vor Erwartung bebend, Siegel wollen ja mit allergrößter Sorgfalt erbrochen werden und das wäre mein erstes Mal gewesen, der Schuft, der übelriechende, und kaum bin ich an Bord, legt das Schiff ab! Mit mir! Nix mit Siegel erbrechen oder gar das eigene Petschaft ins noch warme weiche Wachs pressen und einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen, nix! Unter die Räuber war ich gefallen, unter die Thronräuber vielleicht! Aber nicht mit mir, dachte ich, schüttelte die Überraschung ab und sprang über Bord. Das war, wie sich sogleich herausstellte, eine etwas impulsive Entscheidung gewesen, leider neige ich bisweilen dazu. Zum einen ist der Urstoff Wasser vom Höchsten seinerzeit nur für Auserwählte zum drauf Laufen konzipiert worden, und zu denen, das wurde sehr schnell deutlich, darf ich mich nicht zählen. Zum anderen unterscheidet sich der Rhein nicht nur durch seine Länge von einem stehenden Gewässer. Nein, anders als dieses fließt er, und die Anwesenheit eines deutschen Königs in seinen Wässern läßt ihn völlig kalt und zwingt ihn eben nicht zu Einkehr und Besinnung, mitnichten! Er zeigte mir gar in lächelnder Überheblichkeit, was man unter Strudeln und Wirbeln versteht und daß Atmung unter Wasser ohne hochentwickelten Kiemenapparat selbst für Angehörige des Adels ein Ding der Unmöglichkeit ist. Dem Schwimmen als Fortbewegungs- und Überlebenstechnik hatte ich bis dato kaum Aufmerksamkeit gezollt, alldieweil es aber auch den Burgen, in denen ich mich aufzuhalten geruhte, an Fließgewässern mangelte. Bis auf jene natürlich, die wir selbst erzeugen und in denen zu schwimmen mir nie in den Sinn gekommen wäre. Kurz: Ich sank wie ein Stein, und nur weil Graf Ekbert von Braunschweig mir nachsetzte, mich am Knöchel zu fassen kriegte und unter erheblichen Mühen wieder an Bord schaffte, endete die Vita Henrici nicht in der feuchten Umarmung von Vater Rhein. Damals jedoch wünschte ich, kaum daß ich wieder bei mir war, es wäre so ausgegangen, denn die Verschwörer brachten mich nach Köln. Nach Köln! Was ein durchsichtiges Manöver! Denn die Regierungsgeschäfte werden laut Gesetz immer von dem Bischof geführt, in dessen Sprengel sich der jugendliche Herrscher gerade aufhält, und wer ist der Erzbischof von Köln? Richtig! Anno, der rettichkauende, knoblauchschwitzende, zwiebelumdunstete Anno! Dieser grundfaule Zahn im Gebiß Gottes hatte sich meiner bemächtigt! Und keiner unternahm etwas!! Mutter war augenscheinlich auch noch froh, daß ich in seiner Obhut war, wie sie das wohl nannte; sie meldete sich überhaupt nicht, nicht einmal eine Karte zum Geburtstag! Jahre habe ich in Köln zugebracht, dieser Gerbergrube am Rhein, und ich schwor mir, sollte ich das alles gesund an Körper und Geist überstehen, würden sie alle dafür die Quittung erhalten. Alle! Zuerst Anno, dann Köln und zum Schluß der Fluß!! Als ich fünfzehn Jahre alt war, konnte man mich nicht länger gängeln! Meine Schwertleite stand an. Haha, der Knabe wurd’ zum Manne! Am 29. März diesen Jahres in Worms! Und da hab ich Anno gleich einen eingeschenkt, indem ich nicht ihn an meiner Seite hatte, sondern Adalbert von Hamburg-Bremen, einen baumlangen Kerl aus Poppenbüttel mit einigen interessanten Ideen zu den Themen königliche Lebensführung und Siegelsammlungen. Und kaum war meine Mündigkeitserklärung verlesen, ergriff ich mein Schwert, um der Tonsur Annos noch in der Kirche endgültige Façon zu verleihen! Und plötzlich war der Dicke wieselflink und spritzte unter lautem Arschhusten in die Sakristei, ich schwertschwingend hinterher! Aber Mutter fiel mir in den Arm und versuchte mich zu besänftigen, indem sie in schrecklichen Bildern ausmalte, was alles passieren könne, wenn ich Anno anstäche: Wie die Winde seinen Körper verlassen würden und die ganze schöne Zeremonie beim Teufel wäre, weil niemand mehr atmen könne und so weiter und so weiter. Ich hab ihn dann nicht angestochen, aber der Tag war im Eimer. Offensichtlich hat die ganze Sache aber Eindruck hinterlassen, denn plötzlich drängelt sich alles um mich und sucht meine Nähe, offensichtlich hatte ich mir Respekt verschafft! Ein bißchen mit dem langen Messer wedeln ist offensichtlich die Sprache, die die Herren verstehen. Bitte. Können sie haben. Der Beweis, daß alle Welt verrückt ist, wurde allerdings gestern angetreten, ich bin immer noch nicht ganz darüber hinweg. Schon Weihnachten zeichnete sich ab, daß etliche in meiner Umgebung nicht mehr alle Kerzen auf dem Baum haben! Denn man geriet, das muß man sich mal vorstellen, wegen der Sitzordnung während eines Gottesdienstes, also in der Kirche (!), heftig aneinander. Es ging darum, wer näher bei mir sitzen durfte. Man hätte mich ja mal fragen können, aber nein, es gab gleich einen Tumult, und erst als Otto von Bayern in einem nur ihm verständlichen Idiom auf die tobende Geistlichkeit einteufelte, stellte sich Ruhe ein. Ich habe keine Ahnung, was er gesagt hat, es klang, wie: »bluetigehehnerkröpf zefixhallelujasakrament hatseichahnerindeshirngschissn undnetumgrührt setzsteuchhalthi ihrdeppndamische grundverkacktesacklträger grindige wegvomkini!!!!« Da war Ruhe. Aber gestern das Gleiche wieder! Der sonst so ernste August von Hannover, der besonders dadurch auffällt, daß er im Feld gerne an die Zelte anderer Leute pinkelt, fing als erster an, sich über die Sitzordnung zu mokieren, in einer Kirche! Er hatte einen extra Stuhl mitbringen lassen, den er im Mittelgang platzierte, um näher bei mir sitzen zu können. Bischof Hezilo von Hildesheim, der diesen Trick schon kannte, hatte, ohne mein Wissen, eine Schar Bewaffneter hinter dem Altar versteckt. Also es waren drei, der Altar ist nicht so groß ... Ausgerechnet den schwimmenden Ekbert und zwei Spießgesellen: Arbogast von Appelhülsen und Wilhelm, den Samthäutigen aus Ochtrup, der seit einem Zwischenfall mit griechischem Feuer während der Schlacht um Rothenburg nur noch Leder-Wilhelm gerufen wird. Als sich auch noch der Fuldaer Abt links von mir in die Kirchenbank quetschte – er hat die Figur einer trächtigen Kuh, gebietet aber nicht über deren Verstand – da also rutschte wegen des Fuldaer Drucks rechts von mir Reinmar von Weimar aus der Bank und berührte im Fallen den Saum des Gewandes von August von Hannover, was dieser, Knecht seines Temperamentes, sofort als kriegerischen Akt wertete und dem Weimaraner kräftig in die Fresse drosch. Der Hildesheimer wollte dem Gestürzten beispringen, erhielt jedoch stante pede eine derartige hannoveraner Kelle auf die Lichter, daß diese sofort ausgingen. Die hinter dem Altar im Schatten des Tabernakels Lauernden sprangen, durch den Lärm alarmiert, alsogleich herfür und mischten nach Kräften mit! Ich war aufgesprungen und versuchte, die Kampfhähne erst mit Worten zu beruhigen »bitte, bitte!«, dann, indem ich ebenfalls kräftig hinlangte. Ich bin schon recht groß für mein Alter, aber leider richtete ich nichts Sonderliches aus, ja ich fing mir eine derartige Maulschelle des wild um sich prügelnden Hannoveraners ein, daß ich meinen Kiefer ausgerenkt wähnte und in der Sakristei Schutz suchte und fand. Der Kampfeslärm ebbte etwas ab, als der, neben dem ein jeder sitzen wollte, den Raum verlassen hatte, aber just, als ich mich entschloß, ins Kirchenschiff zurückzukehren, schwoll er erneut an, denn Bewaffnete, welcher Fraktion auch immer, stürmten das Haus Gottes, die Sache nun endgültiglich zu entscheiden. Da machte ich aber, daß ich wieder unter den alten Holztisch in der Sakristei kam. Dort zeltete bereits ein mir unbekannter Geistlicher, der in aller Seelenruhe seine Notizen für die Predigt durchging. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Frater Anselm aus Goslar, der eigentlich den Gottesdienst, der gerade so viel untypischen Schwung erhielt, zu unser aller Erbauung leiten sollte. Trotz des Kampfeslärmes, der nun deutlich...