Marklund / Berf | Paradies | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 512 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Marklund / Berf Paradies

Kriminalroman
16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8437-1290-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 512 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1290-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Doppelmord im Stockholmer Hafen sorgt für fieberhafte Arbeit im Abendblatt, in dessen Redaktion Annika gerade Nachtschicht hat. Während die Kollegen den Fall bearbeiten, macht sich die Nachwuchsjournalistin an die Recherche über eine Organisation namens Paradies, die verfolgten Menschen neue Identitäten verschafft. Doch was als Routinearbeit beginnt, entpuppt sich als Fall mit tödlichen Konsequenzen.
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MONTAG, 29. OKTOBER
Sie stieg an der Endhaltestelle der Linie 41 aus, atmete auf, sah den Bus davonfahren und hinter einem niedrigen Verwaltungsgebäude verschwinden. Alles war still, keine Menschenseele zu sehen. Der Tag war dabei, aufzugeben und sich zurückzuziehen, noch bevor er gekommen war. Sie vermisste ihn nicht. Sie hängte sich die Tasche über die Schulter und ging einige Meter, sah sich um. Es war ein eigenartiges Gefühl, zwischen diesen Häusern und Lagerhallen umherzugehen. Hier endete Schweden. Ein Schild links von ihr wies den Weg in Richtung Tallinn, Klaipeda, Riga, Sankt Petersburg, zu den neuen Volkswirtschaften, den jungen Demokratien. Kapitalismus, dachte Annika. Eigenverantwortlichkeit, Privatisierungen. Ist das die Lösung? Sie hielt das Gesicht in den Wind und blinzelte. Alles wurde grau. Das Meer, die Kais, die Häuser, die Kräne. Kalte, hartnäckige Sturmböen. Sie schloss die Augen und ließ den Wind an ihr zerren. Ich habe alles, was ich mir je gewünscht habe, dachte sie. Genau so will ich mein Leben leben. Ich habe es selbst gewählt. Ich kann niemandem einen Vorwurf machen. Sie blickte direkt in den Wind, der ihre Augen tränen ließ. Geradeaus lag die Hauptverwaltung des Stockholmer Hafens, ein schöner alter Ziegelbau mit Erkern, Terrassen und einem Blechdach in verschiedenen Stufen. Hinter dem Gebäude erhoben sich die riesigen Silos der Raiffeisenkooperative wie zusammengewachsene Penisse gen Himmel. Der Fährterminal Richtung Estland lag links, dahinter begann das offene Wasser. Rechts erstreckte sich ein Hafenbecken mit Kränen und Lagerhallen zu beiden Seiten. Sie schlug den Kragen der Jacke hoch, zog das Halstuch enger und ging langsam zu dem Bürogebäude. Eine Fähre aus Tallinn lag vor Anker und sah hinter den Häusern gigantisch aus. Das Fenster der Balten zum Westen. Als sie um die Ecke des Bürogebäudes bog, sah sie die Absperrungen. Die blauweiß gestreifte Plastikfolie flatterte einsam und verfroren bei den Silos im Wind. Es waren keine Polizisten zu sehen. Sie blieb stehen und studierte die Landzunge, die sich vor ihr erstreckte. Dies musste das Herz des Hafens sein. Das Gebiet war ein paar hundert Meter lang, mit gewaltigen Lagerhäusern zu beiden Seiten. Ganz am Ende, noch hinter den Absperrungen, sah man einen Abstellplatz für Sattelschlepper. Die einzigen Menschen, die sie ausmachen konnte, waren ein paar Gestalten in knallgelben Westen bei den Zugmaschinen. Sie ging langsam zu den Plastikbändern der Polizei und blickte zu den enormen Silos auf. Obwohl sie festen Boden unter den Füßen hatte, wurde ihr von der Höhe schwindlig. Die Spitzen trafen den Himmel, ohne einen größeren Kontrast zu bilden, Grau auf Grau. Ihr Blick folgte ihnen, bis ihre Hüfte gegen das zähe Plastik stieß. Zwischen den Silos gab es eine schmale Fläche, zu der kein Tageslicht hervordrang. Hier hatten die Männer ihr Leben ausgehaucht. Sie zwinkerte in der plötzlichen Dunkelheit, um ihre Augen an das Zwielicht zu gewöhnen, konnte aber dennoch die schwarzen Flecken, die von dem Blut stammten, kaum erkennen. Die Körper hatten in der Mündung der Passage gelegen, nicht zwischen den Schatten versteckt. Sie wandte dem Tod den Rücken zu und sah sich um. Reihen von Scheinwerfermasten standen an der Kaikante. Das ganze Hafengebiet dürfte nachts in helles Licht getaucht sein, ausgenommen der Raum zwischen den Silos. Wenn man jemanden erschießen will, warum lässt man ihn dann mitten im Scheinwerferlicht liegen? Warum schleift man ihn nicht in den Schatten? Es kommt natürlich darauf an, wie eilig man es hat, dachte sie. Sie senkte den Blick, stampfte mit den Füßen und blies in ihre Hände, der Matsch spritzte. Scheißwinter. Hinter dem abgesperrten Areal befand sich irgendwo das Requisitenlager des schwedischen Fernsehens. Sie ging um die Absperrung herum und fror dabei ordentlich, denn der Regen war zwar nicht sehr stark, wurde aber von dem vom Meer kommenden eisigen Wind scharf landeinwärts geweht. Sie schlug den Schal noch einmal um den Kopf und ging weiter in Richtung Wasser, folgte einem Zaun, der die Grenze zum Baltikum bildete. Ein Ferntransporter, der seine besten Tage hinter sich hatte, stand auf der anderen Seite und spuckte Abgase, sie zog den Schal vor die Nase. Der Zaun endete an einem großen Tor gleich neben den abgestellten Sattelschleppern. Drei Zollbeamte waren gerade dabei, den vorletzten Lastwagen des Tages zu kontrollieren, der letzte war der Umweltsünder hinter ihr. »Was machen Sie hier?« Der Mann hatte rote Wangen von der Kälte und trug die Uniform eines Zollbeamten unter seiner gelben Weste. Seine Augen waren klar und fröhlich. Annika lächelte. »Ich bin nur neugierig. Ich arbeite bei einer Zeitung und habe von den Morden da drüben gelesen«, sagte sie und zeigte über die Schulter. »Wenn Sie etwas schreiben wollen, muss ich Sie an unseren Pressesprecher verweisen«, sagte der Zollbeamte freundlich. »Nein, nein, ich schreibe nicht in der Zeitung, ich kontrolliere bloß, ob die anderen auch alles richtig beschrieben haben. Da ist es gut, wenn man auch mal rauskommt und sich umsieht, damit man weiß, ob die Reporter schlampig gewesen sind.« Der Zollbeamte lachte. »Ja, da haben Sie sicher viel zu tun«, meinte er. »Genau wie Sie, nehme ich an«, erwiderte Annika. Sie gaben sich die Hand und stellten sich vor. »Ist bald Schluss für heute?«, fragte Annika und zeigte auf das letzte Fahrzeug, das gerade zum Tor vortuckerte. Der Mann seufzte müde. »Zumindest für mich«, meinte er. »Es war ein ziemliches Durcheinander hier in den letzten Tagen, mit der Absperrung da hinten und dem allen. Und dann die ganzen Zigaretten.« Annika hob die Augenbrauen. »Ist heute was Besonderes passiert?« »Wir haben heute Morgen einen falschen Kühllastwagen erwischt, der voller Tabak war, im Boden, in der Decke, in den Wänden. Sie hatten die ganzen Isolierungen entfernt und die Hohlräume mit Zigaretten gefüllt.« »Wie viele waren es denn?« »In den Boden eines Ferntransporters passen fünfhunderttausend und fünfhunderttausend in die Decke und dann noch einmal genauso viel in die Wände. Insgesamt dürften es also bis zu zwei Millionen gewesen sein, und Sie können mit einer Krone pro Zigarette rechnen.« »Großer Gott«, sagte Annika. »Das ist im Grunde gar nichts, verglichen mit allem, was sonst noch so kommt. Es werden unglaubliche Mengen von Zigaretten geschmuggelt. Die Schmuggler haben das Rauschgift aufgegeben und schmuggeln stattdessen Tabak. Seit der Staat die Steuern erhöht hat, werfen Zigaretten genauso viel ab wie Heroin, und das bei einem wesentlich niedrigeren Risiko. Rauschgift in Millionenwert bringt einen ins Gefängnis, bis man verrottet, Zigarettenschmuggel wird kaum bestraft. Sie versuchen es mit doppelten Planen, Zwischenböden, hohlen Stahlträgern …« »Einfallsreiche Typen«, sagte Annika. »Unbestritten«, erwiderte der Zollbeamte. Annika nahm Anlauf. »Wissen Sie, wer die Toten waren?« Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein. Habe sie vorher noch nie gesehen.« Annika sperrte die Augen auf. »Dann haben Sie die Leichen gesehen?« »Ja. Sie lagen da hinten, als ich kam. Direkt in den Kopf geschossen.« »Gott, wie furchtbar«, meinte Annika. Der Zollbeamte zog eine Grimasse, stampfte Leben in seine Füße. »Na, jetzt wird es aber bald Zeit, den Laden dicht zu machen. Wollten Sie sonst noch etwas wissen?« Annika sah sich um. »Nur, was sich in diesen Häusern befindet.« Der Zollbeamte zeigte auf die einzelnen Gebäude und erklärte es ihr. »Lagerhalle acht. Steht im Moment leer. In der Zwei dahinten sind der Tallinn-Terminal und der Seezoll. Alle Gütertransporte aus Tallinn müssen erst dahin und ihre Papiere vorzeigen, ehe sie zu uns kommen.« »Was sind das für Papiere?« »Frachtbriefe, jede einzelne Kiste samt Inhalt muss aufgeführt sein. Dann bekommen sie den hier, den sie bei uns vorzeigen müssen.« Der Mann zog einen knallgrünen Papierstreifen mit Stempeln, Unterschriften und den Buchstaben IN hervor. »Und Sie kontrollieren jedes einzelne Ding?«, fragte Annika. »Das meiste, aber alles schaffen wir nicht.« Annika lächelte verständnisvoll. »Wann überspringen Sie denn einen Wagen?« Der Zollbeamte seufzte. »Wenn man die Hecktüren aufmacht und die Paletten und Kartons vom Boden bis zur Decke gestapelt sind, kann es schon einmal vorkommen, dass einem die Lust vergeht. Wenn wir so einen Lastwagen überprüfen wollen, müssen wir ihn in die Sieben drüben auf dem Containergelände bringen und alles ausladen, die Ladung mit Hilfe von Gabelstaplern rausholen. Wir haben hier zwar Zollbeamte, die ausgebildete Gabelstaplerfahrer sind, aber so viel Personal haben wir nun auch wieder nicht.« »Nein, das verstehe ich«, sagte Annika. »Dann sind da noch die verplombten Wagen, die Schweden mit versiegeltem Laderaum passieren. Niemand darf Teile der Fracht entfernen, hinzufügen oder austauschen, ehe der Transport das vorgesehene Empfängerland erreicht hat.« »Sind das die Wagen, auf denen TIR steht?« Der Mann nickte. »Es gibt auch noch andere Formen der Versiegelung, aber TIR ist die bekannteste.« Annika streckte die Hand aus. »Was machen denn die ganzen Sattelschlepper hier?« Er drehte sich um und sah zu dem Parkplatz mit den vielen Aufliegern hinüber. »Da draußen stehen die Frachten, die ins Baltikum sollen und auf eine Fähre warten, oder Sachen, die verzollt worden sind und auf den Weitertransport in Schweden warten.« »Mietet man diese...


Marklund, Liza
Liza Marklund, geboren 1962 in Piteå, arbeitete als Journalistin für verschiedene Zeitungen und  Fernsehsender, bevor sie mit der Krimiserie um Annika Bengtzon international eine gefeierte Bestsellerautorin wurde.



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