E-Book, Deutsch, 266 Seiten
Mayer Rettet die Wirtschaft … vor sich selbst!
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96317-657-9
Verlag: Büchner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Faszinierende Reise ans Ende des neoklassischen Universums
E-Book, Deutsch, 266 Seiten
ISBN: 978-3-96317-657-9
Verlag: Büchner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Von grauer Wirtschaftstheorie inmitten bunter Vielfalt
Der Mensch und das Wirtschaften
Gefangen im eigenen Weltbild
Leben, um etwas zu werden
Beschränktes Erfolgsverständnis und Elitenkult
Von Bedürfnissen, dem Konsum und warum Souveräne Idioten sind
Konsum: ein tägliches Dilemma und ein Tabu
Vom Konsum und dem Durchtrennen der Fäden
Vom Endzweck aller Produktion
Auf der Suche nach dem besten Gesellschaftsmodell: Rawls und die Utilitaristen
Neoliberale Freiheit und ihre Folgen für die Gesellschaft
Was uns die Spieltheorie über unsere Gesellschaft verrät
Was man vom Elfenbeinturm aus nicht sehen kann
Ein Stück Wirtschaftsgeschichte
Quo errat demonstrator
Der heilige Formalismus
Neoklassische Freiheit und Naturgesetzlichkeit
Warum Modelle problematisch sind und glaubhafte Prophezeiungen den Kurs der Geschichte verändern
Gewohnheiten und die Faszination der Zahlen
Zwischen neoklassischer Theorie, Realität und Fortschritt
Bedenkliche Modell-Logik: einige Beispiele
Internalisierung: wenn es der Markt regeln soll
Wissenschaftlicher Fortschritt: Wenn er nicht so will, wie wir gerne hätten
Immer mehr Nestbeschmutzer – eine neue Generation von Wirtschaftswissenschaftlern
Sprache macht Wirtschaft oder warum Arbeitnehmereigentlich Arbeitgeber sind
Über die Metapher zum unternehmerischen Selbstbild
Die Verantwortung der Medien
Die Würde des Arbeitgebers
Wie uns das Kürzen als Sparen verkauft wird und andere Märchen
Das religiöse Fundament der herrschenden Lehre
Der große Unbekannte: der Kapitalismus
Das Geldsystem – angeschlagenes Herzstück unserer Wirtschaft
Über Geld, Zinsen und warum wir Wachstum brauchen
Geldfunktionen und Symbolcharakter
Zinsen als Lockmittel, der Zinseszinseffekt und die Zinsschuldner
Historische Entwicklungen und Geldexperimente der Vergangenheit
Das Zinseszinsverbot
Silvio Gesell: Das Geld muss der Ware gleichen
Die Brakteaten
Das Experiment von Wörgl: Eine regionale Wirtschaft floriert in Zeiten der Krise
Und heute?
»Negativzinsen«
Qualitatives Wachstum ist auch keine Lösung
Das Zinsproblem – nach wie vor ein blinder Fleck im gesellschaftlichen wie universitären Diskurs
Macht die Wirtschafts- zur Sozialwissenschaft!
Der Homo oeconomicus – ein Ideologiesklave ohne Erklärungsgehalt
Dem Homo oeconomicus ein Moralempfinden zugestehen
Der neue Homo oeconomicus – ein brauchbarer Modellmensch
Verdeckte Schieflagen: die Sache mit dem Eigentum
Den Eigentumsbegriff neu denken
Für die Entkapitalisierung des Bodens
Eigentum verpflichtet – aber wen und zu was?
Die unselige Allianz von Wirtschaft und Bildung
Bildung und die Suche nach dem Glück
OECD, PISA und der neoliberale Traum eines neuen Bildungswesens
Die plumpe Forderung nach mehr ökonomischer Bildung
Exkurs: Einseitige Lehrbücher und die Kontrolle des Denkens
Unterrichtsmaterialien und der Kampf um die Deutungshoheit
Von gallischen Dörfern oder wo Alternativen existieren
Wie wir unsere eigene Passivität legitimieren
Nachhaltige Nachhaltigkeit und warum Bilanzen nicht die Realität abbilden
Regionalität – eine Lösung?
Bilanzen sind blind für echte soziale und ökologische Vorgänge!
Komplementärwährungen: Im Geldsystem schlummert noch viel Potenzial
Was zu tun ist!
Quellenverzeichhnis
Endnoten
Register
Der Mensch und das Wirtschaften Gefangen im eigenen Weltbild Leben, um etwas zu werden Viele Menschen schuften und arbeiten bis über ihre Grenzen hinaus. Viele tun dies aus Angst, in prekäre Verhältnisse abzurutschen. Aber auch gut situierte Menschen und Menschen, denen diese Angst nicht im Nacken sitzt, wirtschaften ohne Unterlass. Es lässt sich kaum bestreiten, dass Menschen – zumindest in den Industrienationen – nicht ausschließlich wirtschaften, um zu überleben. Eigentlich könnten viele weniger arbeiten, einen Gang zurückschalten und würden dennoch ihr tägliches Brot verdienen. So scheint der Mensch in unseren Breitengraden aber nicht gestrickt zu sein. Ein erwünschter Zustand ist nur so lange Ziel, bis er realisiert wurde. Danach meldet sich wieder diese Ruhelosigkeit zu Wort. Das mag nicht zuletzt an den modernen gesellschaftlichen Strukturen liegen, an den Marketingkonzepten der Unternehmen, die uns ständig sagen, was wir zu brauchen haben. Das neueste Smartphone, die aktuelle Designerhose, die angesagteste Sonnenbrille, das trendigste Auto, das coolste Irgendwas. Das ist mittlerweile ein alter Hut. Woher aber kommt das Bedürfnis nach diesem Immer-Mehr? Gibt es Gründe dafür, die unabhängig von konkreten medialen Einflüssen sind? Der Frage nach dieser Rastlosigkeit ging auch der Wiesbadener Philosoph Helmuth Plessner in den 1930er Jahren nach. Da sein Vater jüdischer Herkunft war, musste er Deutschland 1933 verlassen. Durch sein Exil in den Niederlanden war es Plessner kaum möglich, in Fachkreisen Gehör zu finden. Besonders nicht im nationalsozialistischen Deutschland. Erst in den 1980er Jahren wurde ihm die späte Ehre zuteil, mit seinen Beiträgen zur Philosophie Anerkennung zu finden. Und es sollte nochmals zehn Jahre dauern, bis auch seinen sozialen Studien respektzollend Beachtung geschenkt wurde. Warum erschafft der Mensch Kultur, wollte Plessner wissen. Damit ging sein Blick nicht nur weit über die ökonomische Sphäre hinaus, sondern erfasste auch diejenigen Motive menschlichen Handelns, die nicht oder nur teilweise von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt sind. Ursprünglich von einem biologischen Verständnis ausgehend, näherte er sich später dem Menschen über einen philosophischen Weg. Seinem früheren naturwissenschaftlichen Metier treu bleibend, startete Plessner seine Überlegungen am Übergang vom Tier zum Menschen. Für ihn ist allein der Mensch in der Lage, sich seines eigenen Erlebens bewusst zu werden. Also über sich nachzudenken und seine Erfahrungen zu interpretieren. Der Mensch hat ein Inneres und wird sich selbst nur über Reflexion bewusst. Für eine Beobachtung seiner selbst muss es dem Menschen möglich sein, außer sich stehen zu können. Der Mensch hat etwas Inneres, etwas Geistiges und etwas Äußeres, einen Körper. In diesem Zwiespalt gefangen, muss sich der Homo sapiens finden. Indem Plessner dem Tier diese Existenzweise nicht zubilligt, wird für ihn das Tier zur reinen Natürlichkeit, das ausschließlich seinen Instinkten folgt. Diese Instinktsicherheit ist dem Menschen durch sein Geistiges und damit durch seine Freiheit verloren gegangen. Da nun dem Menschen aber die Möglichkeit gegeben ist, über sich selbst und sein Leben nachzudenken, wird der Mensch erst durch das Machen zum Mensch, erst hier unterscheidet er sich vom Tier. Der Mensch ist also gezwungen, ein Leben zu führen, sich eines zu erschaffen. Warum sich aber so etwas wie Kultur schlechthin entwickelt – unabhängig davon, welchen Kulturkreis man sich ansehe –, ist damit noch nicht beantwortet. Weder spirituelle Theorien noch der gerne genommene naturalistische Argumentationsweg über Darwin oder Freud halten für Plessner eine überzeugende Erklärung bereit. So kann ihm niemand eine vernünftige Erklärung für die Entstehung des Geistes präsentieren. Während die eine Seite den Nutzen, das sachlich Objektive aus den Augen verliert, kann die andere das »Überwerkzeughafte« nicht begreiflich machen. Sowohl naturwissenschaftliche als auch geisteswissenschaftliche Vorstellungen verabsolutieren ein bestimmtes menschliches Symptom. Den eigentlichen Grund für diese ständige Unruhe, das fortwährende Streben nach Mehr, sieht Plessner in der menschlichen Existenzform selbst. Es bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, als sein Leben, in das er mit der Geburt geworfen wurde, zu gestalten, zu leben. Erst durch das Erschaffen kann der Mensch Einklang finden, eine Harmonie zwischen Natur und Geist. »Der Mensch lebt also nur, wenn er ein Leben führt.«3 Aus dieser Perspektive können wir auch verstehen, warum Menschen beständig Anforderungen an sich stellen. Erst in der Übersteigerung gelingt eine Kompensation dieser Gleichgewichtslosigkeit. Hierin erklärt sich diese Unrast des Menschen, dieses Getriebensein. Fälschlicherweise verstehen viele diesen Drang, die Umwelt zu verändern, als Beweis dafür, dass der Mensch wirtschaftlich etwas erreichen möchte. Wohlgemerkt entlädt sich dieses Drängen aber nicht nur in wirtschaftlichem Tun, sondern eben ganz generell in der kulturellen Entwicklung. Also auch in der Lebensgestaltung, gleich wie diese aussehen mag. Heute aber hat sich ein Credo unseres Denkens bemächtigt, das das Streben nach mehr vorwiegend ökonomisch erklärt. Dies belegt unser gesellschaftliches Selbstverständnis: Etwas ist gut und brauchbar, wenn es sich in bare Münze wandeln lässt oder die persönlichen Karrierechancen verbessert. Beschränktes Erfolgsverständnis und Elitenkult Ob wir etwas erreicht haben, messen wir häufig daran, wie hoch das Einkommen oder wie prestigeträchtig die Anstellung ist. Das ökonomische Umfeld ist Lebensraum und Richter in einem. Der amerikanische Ökonom Gary S. Becker ging sogar so weit, ökonomische Theorien auf Bereiche menschlichen Zusammenlebens zu übertragen, die bei oberflächlicher Betrachtung nichts mit wirtschaftlichen Themen zu tun haben. Er begutachtete die Rassendiskriminierung, die Ehe samt deren Scheidung, die Bevölkerungsentwicklung und die Kriminalität ökonomisch. Selbst die Familie musste sich in sein wirtschaftliches Korsett pressen lassen. Becker glaubte, die Menschen würden sich immer und überall rational, nutzenmaximierend, kurz: ökonomisch verhalten. Für solch einen Imperialismus gab es dann 1992 auch den »Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank im Gedenken an Alfred Nobel«; einen Preis, der fälschlicherweise als Wirtschaftsnobelpreis in der Presse firmiert.4 Die Wirtschaft ist heute die alles bestimmende Macht. Ökonomisch erfolgreiche Menschen schaffen es auf Titelseiten, in Sondersendungen, in die Tagesschau. Kulturelle Erfolge allenfalls ins Feuilleton. Mütter und Väter, die ihr Leben erfolgreich damit bestreiten, ihre Kinder zu sozialen, empathischen und beziehungsfähigen Menschen zu erziehen, nicht einmal dahin. Die Wirtschaft bestimmt den Menschen, sie ist der neuralgische Punkt, um den sich das Leben dreht. Wir sind in diesem Weltbild gefangen. Nicht weil es das einzig Wahre wäre, sondern weil wir es nicht anders kennen. Dagegen weiß die Pädagogik, dass »der Mensch durch Arbeit, durch Ausbeutung und Pflege der Natur, seine Lebensgrundlage schaffen und erhalten [muss] (Ökonomie), er muss die Normen und Regeln menschlicher Verständigung problematisieren, weiterentwickeln und anerkennen (Ethik), er muss seine gesellschaftliche Zukunft entwerfen und gestalten (Politik), er transzendiert seine Gegenwart in ästhetischen Darstellungen (Kunst) und ist konfrontiert mit dem Problem der Endlichkeit seiner Mitmenschen und seines eigenen Todes (Religion). Zu Arbeit, Ethik, Politik, Kunst und Religion gehört als sechstes Grundphänomen das der Erziehung. Der Mensch steht in einem Generationenverhältnis, wird von Angehörigen der ihm vorausgehenden Generation erzogen und erzieht Angehörige der ihm nachfolgenden Generation«5. Genau betrachtet müssen wir das herrschende Weltbild als ein sehr verengtes Weltbild entlarven. Wir streben nicht (nur) nach mehr, weil wir wirtschaftlich vorankommen wollen. Wir kommen wirtschaftlich voran, weil wir nach mehr streben. Dieses Mehr rein ökonomisch zu fassen ist Ausdruck eines stark beschnittenen Selbstbilds. Und in dieser begrenzten Sicht steckt die Gefahr, sich nicht mehr vorstellen zu können, dass vieles anders sein könnte. Nicht in einer verklärten und völlig unrealistischen Vorstellung, sondern in einer absolut bodenständigen. Die Wirtschaft ist die treibende Kraft, der sich alles unterordnen muss. Ökonomen werden zu Allwissenden. Sie geben sogar auf ganz unökonomischen Gebieten Rat. Heute ist kaum noch eine gesellschaftspolitische Debatte möglich, ohne sich die Auskünfte eines Ökonomen einzuholen, weiß der Soziologe Jens Maeße von der Universität Gießen. Werden etwa Bildungsexperten, Soziologen und Sprachwissenschaftler »nur« als Experten für ihre Disziplin interviewt, sprechen wir Ökonomen eine »Generalzuständigkeit« zu, um die großen Fragen unserer Zeit zu diskutieren. Kaum bemerkbar herrscht hier eine Schieflage. Während Ökonomen offiziell als Experten für das Schicksal der Europäischen Union, die Menschen in Griechenland, oder für die deutschen Steuerzahler gehandelt werden, haben die Sozial- und Gesundheitsexperten, die auf die zunehmende Armut hinweisen, einen schlechteren Stand. Sogar Rechtsexperten treffen, wenn sie die Rechtmäßigkeit der geldpolitischen Maßnahmen von Mario Draghi in Zweifel ziehen, bei Politikern auf taube Ohren. So bedeutend die Expertisen dieser anderen Wissenschaftler sind, so wenig entfalten sie eine Universalmacht, wie...