Meier | Sankt Gotthard und der Schmied von Göschenen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Meier Sankt Gotthard und der Schmied von Göschenen


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7269-0698-6
Verlag: SJW Schweiz. Jugendschriftenwerk
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

ISBN: 978-3-7269-0698-6
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Was hat der heilige Gotthard mit den Walsern und mit dem Gotthardpass zu tun? Was steckt hinter den Legenden um Teufelsbrücke und Teufelsstein? Ein kühnes Abenteuer aus der Zeit der Ritter und Pilger.

Pirmin Meier, historischer Schriftsteller, erzählt die Geschichte wie keiner vor ihm.

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1. Kapitel WAS EIN FAHRENDER SCHÜLER ZU BERICHTEN WEISS Mitten in den Alpen ragt auf einem Felsvorsprung ein elend hoher Steinhaufen himmelan. Leicht schräg, viereckig und vierstöckig, ist er zu einer Turmburg aufgerichtet. Der Burgstall von Hospental. Passfahrer mit dem Motorrad rattern unten vorbei. Wer von ihnen würde da schon einen Stopp einlegen? Auf einem der oberen Stockwerke des Uralt-Bauwerkes nisten Rotschwänzchen. Einst passierten hier die Säumer zum Sankt Gotthard mit ihren Lasttieren. Im Takt begleitet vom Klimbim des von Glöcklein behangenen Saumzeuges. Über die Berge transportierten die Säumer – je nach Richtung – Käse, Reis, Olivenöl, Weinfässchen, Wolle, Textilien, Schmuck, Waffen und schmiedeiserne Geräte. Mit dabei waren fast immer Postsachen. In einem guten Jahr der alten Zeit gab es in Flüelen und Luzern vielleicht mal 180 Tonnen kostbare Ware zu verzollen. Also weniger als die Last von fünf Schwertransportern, die heute im Autobahntunnel zwischen Göschenen und Airolo grusslos aneinander vorbeidonnern. Oben auf den Passstrassen macht der älteste Steinheilige im Alpenraum Musik. Stephanus. Stefan. Stefano. Etienne. Istvàn. Steve. Über alle vier Winde dringt seine Stimme in den Äther. Für sein Lied braucht er keine elektronische Verstärkung. Der Held aus der Bibel fand einen gewaltsamen Tod. Seine Feinde haben Steine auf ihn geworfen, bis er sich nicht mehr bewegte. Die Steine selber haben es nicht bös gemeint. Dem biblischen Stephanus sind in Hospental und in Göschenen in Kirchen und Kapellen Altäre geweiht. Der Heilige wird vom Bergvolk gegen Steinschlag um Hilfe angerufen. Auf der verschneiten Passhöhe SAN GOTTARDO nahmen im frühen Winter 2010 Tausende Abschied vom Sänger Steve Lee. In Amerika war der Töffpilot, als er am Strassenrand für einen Augenblick anhielt, von einem Laster über den Haufen gefahren worden. Vor den Augen seiner Freunde. Zu Hause war er im Tessin. Dort wurde seine Asche nach dem Heimtransport aus Übersee beigesetzt. Auf dem Motorrad brauste der Lebendige oftmals beim Turm von Hospental vorüber. In Göschenen hat der Leadsänger der Band GOTTHARD den Teufelsstein gewiss nicht übersehen. Der Turm von Hospental ist für die Menschen der Nachwelt eine malerische Ruine. Steil fällt das Gelände auf drei Seiten ab. Im zweiten Geschoss springt ein überhängender steinerner Erker mit einer nach aussen führenden Abortrinne ins Auge. Einst eine Gelegenheit für ausgewählte Herrschaften, ihr Geschäft zu verrichten. Eine vornehmere Toilette war damals im Abstand einer Tagereise kaum zu finden. Später diente die nunmehr seit rund sechshundert Jahren nicht mehr bewohnte Burganlage als Schafstall. Da waren die Tiere vor Angriffen von Wölfen und Bären sicher. Auf dem Boden des befestigten Gebäudes haben sich Schweine gewälzt, bis sie von ihrem Hirten auf die Sommerweide getrieben wurden. Gewaltige Viehherden trampelten zur Herbstzeit mit Gebrüll durch das Dorf Hospental. In Como und in Mailand wartete auf sie das Beil des Metzgers. Aus dem Norden marschierten Wallfahrer mit Stab und Pelerine nach Rom und Jerusalem an der Burg vorbei. Auch vom Süden her kamen Pilger zugereist. Ihr Ziel war die schwarze Muttergottes von Einsiedeln. Krieger mit Lanzen und Fähnlein waren das ganze Jahr über anzutreffen. Aus warmen Ländern strömten Asylbewerber, vom Volk Zigeiner genannt, den Alpenkamm hinunter in die grünen obstreichen Landschaften des Aargaus und des Thurgaus. Hielt man sie an, kramte ihr Häuptling einen Schutzbrief des Kaisers hervor. Aus Ägypten seien sie hergereist und dürften ungestraft betteln, Kessel flicken und Scheren schleifen. Davon stehe nichts auf dem Pergament, das Dokument sei gefälscht, wehrten sich die einheimischen Schmiede. Nach spätestens sieben Jahren schickte man die dunkelhäutigen Gäste zurück ins nördliche Afrika. Zeigten sie sich nicht willig, vertrieben Landsknechte sie mit der Rute aus Europas Flüchtlingsparadies. Von der Ausschaffung der Zigeuner berichtete vor gut fünfhundert Jahren ein Gotthard-Passfahrer vom Berg Etzel bei Einsiedeln. Der Sohn eines aus Deutschland zugezogenen Arztes und einer dem Abt von Einsiedeln zugehörigen Frau, einer sogenannten Leibeigenen, hiess Theophrastus, mit Künstlernamen Paracelsus. Man sagte ihm die Kunst des Goldmachens nach. Im Kanton Uri nannte man ihn Füster. Wie der weltberühmte Doktor Faust aus dem Schwabenland soll er mit einer Unterschrift aus Menschenblut seine Seele dem Teufel verkauft haben. Der Füster war einer der kenntnisreichsten unter den Fahrenden Schülern, so hiessen siebengescheite junge Männer. Weil sie es zu Hause hinter dem Ofen nicht mehr aushielten, wanderten sie über das Gebirge ins Welschland, damals ein Name für das fremdsprachige Italien. Viele von ihnen hatten sich bis nach Venedig durchgebettelt, deshalb wurden sie auch Venedigermännlein genannt. Auf allen Passwegen waren sie anzutreffen. Was sie wussten und konnten, wurde beim Volk als Zauberei oder Magie angesehen. Die Hohen Schulen von Padua, Ferrara und Bologna bevorzugten sie als Stätten ihrer Ausbildung. Hier war zu lernen, wie man einer Leiche kunstgerecht den Bauch aufschlitzt. Die verschiedenen Organe, zum Beispiel die Milz, legte man auf den Seziertisch und verglich sie mit Beschreibungen aus alten Büchern. Ein Mensch ohne Milz könne so schnell laufen wie ein Gamsböcklein. Diese Venedigerweisheit wurde beim Volk von Uri noch zu Urgrossvaters Zeiten von vielen für wahr gehalten. Auf dem Weg nach Süden betraten Fahrende Schüler bei Rapperswil einen langen hölzernen Seesteg. Danach waren in den Schweizer Alpen zwei Teufelsbrücken zu überqueren: Die erste führte in den Finsteren Wald nach Einsiedeln, die zweite von Göschenen hinauf zum Bergdorf Andermatt. Über den Berg Etzel und die talwärts über die Sihl führende Teufelsbrücke strebten Pilgerhaufen aus dem Schwabenland, manchmal zu Hunderten täglich, nach Einsiedeln. Viele von ihnen, vernimmt man in einem alten Bericht, stürzten beim Überqueren der Brücke auf die Knie und rutschten so dem ersehnten Ziel ihrer Pilgerschaft entgegen. Diesen Flussübergang liess ein Einsiedler Klostervorsteher namens Abt Gero um das Jahr 1120 anlegen. Damals zogen Ritter manchmal mit dem Pilgerstab in der Hand, oftmals aber haufenweise mit Schwert und Kreuzesschild nach Jerusalem. Dort wollten sie das Heilige Grab von den Ungläubigen zurückerobern. Zu diesen Kreuzrittern zählten die edlen Herren von Rapperswil. Auf der Südseite und auf der Nordseite des Zürichsees sassen sie auf ihren Burgen, genannt Alt-Rapperswil und Rapperswil, auch der Name des von ihnen gegründeten schmucken Städtchens am See. Als begüterte Grundbesitzer im Urnerland hatten sie ein Interesse daran, den Weg durch das Herz der Alpen mit dem Bau von Stegen und gepflästerten Pfaden gangbar zu machen. Die zweite Teufelsbrücke, die stiebende Brücke über die Reuss, war der am meisten gefürchtete Flusssteg in den Schweizer Alpen. Von da führte der Weg hinauf bis an den Sant Gothart. Das Bauwerk wird in einem für die Schweizergeschichte wichtigen Güterverzeichnis, dem habsburgischen Urbar (1303), erwähnt. In diesem Dokument ist der Trümmeliberg oder Berg Tremolus erstmals mit seinem heiligen Namen genannt. Die Brücke galt als ein Bau des Teufels. Sie verband das Dorf Göschenen im Urnerland mit dem dahinterliegenden Urserental, Andermatt, Hospental, Realp und anderen Dörfern. Eine Urner Sage behauptet, man habe das Kloster Einsiedeln ursprünglich im Bergnest Göschenen erbauen lassen wollen. Weil jedoch die Bäche jäh ins Tal stürzten, die Felswände zu steil abfielen, habe man sich mit der St.-Niklausen-Kapelle auf der Göscheneralp begnügt. An solchen Geschichten ist manchmal mehr wahr, als man auf erstes Hören hin glauben würde. In Göschenen besassen die Schutzherren über das Kloster Einsiedeln, die Ritter von Rapperswil, einen Turm und einige Berghöfe. Ausserdem war es auf der Göscheneralp im Mittelalter ähnlich warm, vielleicht noch wärmer als in den Jahren des neuesten Klimawandels. Auf den sommerlichen Alpweiden wimmelte es von Schlangen und Kröten: Da habe sich ein Fahrender Schüler anerboten, das Ungeziefer zu vertreiben, wenn er von jeder Haushaltung eine Geiss bekomme. In Göschenen, Abfrutt und Wyggen nahm er jeweils sein silbernes Pfeiflein aus der Tasche, tat dreimal einen Pfiff, und alle Schlangen, Kröten, Ratten, Maulwürfe und Schnecken kamen hervor und folgten seinen Schritten bis weit zur St. Niklausenkapelle. Hier hielt er still und verbannte sie in die «Wuragänd» hinauf, ein unwirtliches sumpfiges Gelände, und sie kehrten nie mehr zurück. Dem verhassten Gewürm wurde auch später noch der Krieg erklärt. Im Namen Gottes und der Heiligen gegen das Ungeziefer wurde es...



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