Marzi / Pflaum / Deerberg | Kohlendioxid, Biomasse und regenerativer Strom - Ressourcen einer neuen Kohlenstoffwirtschaft | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 78 Seiten

Marzi / Pflaum / Deerberg Kohlendioxid, Biomasse und regenerativer Strom - Ressourcen einer neuen Kohlenstoffwirtschaft

E-Book, Deutsch, 78 Seiten

ISBN: 978-3-87468-361-6
Verlag: Karl Maria Laufen Buchhandlung und Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Will man Erdgas, Erdöl und Kohle ersetzen, kommen als alternative Kohlenstoffträger nur Biomasse unf CO2 in Frage. Doch wie ist es um die Verfügbarkeit dieser Ressourcen bestellt? Reichen die zur Verfügung stehenden Mengen aus, die Industriebereiche Stahl, Zement und Chemie zu versorgen, und wie hoch ist der Energiebedarf zur Erschließung dieser "neuen" Rohstoffe? Im vorliegenden Themenheft werden ausgewählte Aspekte einer Transformation zu einer neuen Kohlenstoffwirtschaft diskutiert.
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2 2 Transformation der
Kohlenstoffwirtschaft
2.1 Befinden wir uns in einem fundamentalen Systemwandel?
Sucht man in der Menschheitsgeschichte nach Übergängen, die einen grundlegenden Wandel der Lebensweise mit sich brachten, sind mit der »Neolithischen Revolution« und der »Industriellen Revolution« vor allem zwei Übergänge zu nennen, denen eine dauerhafte Umgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zugeschrieben wird. Während die Bezeichnung Neolithische Revolution einen vor mehr als 10.000 Jahren einsetzenden und Jahrtausende andauernden Übergang von einer Jäger- und Sammlerkultur zu einer sesshaften Lebensweise, in der Ackerbau und Viehzucht die Lebensgrundlage bilden, umfasst, wird unter der Industriellen Revolution der in einigen Teilen der Welt Mitte des 18. Jahrhunderts beginnende Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft verstanden. Formen und Verläufe solcher Übergänge werden auch als »Transformationen« bezeichnet; ein Begriff, den auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)4 in seinen Gutachten anwendet5. Neolithische und Industrielle Revolution werden vom WBGU, als die »beiden fundamentalen Transformationen der Weltgeschichte« bezeichnet6, deren charakteristisches Merkmal es war, dass sie jeweils zu einer erheblichen Veränderung der Bevölkerungszahl und zu einem fundamental anderen – deutlich intensiveren – Umgang mit Energie, Ressourcen und Nahrung führten (Abbildung 1) [WBGU2011, S. 87 ff.]. Das Wirken von Entwicklungsabläufen und Ereignissen in Transformationen ist äußerst komplex. Transformationen beschreibt der WBGU als nicht lineare Prozesse. Ihrem Wesen nach sind sie eine »Folge von ineinandergreifenden Dynamiken, die sich auf unterschiedlichen Zeitskalen abspielen, aber sich zu einer Richtung des Wandels verdichten« [WBGU2011, S. 90]. Es ist innerhalb eines Übergangs grundsätzlich nicht möglich, eine Transformation sicher als eine solche zu erkennen.  Abbildung 1: Entwicklung der Weltbevölkerung bei den Übergängen »Neolithische Revolution« und »Industrielle Revolution« im Vergleich zur Zunahme des Energieeinsatzes in Gigajoule (GJ) pro Kopf und Jahr (Quelle: WBGU [WBGU2011, S. 92] mit Verweis auf die Primärquellen [Kates1996] und [Fischer1997]). Rückblickend auf die Industrielle Revolution ist jedoch festzustellen, dass diese Transformation die Energiebasis, die Bedeutung von Zeit in Wirtschaft und Gesellschaft, die Produktions-, Konsum-, Kommunikations-, Wissens- und Logistikinfrastrukturen sowie Macht- und gesellschaftliche Verhältnisse grundlegend verändert hat [WBGU2011, S. 92]. Vergleicht man diese Phänomene mit Entwicklungen in unseren heutigen Gesellschaften sowie mit Veränderungen in bewirtschafteten Energie- und Rohstoffsystemen, weist viel darauf hin, dass sich erneut ein fundamentaler Systemwandel ankündigt, der möglicherweise bereits begonnen hat. Zu beobachten sind heute bereits mehrere, in komplexer Art und Weise wechselwirkende Entwicklungen, die sich im hohen Maße verändernd auf die Bereiche auswirken, die oben in Zusammenhang mit der Industriellen Revolution genannt wurden. Die Wahrnehmung dieser Veränderungen ist sehr unterschiedlich. Während ökologische Veränderungen wie Klimawandel oder das Aussterben von Arten oft noch nicht angemessen genug wahrgenommen werden, sind Veränderungen in unserer Lebenswelt, die in sozialen und wirtschaftlichen Phänomenen sichtbar werden, zunächst viel unmittelbarer. So ist es zu erklären, dass die Folgen von Migrationsbewegungen7 in der Öffentlichkeit eine größere Aufmerksamkeit erreichen als Folgen und Begrenzung des Klimawandels. Für jeden Benutzer eines Smartphones ist sichtbar und erlebbar, welche Veränderungsprozesse durch Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) angestoßen werden und was unter dem Begriff »Digitalisierung« zu verstehen ist. Wie die Verwendung des Begriffs »Industrie 4.0« für die Implementierung digitaler, vernetzter Systeme im Industriebereich deutlich macht, weisen viele Befürworter bereits alleine dem Phänomen der Digitalisierung das Potenzial einer weiteren industriellen Revolution zu. Mit der Digitalisierung verbundene Konzepte werden als neue Wachstumsstrategien angesehen, die helfen sollen, wirtschaftliches Wachstum mit einem geringeren Ressourcenverbrauch zu verknüpfen. Dabei geht man davon aus, dass digitale Technologien helfen, die Material- und Energieeffizienz in Produktionsprozessen zu verbessern und dass neue Wirtschaftsmodelle entstehen, die weniger Ressourcen verbrauchen als konventionelle. Zu einem geringeren Ressourcenverbrauch kommt es jedoch nur, wenn es gelingt, »Rebound-Effekte« einzudämmen, die die eingesparten Ressourcen durch einen steigenden Konsum wieder zunichtemachen können [Lange2016]. Das Ziel einer durch Nachhaltigkeit geprägten Transformation hat sich inzwischen zu einem wesentlichen Aspekt internationaler politischer Aktivitäten entwickelt. Es begründet sich vor allem mit den Notwendigkeiten, die sich aus dem anthropogen verursachten Klimawandel ergeben und den Konsequenzen, mit denen zu rechnen ist, wenn die Transformation ausbleibt. So hält der WBGU einen »nachhaltigen weltweiten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft« und die klimafreundliche Wandlung eines bisher auf Nutzung fossiler Kohlenstoffressourcen aufgebauten Weltwirtschaftsmodells für erforderlich [WBGU2011, S. 9 ff.]. Die Dringlichkeit einer Transformation hat sich dabei, wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU)8 in seinem Hauptgutachten aus dem Jahr 2012 feststellt, seit der Rio-Konferenz von 1990, die den Klimawandel zum ersten Mal in einem globalen politischen Rahmen thematisierte, weiter verschärft. Laut SRU ist es – trotz partieller Erfolge bisher – nicht gelungen, Entwicklungspfade in Deutschland, Europa und der Welt systematisch so auszurichten, dass ökologische Grenzen eingehalten werden [SRU2012, S. 365 ff.]. So verabschiedeten im Jahr 2015, wenige Monate vor der Pariser Klimakonferenz, die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf ihrem Gipfeltreffen in New York die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Bereits mit ihrem Titel »Transformation unserer Welt« signalisieren die Regierungen den Anspruch, dass die Agenda grundlegende Veränderungen in Politik und Gesellschaft anstoßen soll9 [Martens2016], [UN2015]. Die Agenda bildet, mit den 17 »Sustainable Development Goals (SDGs)«, die für alle Unterzeichnerstaaten gelten, den globalen Rahmen für die Umwelt- und Entwicklungspolitik der kommenden 15 Jahre. Auch die Bundesregierung hat in der Neuauflage der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 die SDGs übernommen und damit den Transformationsanspruch der deutschen Gesellschaft bekräftigt [Bund2017]. Heute gibt es eine breite und interdisziplinäre wissenschaftliche Diskussion um die Erfolgsbedingungen tiefgreifender, ökologisch motivierter Transformationen in Industriegesellschaften. Transformationen werden als notwendig erachtet, um Ressourcennutzung, Emissionen und Abfälle zu reduzieren. Sie umfassen technischen, gesellschaftlichen und institutionellen Wandel und zielen auf grundlegende systemische Innovationen über längere Zeiträume [acatech2015b], [Haas2015], [SRU2016]. Dabei ist nicht auszuschließen, dass sich von ihrem Wesen her unterschiedliche Entwicklungen, wie die Digitalisierung und die Umstellung der Rohstoff- bzw. Energiebasis, zu einer »großen Transformation« verdichten, die mit noch fundamentaleren Veränderungen verbunden ist, als die Industrielle Revolution. Denkbar ist auch eine Sichtweise, die die Industrielle Revolution als wellenförmige, große Transformation begreift, die Mitte des 18. Jahrhunderts begann und immer noch andauert [Steenblock2011, Kapitel 2.2]. 2.2 Rohstoffe und Energie sind die materielle Basis einer Gesellschaft
Auch wenn wirtschaftliches Wachstum bei einem geringeren Ressourcenverbrauch grundsätzlich möglich erscheint, darf die Diskussion um die Digitalisierung nicht den Blick darauf verstellen, dass unsere Gesellschaft immer ein materielles Fundament haben wird. Wir brauchen und verbrauchen Ressourcen als Nahrungsmittel, zur Herstellung von Gütern und zur Wandlung von Energie. Wie bedeutend Rohstoffe bzw. Ressourcen sind, wird dadurch deutlich, dass mehr als ein Drittel aller Güter im Welthandel Rohstoffe sind [Haas2015], [Gebhard2013] und dass die Definition ganzer Epochen wie Stein-, Bronze- und Eisenzeit auf Basis der verwendeten Rohstoffe erfolgt. Betrachtet man die in der Geschichte der Industrialisierung verwendeten Energierohstoffe, so zeigt sich, dass zunächst nachwachsende Biomassen – insbesondere Holz – als Energierohstoffe eingesetzt wurden. Deren Nutzung erfolgte jedoch in vielen Regionen nicht nachhaltig, da mehr Holz entnommen wurde, als durch natürliches Wachstum hinzukam10. Die Schonung der Ressource Wald, mit einem auf Dauerhaftigkeit angelegten Waldkartierungs- und Bewirtschaftungssystem, konnte erst erreicht werden, nachdem mit Kohle und später Erdöl und Erdgas fossile Energierohstoffe mit hoher Energiedichte und leichter Transportierbarkeit...


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