E-Book, Deutsch, 386 Seiten
Reihe: Edition 211
Mattfeldt / Böhm / Bonvin Stille Nacht, tödliche Nacht
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95669-119-5
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
24 Mörderische Adventsgeschichten
E-Book, Deutsch, 386 Seiten
Reihe: Edition 211
ISBN: 978-3-95669-119-5
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Weihnachten, die schönste Zeit des Jahres. Eigentlich. Denn sobald nicht mehr der Alltag das größte Ärgernis ist, sondern Familie und die nächsten Freunde, ist der große Knall vorprogrammiert. Wie extrem das ausfallen kann, zeigt dieser ganz eigene Adventskalender des Bookspot Verlages.
„Stille Nacht, tödliche Nacht – 24 mörderische Adventsgeschichten“, in einer Anthologie gesammelt und zusammengestellt von Petra Mattfeldt und Uli Mattfeldt. Der Bookspot Verlag präsentiert die besten Geschichten rund um das Thema Weihnachten!
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Schöne, friedvolle Weihnacht
von Michael Böhm
Einem Mantra gleich pocht der Gedanke in meinem Kopf: Ich bringe dich um, Mona. Doch – habe ich das tatsächlich getan? Trotz aller Zweifel werde ich für den Rest meines Daseins mit dieser vermeintlichen Schuld leben müssen. Heute stehe ich an deinem Grab, Mona, todunglücklich. Zum ersten Mal löse ich das Versprechen ein, das ich mir gegeben habe, nämlich dich am Tag vor dem Heiligen Abend, deinem Todestag, zu besuchen. Ein Hauch von Frühling schwebt in der Luft. Vor einem Jahr war die gleiche Landschaft tief verschneit. Plötzlich spüre ich, wie mir eisig kalt wird. Ich vermag mich nicht mehr gegen die Gewissheit auflehnen, dass das, was da zwischen uns gewesen ist, vielleicht doch eine Liebe war, eben eine besondere Art von Liebe. Du bist eine anima candida gewesen, Mona. Und es ist mir schließlich unerträglich geworden, mit einer reinen Seele zusammen zu sein. Ich lebe mit dem Widerspruch, mich als Mörder zu empfinden und gleichzeitig ernsthaft daran zu zweifeln. Es ist einfach so, dass ich nicht mit letzter Sicherheit sagen kann, ob ich es war, der dich als Tote in den Schnee vor die Kapelle Lamm Gottes setzte. Vor meinem Laptop am Schreibtisch brütend, fast verzweifelt, bin ich nicht in der Lage, auch nur einen vernünftigen Satz zu denken, ergo auch nicht niederzuschreiben. Wieder springe ich auf, laufe durch das Zimmer, immer hin und her, als ein hilfloser Gefangener in einer unwirklichen Wirklichkeit, stehe am Fenster, schaue auf die ruhige Straße vor meinem Haus. Meine Zeit ist ein einziger Missklang. Ich bin total durcheinander, stehe nicht nur einmal neben mir, ich vervielfältige mich in meiner zügellosen Hysterie. Ist das, was ich wahrnehme um mich herum, denke oder mir vorstelle, überhaupt real, oder doch eher das wirre Spiegelbild meines total durcheinandergeratenen Geistes? Mit einem leichten Schwindelgefühl fing es an, dachte ich an dich, Mona. Zunächst nahm ich das gar nicht richtig wahr, danach nicht ernst. Heimtückisch leise griff diese Verwirrung auf Samtpfötchen an. Ich hatte Angst, diese Unordnung im Kopf könne so stark werden, dass sie mich irgendwann über die Grenze der Vernunft schieben würde. Ich muss durchatmen, ruhiger werden, Struktur in mein wirres Gestammel bringen. Als Schriftsteller habe ich einen Bekanntheitsgrad, der es mir erlaubt von meinem Schreiben zu leben und der mir Gelegenheit gibt, immer wieder kreuz und quer durch unser Land zu reisen, um ein neues Buch dem Publikum vorzustellen. Das ist für mich eine willkommene Möglichkeit, mit meinen Lesern in Kontakt zu treten. Und so habe ich dich, Mona, kennengelernt. Der Verlag brachte meinen ersten Roman in einer Neuauflage heraus, und darum war ich auf Lese-Tour. Mona, du bist mir durch deine attraktive Erscheinung und vor allem durch die Modulation und die Klangfarbe deiner Stimme aufgefallen, als du nach der Lesung die intelligentesten Fragen stelltest. Im Vorraum bleiben wir noch so lange stehen und unterhalten uns, du hast mir flüsternd kundgetan, alle meine Bücher gelesen zu haben, bis der Veranstalter drängt, mit dem noch ein Beisammensein vereinbart ist. Spontan lade ich dich ein, mitzukommen. Noch an diesem Abend erfahre ich, du bist Studienrätin am örtlichen Gymnasium. In der kleinen Gruppe am Tisch ist es nicht möglich, mit dir weiter über mein Schreiben zu sprechen. Später in der Nacht begleite ich dich bis zu deinem Haus, das im gleichen Viertel wie deine Schule liegt, die du mir im Vorübergehen gezeigt hast. Auch mein Hotel ist nur ein paar Minuten entfernt. In dieser kleinen Stadt ist kein Weg weit. Erst nachdem wir uns die Hand gereicht haben, bittest du mich um meine E-Mail-Adresse. Natürlich völlig unwissend, was sich daraus entwickeln würde, gebe ich dir meine Karte. Ich hatte die kurze Begegnung mit dir schon aus meinem Gedächtnis gestrichen, da meldest du dich. Nicht mit einer Mail, du rufst an. Ich erkenne sofort deine Stimme, Mona, noch bevor du deinen Namen nennst. Warum vermag ich mich nicht zusammenzureißen, nur für diese kurzen Momente? Alles wäre anders gekommen. Aber nein, ich muss mir Luft verschaffen, sprudle in schnellen Sätzen meine schlechte Stimmung heraus, die ich wegen Problemen mit meiner neuen Erzählung habe. Du lachst dein dunkles Lachen, bringst mich dadurch völlig aus dem Takt. Komm, sagst du, wir gehen wandern. Das hilft immer, pustet nämlich den Kopf durch. Wo, Mona? Schon hast du dein Netz ausgeworfen, in dem ich mich verfangen werde. Nein, du verrätst mir am Telefon nicht, wo wir zusammen wandern werden, nennst mir einen Bahnhof – zwei Stationen von deiner Stadt entfernt – den Tag und die Stunde. Und dann sagst du zum ersten Mal Ernest zu mir. Ernest? Dunkles Lachen. Hast ihn doch sicher gelesen, deinen berühmten amerikanischen Kollegen, oder? Also gut, Mona, wandern wir. Mir hat unser kurzes Gespräch geholfen, bin nun nicht mehr allein auf mein geistiges Hemmnis fixiert, kann es auf einmal fast mit leichter Hand lösen. Noch als ich auf der Autobahn unterwegs bin, beschäftigt mich die Frage, ob hinter dem Wort wandern sich unbekanntes Terrain verbergen mag? Weshalb treffen wir uns nicht im oder zumindest vor dem Haus, das du mir in der Nacht als deines gezeigt hast? Lauert da ein Geheimnis, Mona? Bist du verheiratet? Es hat doch sicher seinen Grund, dass ich eine Ausfahrt weiter fahren werde, um zu der Bahnstation jenseits deiner Stadt zu kommen? Wen versteckst du, Mona, dich oder mich, uns beide? Droht da nicht eine Prise Gift bereits im Anfang, der nicht einmal gemacht ist? Ich lasse meinen Wagen auf den Kurzzeitparkplatz vor dem alten Bahnhofsgebäude rollen. Du wartest schon auf mich, steigst ein, wirfst mir ein luchsäugiges Lächeln zu, das Steine erweichen könnte, streichelst mit der einen Hand kurz über meine. In mir steigt bittersüße Wärme auf und auch die Frage nach dieser Geste, einer Nähe ohne Grundlage. Wir fahren in Richtung Berge, ins Land hinaus, in dem der Frühling erwacht. Das Wetter präsentiert sich prächtig, ganz für eine Wanderung gemacht: Sonne, nicht zu warm, ein schwacher Wind. Wir passieren einen ausgedehnten Wald, und vor dessen Ende bereitest du mich auf einen Wanderparkplatz vor, der rechts der Straße liegt. Ich ziehe meine Wanderschuhe an, setze den leichten Rucksack mit dem Proviant auf, schaue mich um. Weites Hügelland in grünen Abstufungen mit braunen Einsprengseln. Vor dem Horizont wie gemalt die Kette der Berge. Aus einer Bodenwelle schaut die Spitze eines Kirchturms. Zur rechten Seite hin auf einer bewaldeten Höhe die steinernen Reste einer Burg. Das ist unser Ziel, sagst du, erkennst wohl, was meine Augen im Blick haben. Wir wandern los und es zeigt sich, dass der Weg dir wirklich nicht fremd ist. Ich folge ihm mit den Augen und mein Kopf deinen Worten. Vor dem steilen Aufstieg zur Burg stecken wir immer noch in einer lebhaften Diskussion, die dann vor dem steinernen Tor versickert. Im Burghof verlässt du meine Seite, bist mir voran, bewegst dich katzenhaft, geschmeidig, einfach faszinierend. Schön anzusehen, meine Augen saugen sich an dir fest, meine Fantasie beginnt zu tanzen. Du schaust dich plötzlich zu mir um. Mit einem einfältigen Lächeln im Gesicht sehe ich dich an. Ahnst du möglicherweise, was ich mir gerade mit dir so alles vorstelle? Kann ich diese frischen frechen Gedanken erotische Wünsche nennen? Jetzt schon, so schnell? Dann sitzen wir auf der Burgmauer, schauen in der Weite spazieren. Wir genießen die Ruhe, lauschen den Stimmen der Natur, merken irgendwann, dass wir uns nur flüsternd unterhalten und müssen darüber schmunzeln. Es ist eine schöne Stunde auf der Burgruine, die mir immer in Erinnerung bleiben wird. Warum, Mona? Dort hast du mich zum ersten Mal geküsst. Ich hätte mich das nie getraut. Du hast meinen Kopf zwischen deine Hände genommen und deine Lippen auf die meinen gepresst und deine Zungenspitze spielen lassen. Was ist das für ein Kuss? Spätestens nach dieser verführerischen Szene hätten alle meine Alarmglocken anschlagen müssen. Aber ich will die latente Gefahr nicht erkennen. Du wirst mich dir unterwerfen, mich zu deinem gehorsamen Sklaven machen und dein Spiel spielen, Mona. Und ich werde diese Sinnenlust aufregend finden, erregend, diese Art Leidenschaft habe ich nämlich noch nicht erlebt. Zurück bei meinem Wagen, wechsle ich die Schuhe und wir fahren los. Dein Finger und deine Worte weisen mich über schmale Straßen in ein Tal zwischen zwei bewaldeten Hügeln. Von dort führt eine schmale Straße aufwärts, nur ein besserer Weg, verzweigt sich in eine Auffahrt, und gleich darauf rollen wir vor ein altes schönes Haus. Ich sehe dich an, frage mit den Augen. Aber von dir kommt keine Antwort. Wir steigen aus und gehen zum Haus. Du schließt die dunkle Holztür mit dem aufgemalten Wappen auf und ich folge dir ins Haus. Im Flur und im großen Wohnraum machst du Licht, lässt mir Zeit, mich umzuschauen. Nahe dem Kamin stehst du vor mir, küsst ganz sanft meine Lippen und fragst mit unschuldigen Augen, ob ich mit dir duschen möchte. Was für eine Frage! Deine Schönheit, die sich mir ins Gedächtnis eingebrannt hat, werde ich stets vor Augen haben, wenn ich an dich denke, immer, Mona. So wie dich, so sollte man sich eine griechische Göttin vorstellen, wie geschaffen von begnadetem Bildhauer. Später, in weiße Bademäntel gehüllt, sitzen wir am Tisch seitlich des Kamins und trinken Tee. Weißen...