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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 229 Seiten

Reihe: Vijay Kumar

Mann Lichterfest

Vijay Kumars zweiter Fall
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-89425-851-1
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Vijay Kumars zweiter Fall

E-Book, Deutsch, Band 2, 229 Seiten

Reihe: Vijay Kumar

ISBN: 978-3-89425-851-1
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Vijay Kumar ist irritiert: Der Zürcher Medientycoon Blanchard beauftragt ausgerechnet ihn, seine verschwundene Putzfrau Rosie zu suchen. Und bietet dem indischstämmigen Detektiv dafür ein saftiges Honorar. Was ist so besonders an Rosie? Als der rechte Politiker Graf tot aufgefunden wird, bekommt der Fall eine neue Dimension - denn auch bei Graf hat Rosie geputzt. Der indischstämmige Schweizer Detektiv Vijay Kumar ist einfach wunderbar: Mit leichter Hand erzählt Autor Sunil Mann von dem Leben zwischen verschiedenen Kulturen.

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Nach der Matur schrieb er sich in Z?rich f?r Psychologie und Germanistik ein. Beide Studien brach er erfolgreich ab. Zurzeit ist er als Flugbegleiter t?tig, ein Job, der ihm gen?gend Zeit zum Schreiben l?sst. F?r seine Kurzgeschichten hat er bereits zahlreiche Preise gewonnen. F?r sein Romandeb?t 'Fangschuss' wurde er mit dem 'Z?rcher Krimipreis' ausgezeichnet.

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Samstag »Ey, Arkadasch!« Die Tür wurde derart heftig aufgerissen, dass die Gäste in der gut besuchten IQ Bar erschrocken herumfuhren und das Gemurmel, das den Raum summend wie ein friedlicher Bienenschwarm erfüllt hatte, auf der Stelle verstummte. Ein paar empörte Atemzüge lang war nur noch das monotone Rauschen der Geschirrspülmaschine hinter dem Tresen und Santanas selbstverliebtes Gitarrenspiel aus den Lautsprechern zu hören. »Arkadasch! Kumpel! Gott sei Dank!«, keuchte der schlaksige junge Mann erneut, während er ohne sich umzublicken zur Bar stürzte. »Da bist du ja!«, empfing ihn sein Kollege überrascht. »Was geht?« Ein hastiger Schlag auf die Schulter, ein flüchtiges Grinsen, und nach einem komplizierten Begrüßungsritual, bei dem sich in rasend schneller Abfolge Knöchel, geballte Fäuste und Finger berührten, ergriffen sich auf Kinnhöhe zwei Hände mit betont männlichem Druck, eine angedeutete Umarmung, dann schwang sich der Ankömmling neben seinem Freund auf den Hocker. Das allgemeine Gemurmel setzte wieder ein. Der Junge war völlig außer Atem. Er musste gerannt sein, sein Brustkorb hob und senkte sich heftig, Schweißtropfen perlten an seinen Schläfen. Türken, dachte ich und wandte mich wieder Miranda zu, die gerade drei Finger in die Luft streckte und mit dem herrischen Ton, den ihre Stimme immer bekam, wenn sie auf der Schnellstraße zu einem Damenräuschchen war, bei der amüsiert dreinblickenden Bedienung noch eine Runde bestellte. »Drei Prosecco?« Die Flasche mit dem italienischen Sprudel bereits in der Hand, deutete die burschikos wirkende junge Frau mit den kurzen roten Haaren auf unsere leeren Gläser. »Das Konzept hat sich bewährt!«, rief Miranda und lachte ihr raues, tiefes Lachen. Die Rothaarige lächelte und füllte die Kelche. »Auf uns!« Miranda, José und ich stießen miteinander an und grinsten. Es war einer dieser Abende, die länger dauern würden. Wir taten so, als ahnten wir es nicht, doch insgeheim wussten wir es alle, dazu kannten wir uns zu gut. Bevor wir in der IQ Bar gelandet waren, hatten wir uns im nahe gelegenen abaton einen Film angesehen. In dem weitläufigen Kinokomplex nach amerikanischem Vorbild wurde einem schon im Foyer vom butterigen Popcorngeruch übel und später konnte man wegen der Knirsch-, Schmatz- und Raspelgeräusche der mahlenden Kiefer und knisternden Chipstüten kaum verstehen, was auf der Leinwand gesprochen wurde. Andererseits wurden dort hauptsächlich Filme für ein Publikum gezeigt, das Dialoge als eher hinderlich für die Handlung empfand. Ich jedenfalls konnte mich nur noch vage an den eben gesehenen Streifen erinnern. Es war eine dieser unzähligen Comic- oder Computerspieladaptionen gewesen, die zurzeit von einem bedenklich einfallslosen Hollywood wie Backmischungen mit sogenannten Charakterdarstellern angerührt wurden, die allesamt an Karriereknicken oder Schwerwiegenderem litten. In Kostümen, die sie nach ihrem Oscargewinn nicht einmal betrunken zu Halloween angezogen hätten, staksten, flogen oder hüpften sie durch ein Sperrfeuer von Spezialeffekten, das mit dreidimensionalen Bildern verzweifelt eine eindimensionale Geschichte zu überdecken versuchte. Miranda, die in letzter Zeit oft gereizt oder ungewohnt melancholisch drauf war, hatte auf diesem Film bestanden, da sie weder dem verkorksten Liebesleben mittelalterlicher Päpstinnen noch den mit pathetischen Nachrufen gespickten Konzertproben verstorbener Popstars etwas abgewinnen konnte. Ihrer guten Laune zuliebe hatten wir uns gefügt. Ohne abzusetzen leerte Miranda nun das Glas bis zur Hälfte. Ihre schier endlosen Beine übereinandergeschlagen und eine goldfunkelnde Handtasche neben sich auf dem Tresen, saß sie zwischen José und mir, wie immer in etwas Extravagantes gehüllt: ein satinblau schimmerndes Abendkleid mit gewagtem Ausschnitt und breiten Schulterpolstern, dazu ein keckes eierschalenfarbenes Hütchen, dessen Schleier ihr halbes Gesicht bedeckte, auf der sichtbaren Hälfte glitzerte dramatisches Make-up. Miranda sah aus, als käme sie von einem Casting für den Denver Clan. Während sie mit der Barfrau scherzte, beobachtete ich unauffällig meinen besten Freund José, der abwesend an seinem Glas nippte und den Blick durch die Bar schweifen ließ. Gedämpftes, gelbliches Licht erzeugte mit dem dunklen Holz, aus dem Tische und Bar gefertigt waren, ein italienisches Ambiente. Man wäre nicht erstaunt gewesen, hätte plötzlich Al Capone mit Hut und Nadelstreifenanzug das Lokal betreten. Oder der Falten und gängigen Rechtssystemen gegenüber resistente Silvio Berlusconi inmitten einer Schar blutjunger RAI-Blondinen. José war wie gewohnt unrasiert, trug eines seiner an Geschirrtücher erinnernden karierten Hemden und die Baseballmütze verkehrt herum auf seinem Kopf. Er hatte sich schon den ganzen Abend merkwürdig ruhig verhalten, auch jetzt schien er tief in Gedanken versunken. Ich bemerkte es daran, dass er den attraktiven, wenn auch nicht mehr ganz taufrischen Damen, die an den Tischchen in unserer unmittelbaren Nähe saßen, keine Beachtung schenkte. Bei ihm war das Anlass zu größter Sorge. José schaute mich an, offenbar hatte er bemerkt, dass ich ihn beobachtet hatte. Fragend hob ich die Augenbrauen, doch er winkte ab, lächelte geheimnisvoll und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Es war sinnlos, ihn zu drängen. Wenn er ein Problem hatte, würde er früher oder später von selbst darauf zu sprechen kommen. Ich schätzte, dass er dazu noch etwa vier Drinks brauchte. Jemand stieß mich unsanft an. Ich fuhr herum und blickte in das überraschte Gesicht des türkischen Jungen neben mir. Er hatte schwarz glänzendes schulterlanges Haar, ein stoppeliges Oberlippenbärtchen und etwas zu akkurat geschwungene Augenbrauen. »Sorry, Mann, war keine Absicht, echt«, entschuldigte er sich hastig, bevor er ganz vom Barhocker rutschte und breitbeinig durchs Lokal Richtung Toiletten schlenderte. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass sein Kollege, der vorhin so gehetzt in die Bar gestürzt war, sich ruckartig vorbeugte und unter dem Tresen herumnestelte, wahrscheinlich an seiner Jacke, die er dort an einen Haken gehängt hatte. Als er meinen Blick bemerkte, richtete er sich auf und lächelte nervös. Noch immer glitzerten Schweißtröpfchen auf seiner Oberlippe und der olivfarbenen Haut unter den Augen, das weiße Hemd klebte an seinem Körper. Er starrte mich Hilfe suchend an. Fast schien es, als wollte er mir etwas anvertrauen, doch dann wandte er sich ab und spähte unruhig durch die Fensterfront der Bar hinaus auf die belebte Straße. »Wir müssen weiter«, hörte ich Miranda hinter mir dröhnen, ihre Stimme war in der letzten Viertelstunde eine weitere halbe Oktave in die Tiefe gerutscht. Schwer legte sie mir ihre Hand in den Nacken und drückte kräftig zu. »Nicht wahr, Kleiner?« »Für dich bin ich immer noch Mister Vijay Kumar!«, berichtigte ich sie gereizter als beabsichtigt. »Nur weil du ein Schnüffler bist, brauchst du dich nicht so aufzuführen!« »Privatdetektiv!« »Freunde nennen ihn eh nur Curryfresser«, erklärte Miranda, zur Bardame gewandt. »Fick dich!« »Jederzeit, für dich sogar zum Freundschaftspreis.« Miranda hatte aus ihrem Beruf als nicht ganz so leichtes Mädchen noch nie einen Hehl gemacht, was manchmal in der Öffentlichkeit für erstarrte Mienen oder entsetztes Luftschnappen sorgte, nicht jedoch hier. Die Barfrau grinste und wünschte viel Vergnügen sowie standhafte Kundschaft. »Also leert die Gläser, Jungs! Hopp, hopp!« Miranda war aufgedreht. Während José und ich den Rest Prosecco hinunterstürzten, begann sie, mitten in der Bar zu den lateinamerikanischen Rhythmen Shakiras zu tanzen, eine Art Bauchtanz, bei dem die Hüften mit spastischen Bewegungen vor- und zurückgestoßen wurden und der Busen dabei hysterisch wippte. Ein bisschen erinnerte sie an eines dieser unermüdlichen Duracell-Häschen aus der Werbung. Der Ausschnitt ihres Kleides verrutschte dabei bedenklich und gewährte tiefe Einblicke, auch das Hütchen saß in der Zwischenzeit windschief auf ihren karamellfarbenen Locken. Den Schleier hatte sie zurückgeschlagen, damit sie wenigstens sah, wem sie bei ihren wilden Verrenkungen auf die Füße trat. Der langhaarige Türkenjunge war mittlerweile zurückgekehrt und lehnte jetzt an der Bar. Pfeifend feuerte er Miranda an, während sein Kumpel sie fassungslos anstarrte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Er zupfte seinen Freund am Ärmel und bedeutete ihm, dass er kurz rausgehe. Der Langhaarige nickte, ohne seinen Blick von Miranda zu wenden. »Dios, wenn du nur im Mittelpunkt stehen kannst! Komm raus hier, bevor es Ärger gibt!« José packte die zeternde Miranda unsanft am Arm und zerrte sie hinter sich her zum Ausgang, wo der junge Türke stehen geblieben war und zaghaft durch die Glasscheibe spähte. Als er bemerkte, dass Miranda und José hinter ihm standen und hinauswollten, trat er rasch beiseite und ließ sie vorbei. Dabei blickte er unverwandt in die Nacht hinaus, als versuche er, etwas zu entdecken. »Warum musst du immer so bieder sein? Und verklemmt! Genau das bist du! Bieder und verklemmt! Wie alle spanischen Machos!« Mirandas Keifen übertönte die letzten Takte von Shakiras Song, während sie hinausmanövriert wurde. Ich lächelte der Bedienung entschuldigend zu und folgte den beiden nach draußen. Dann ging alles sehr schnell. Ich zündete mir eine Parisienne an und war gerade im Begriff, dem jungen Türken, der direkt hinter mir aus dem Lokal getreten...


Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Nach der Matur schrieb er sich in ZŸrich fŸr Psychologie und Germanistik ein. Beide Studien brach er erfolgreich ab. Zurzeit ist er als Flugbegleiter tŠtig, ein Job, der ihm genŸgend Zeit zum Schreiben lŠsst. FŸr seine Kurzgeschichten hat er bereits zahlreiche Preise gewonnen. FŸr sein RomandebŸt "Fangschuss" wurde er mit dem "ZŸrcher Krimipreis" ausgezeichnet.



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