E-Book, Deutsch, Band 3, 240 Seiten
Reihe: Kanon
Marrak Cutter ante portas
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-95869-509-2
Verlag: Amrun Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein KANON-Roman
E-Book, Deutsch, Band 3, 240 Seiten
Reihe: Kanon
ISBN: 978-3-95869-509-2
Verlag: Amrun Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
"Man nennt mich Thanatos Daimon."
"Jener Thanatos, der durch den Äther reist?", erklang es aus der Dunkelheit. "Der Sohn von Raum und Zeit, Würger der Seelen, Hüter der Mondsichel, Tänzer auf den Schweifen der Draconiden und gefürchtete Inkarnation des Xotur, den die Schamanen von Leng den Zebrastreifen Gottes nennen?"
"Ja, das mag einst wohl größtenteils gestimmt haben", seufzte Cutter.
Es gibt viele Dinge, die Anax Thanatos nicht ausstehen kann. Allen voran zweifellos geschlossene Türen, dicht gefolgt von Wänden und Sackgassen. Hinzu kommen Schilder, Metaphern, Bürokraten, Taschenuniversen und Leute, die seine Kutte angrapschen. Cutters jüngste Aversion gilt der Epoche des temporal-borealen Wirbels und seinen Horden, die mit ihren Vortexgeneratoren vor Jahrtausenden die Welt heimgesucht hatten – bis sie von der Maschine, die alle Probleme löst und unsere Sprache spricht, in ihr Kontinuum zurückgedrängt worden waren. Es war den Chroniken zufolge das Zeitalter, in dem die Maschine letztmals auf Erden gesehen wurde.
Ausgerechnet ein Relikt der Horden ist es, auf das Cutter während der Rettung eines alten Verbündeten stößt. Und nicht nur das bereitet der Todesinkarnation Sorgen. Gerüchte machen die Runde, die Maschine, die alle Probleme löst, wäre aus dem Wirbeluniversum zurückgekehrt. Und es heißt, sie verfolge Pläne, die ebenso finster seien wie der Schattenschirm, hinter dem sie sich verberge.
Ein KANON-Roman
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I 1 I »Sapperlot!«, entfuhr es Cutter, als es unter seinem rechten Fuß knallte und er im Lichtblitz der Explosion die Spitze seines kleinen Zehs verglühen sah. »Der Boden ist übersät mit Rota-Kristallpartikeln.« »Sind wir in Gefahr, Meister?« Das ihn begleitende Sensorium stoppte seine Fahrt mit schleifenden Raupenketten. »Für ein Minenfeld bin ich nicht gerüstet.« Cutter erhob sich vom Boden der Reaktorhalle, um nicht mit weiteren Splittern in Berührung zu kommen, und blickte auf das kleine Gefährt herab. »Du hast von den Resten der Rota-Materie nichts zu befürchten«, sagte er, woraufhin sich das Assistenzmechanikum zögerlich wieder in Bewegung setzte. »Leuchte!«, wies er es an. Ein gleißender Lichtstrahl schnitt durch die Schwärze, begann dicht über den Boden zu wandern und riss dabei riesige Felsquader aus der Dunkelheit, die sich aus dem hunderte Meter über ihnen spannenden Deckengewölbe gelöst hatten und in den einstigen Reaktorsee gestürzt waren. Stellenweise wurde der Strahl von Tümpeln reflektiert, die sich in Senken um die Steinblöcke herum gebildet hatten, oder ließ eine der gigantischen Stützsäulen erahnen, die in regelmäßigen Abständen in die Finsternis emporragten. »Halt!«, gebot Cutter, als sie einen der mächtigen Quader passiert hatten und das Licht für den Bruchteil einer Sekunde von einem metallischen Objekt reflektiert wurde. »Langsam wieder zurück«, wies er das Assistenzmechanikum an und richtete das Sensenblatt weisend in die Schwärze. »Weiter … weiter … Halt!« Mit einem letzten Zittern verharrte der Strahl auf einem fernen, zylinderförmigen Gebilde, das zwischen Felstrümmern einsam und verloren in der Finsternis ruhte. »Da ist es!«, frohlockte der Schwarzgekleidete beim Anblick des Aquaroids. »Und es sieht intakt aus.« Ohne auf das ihm nacheilende Mechanikum zu warten, schwebte er auf das Wrack des Tauchbootes zu und hielt erst vor dessen Bug inne. Als das Aquaroid weder auf seine Anwesenheit noch auf das Scheinwerferlicht des Sensoriums reagierte, klopfte er mit dem Sensenschaft laut gegen die gläserne Frontluke. Nach einem Moment der Stille hallten die Schläge im Stakkato von den fernen Wänden wieder. Doch selbst jetzt ließ das Tauchboot kein Zeichen von Leben erkennen. Auch in seinem Inneren regte sich nichts, was Cutter zu einer leise geraunten Bemerkung verleitete. »Komm her und walte deines Amtes«, wies er seinen mechanischen Begleiter an. Das Sensorium rollte herbei und richtete seine Detektoren und Messfühler auf das Wrack. Eine Zeit lang stand es reglos da, dann sagte es: »Ich registriere ein Kraftfeld.« Es setzte sich in Bewegung und begann das Aquaroid zu umrunden. »Offenbar sind beide Diametron-Generatoren noch aktiv«, verkündete es, als es wieder am Ausgangspunkt angekommen war. »Aber ich kann nicht messen, wie intensiv das Feld ist und ob es seinen Zweck noch erfüllt.« »Das wird sich zeigen.« Der Schwarzgekleidete schwebte zurück zur Frontluke. »Kriegst du die auf?«, fragte er das Sensorium. »Wie meint Ihr das?« »Kommst du mit deinem Schneidbrenner durch die Hülle?« Das Mechanikum begutachtete das Metall, dann fragte es: »Warum orbt Ihr nicht einfach hinein, Meister?« »Weil mein Eindringen das im Inneren wirkende Nullzeitfeld kollabieren lassen könnte«, erklärte Cutter. »Die Implosion würde das, was von ihm geschützt wird, augenblicklich zerstören.« Er blickte auf seinen Begleiter herab. »Und benutze in meiner Gegenwart nie wieder das Wort ›orbt‹!«, rügte er ihn. »Also, schaffst du das?« »Selbstverständlich«, antwortete das Sensorium kleinlaut. »Wie lange wird es dauern?« »Vielleicht … drei Wochen?« Das Gefährt duckte sich ängstlich, als die Sensenklinge wenige Zentimeter über ihm in der Luft stoppte. »Aber für Euch schaffe ich es in einer!«, beeilte es sich zu versichern. Cutter maß das Assistenzmechanikum mit Blicken. »Treib es nicht zu weit mit deinem Spott!«, rügte er es. »Und nimm Abstand!« Dann wandte er sich dem Aquaroid zu, holte mit der Sense aus und vollführte einen Hieb, der die Klinge eine Handbreit neben dem Schottrahmen durch das Metall trieb. Ein Poltern hinter der Frontluke bestätigte ihm, dass der durchtrennte Schließriegel zu Boden gefallen war. Doch selbst jetzt gab das Wrack keinen Mucks von sich. Cutter wiederholte den Streich auf der gegenüberliegenden Seite des Schotts, dann vollführte er einen horizontalen Schwinger, um die Scharniere zu kappen. Nach dem dritten Hieb begann die Luke sich vom Rumpf zu lösen, kippte vornüber und schlug mit lautem Krachen auf dem Hallenboden auf. »So weit, so gut.« Cutter spähte ins Dunkel des Tauchbootes. »Komm her und leuchte!«, wies er das Sensorium an, nachdem er ins Innere geschwebt war. Das kleine Gefährt richtete seine Scheinwerfer in die Höhe. Wo sie auf die Kutte des Schwarzgekleideten trafen, brachen sich die Lichtstrahlen wie in einem Prisma und ließen das Bootsinterieur in allen Regenbogenfarben schimmern. Schweigend sah Cutter sich im Inneren um. Durch die verborgenen Lecks, die das Wasser einst hatten eindringen lassen, war das meiste davon im Laufe der Monate wieder herausgesickert. Lediglich im vorderen Bereich stand es noch wadenhoch im Boot. Bemüht, mit nichts in Berührung zu kommen, das eine Zeitbrandexplosion auslösen könnte, näherte der Schwarzgekleidete sich dem Nullzeitfeld im Zentrum des Aquaroids. Darin schwebten – sich in Stasis auf wundersame Weise gegenseitig umarmend – ein Monozyklop und ein kugelförmiger, mit vier langen Greifarmen ausgestatteter Sondenadjutant. Ob das begrenzte Energiefeld die beiden voluminösen Objekte in diese Stellung gezwungen hatte, wusste Cutter nicht. Womöglich war es der Orphiker selbst gewesen, der die Sonde in die Arme geschlossen hatte, um die Nullzeitsphäre nicht zu sehr zu dehnen. Dass Auguste Barnacolls einst auf die Sonde übertragenes Bewusstseinsmuster etwas damit zu tun hatte, war ausgeschlossen. Der Schwarzgekleidete studierte den im Rumpf eingelassenen Generatorpol, dann schaltete er das Gerät aus. Im selben Augenblick, in dem das Nullzeitfeld erlosch, setzte für den Monozyklopen und die Sonde die Schwerkraft wieder ein. Als beide zu Boden stürzten, schleuderte die Erschütterung alles empor, was lose an Bord herumlag. Der Aufschlag brachte das Wrack zum Schwanken und erzeugte im vorderen Bereich eine kleine Flutwelle, die sich an den Bootswänden brach und zur offenen Frontluke herausschwappte. »Seid Ihr wohlauf, Meister Thanatos?«, erklang die besorgte Stimme des Sensoriums, nachdem wieder Stille eingekehrt war. »Habt Ihr diesen Sloterdyke-Monozyklopen gefunden?« »Habe ich.« »Ist er am Leben?« Cutter betrachtete die reglos vor ihm ruhende Zweckgemeinschaft. »Das weiß ich noch nicht so genau.« Er blickte abwägend zum Bug, dann wieder auf Sloterdyke und die Sonde. »Mach Platz!«, forderte er das vor dem Aquaroid wartende Assistenzmechanikum auf. »Ich bringe ihn durch den Orb heraus.« »Beim heiligen Dynamo, was ist das denn?«, erschrak das Sensorium, als Cutter mit dem Monozyklopen und der von ihm umklammerten Sonde neben dem Bug des Tauchbootes materialisiert hatte. »Ein Parasit?« »Ein alter Levit-Assembler«, erklärte der Schwarzgekleidete. »Vom einstigen Kontrolleur dieses Mauerabschnitts zum Dienstboten umfunktioniert. Eigentlich eine Schande, wenn man bedenkt, woher seinesgleichen stammt.« Gespannt wartete er mit dem Mechanikum auf ein Lebenszeichen des sich umklammernden Zweibundes, doch der Monozyklop regte sich nicht. »Sollte die Stasis mit dem Erlöschen des Nullzeitfeldes nicht augenblicklich enden?«, erkundigte sich das Sensorium. »Sollte sie in der Tat.« Das kleine Gefährt rollte heran, streckte seine Fühler aus und betastete den Monozyklopen vorsichtig. »In seinem Körper herrscht ein außerordentliches zellulares Durcheinander«, verkündete es nach seiner Diagnose. »Selbst in seinen Molekülen überwiegt das Chaos. Es ist unter diesen Bedingungen fast schon ein Wunder, dass seine angestammte physische Struktur sich nicht längst aufgelöst hat.« Das Sensorium untersuchte die Sonde und sagte: »In ihr hingegen messe ich keine Aktivität mehr.« »Sie ist...