Meyer-Dietrich / Pranschke | Stromabwärts | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 160 Seiten

Reihe: FlussLandStadt. Eure Heimat – euer Roman!

Meyer-Dietrich / Pranschke Stromabwärts

Ein Emscher-Roadmovie
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8375-1599-2
Verlag: Klartext
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Emscher-Roadmovie

E-Book, Deutsch, Band 1, 160 Seiten

Reihe: FlussLandStadt. Eure Heimat – euer Roman!

ISBN: 978-3-8375-1599-2
Verlag: Klartext
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Hör gefälligst auf zu schreien!", brüllte er.

"Du warst doch derjenige, der angefangen hat!", erwiderte sie.

Nicht auszuhalten, dass seine Eltern dauernd streiten, findet der sechzehnjährige Felix und haut kurzerhand ab. Aber kann er seine beste Freundin Ella zurücklassen? Und den Goldfisch Henry, der bei den streitenden Eltern sicherlich verhungert? Henry wird kurzerhand in die Freiheit entlassen: Felix wirft ihn an seinem Lieblingsplatz in Dortmund in die Emscher. Denn dort ist der Fluss, vormals Abwasserkanal des Ruhrgebiets, schon wieder sauber und natürlich. Ella lässt sich nicht so schnell abschütteln. Dickköpfig beharrt sie darauf, Felix auf seiner Flucht zu begleiten. So brechen die beiden zu zweit auf – entlang der Emscher. Roman Malakoff, Privatdetektiv, ist ihnen dicht auf den Fersen. Auch Henry setzt verzweifelt alles daran, "seinen" Menschen wieder zu finden. Und dann ist da noch die geheimnisvolle Lucy, die sich ebenfalls aufmacht, Felix und Ella zu folgen: Welches Geheimnis verbirgt sie?

70 Jugendliche aus dem Ruhrgebiet haben diesen Roman gemeinsam geschrieben. So vielfältig wie seine Autoren ist auch der Roman selbst: realistisch, fantastisch, witzig, spannend und romantisch, Detektiv-, Fantasy- und Liebesroman. Aber auch eine Geschichte über Freundschaft. Und über die Emscher, den Charakterfluss des Ruhrgebiets.

Meyer-Dietrich / Pranschke Stromabwärts jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1. Nicht auszuhalten
»Hör gefälligst auf zu schreien!«, brüllte er. »Du warst doch derjenige, der angefangen hat!«, erwiderte sie. »Er kann dich hören«, antwortete er ruhig. Seit drei Wochen ging das schon so. Fast jeden Abend gab es Streit, sodass Felix oft nicht vor drei Uhr morgens einschlafen konnte. Meistens beobachtete er dann Henry, seinen Goldfisch, wie er herumschwamm und scheinbar nie einschlief. Warum seine Eltern stritten, wusste Felix nicht. Der Sechzehnjährige bekam immer nur Gesprächsfetzen mit, doch oft hörte er seinen Namen. So oft hörte er ihn, dass es keinen anderen Grund für ihren Streit geben konnte, nur ihn, Felix. »Wenn ich nicht mehr da wäre, dann wäre alles wieder in Ordnung, oder, Henry?« Der Fisch gab nur ein leises »Blubb« von sich und verschwand in der mittelalterlichen Burg in seinem Goldfischglas. Felix’ Eltern mussten am nächsten Morgen sehr früh arbeiten, sodass sie nicht mitbekämen, ob er in die Schule ging oder nicht. Dass er nicht mehr da war, würden sie nur dann bereits am Nachmittag merken, wenn sie früher freibekämen. Doch das geschah so selten, dass Felix es wohl nicht berücksichtigen musste. Ein Tag also, dachte er. Ich hätte einen Tag Vorsprung. Aber was ist mit der Schule? Ist zwar nur noch eine Woche bis zu den Sommerferien, aber trotzdem … Vielleicht sorgen sich die beiden ja um mich … Quatsch, denen bin ich doch egal! Interessieren sich eh nur für ihre Arbeit und so! Aber … was ist mit Ella? Stark waren seine Zweifel, jedoch auch seine Entschlossenheit. In dieser Nacht stritten sie länger als sonst. Der Morgen graute bereits und Felix, der mal wieder erst um Mitternacht eingeschlafen war, erwachte durch das laute Geräusch einer zuknallenden Tür. Nicht die sanfteste Art geweckt zu werden, doch sie erfüllt ihren Zweck, dachte Felix. Nun musste er nur noch warten, bis seine Mutter auch weg war. Im Bett war es ihm jedoch einfach zu warm, darum machte er sich im Bad fertig und zog sich an. »Schon wach?« Seine Mutter sah ihn über ihre Zeitung hinweg an und setzte ein falsches Lächeln auf. Ihre Augenringe verrieten, dass sie nicht viel geschlafen hatte. »Weißt doch, bei so einer Hitze kann ich schlecht schlafen.« Sie nickte nur und begann wieder Zeitung zu lesen. Lügen war nicht Felix’ Art, doch hatte er ja mehr oder weniger die Wahrheit gesagt. Ich kann bei Hitze wirklich nicht gut schlafen, dachte er, also hab ich nicht gelogen. Er ging zurück in sein großes Zimmer und warf sich auf die Couch. Vor seinem geistigen Auge ging er noch einmal alles durch. Ein paar Klamotten, eine Decke, sein Portemonnaie mit allem Drum und Dran und seine Gitarre wollte er mitnehmen. »Ugh! Diese Wärme regt mich jetzt schon auf. Stickig bis zum geht nicht mehr!« Felix stand auf, um sein Fenster zu öffnen. Kühler Wind wehte ihm ins Gesicht, als er den Kopf hinausstreckte. Die Sonne begann gerade aufzugehen und färbte die Wolken lila. Er merkte nicht, wie die Zeit verstrich, als er wie gebannt auf das Bild vor ihm starrte. Der vom Tau noch nasse Rasen und darüber die endlose Weite des Himmels. Felix schreckte auf, als seine Mutter die Haustür zufallen ließ. Mit traurigem Gesicht wandte er dem Morgenhimmel den Rücken zu und sah auf seinen Wecker. Sechs Uhr. Zeit zu packen. Fest entschlossen, seinen Plan in die Tat umzusetzen, zog er den alten Militärrucksack seines Onkels unter dem Bett hervor. Er hatte ihn geschenkt bekommen, nachdem sein Onkel den Dienst quittiert hatte. Schnellen Schrittes lief Felix im Zimmer herum, öffnete die Schränke und packte Kleider und Decke in den Rucksack, dann den Rest. Seine Gitarre verstaute er in dem schwarzen Koffer, den seine Eltern ihm vor einigen Jahren zusammen mit dem Instrument geschenkt hatten. Er fragte sich, ob er nicht noch etwas vergessen hatte, und schritt in seinem Zimmer auf und ab. Sein Blick fiel auf den großen Spiegel in der Ecke des Zimmers. Genauer gesagt, auf seine Augen. Jemanden mit verschiedenfarbigen Augen erkennt man leicht, überlegte Felix. Zum Glück lag seine Sonnenbrille direkt auf dem Schreibtisch, denn er hätte keine Lust gehabt, sie noch zu suchen. Schließlich war unordentlich kein Ausdruck für den Zustand des Schreibtischs. Zeitungen, Magazine und Comics stapelten sich dort. Lediglich der Bereich um Henry war frei von allem. »Henry«, flüsterte Felix traurig. Zwar gehörte Henry ihm noch nicht lange, doch hatte er ihn sofort lieb gewonnen. Wenn er Henry einfach zurückließ, würden seine Eltern sich definitiv nicht um den kleinen Fisch kümmern. »Wie wäre es, wenn du ein größeres Glas bekommen würdest?« Henry, der gerade seine Morgenrunde um die kleine Burg beendet hatte, legte plötzlich an Geschwindigkeit zu und begann in kleinen Kreisen zu schwimmen. So etwas tat er immer, wenn er sich freute. Felix meinte zu verstehen und ging in die Küche, um einen Frischhaltebeutel zu holen, den er mit Wasser füllte. Vorsichtig fischte er seinen goldigen Freund mit dem kleinen Kescher aus seinem Glas und ließ ihn sanft in den Beutel fallen. Dann verschloss er den Beutel mit einem Knoten. Hatte er jetzt an alles gedacht? Sein Blick fiel auf den ausgeschnittenen Zeitungsartikel auf seinem Schreibtisch. Darin stand, dass Ausreißer oft durch ihr Handy von der Polizei aufgespürt wurden. Die Polizei könne mit einer speziellen Software die SIM-Karte eines angeschalteten Handys orten. Felix lachte kurz auf, froh darüber, dass er so viele Artikel sammelte, die mit Polizei auch nur in irgendeiner Weise zu tun hatten. Ihm kam eine Idee, wie er seine Eltern und auch die Polizei auf eine falsche Fährte locken könnte. Dafür brauchte er nur das alte Boot, das noch immer in der Kiste mit seinen Kinderspielsachen sein musste. Und er hatte recht, es lag sogar ganz oben, sodass er nicht lange wühlen brauchte. Das Fenster war noch immer offen und als er es schließen wollte, merkte er, dass sich die Luft draußen bereits ziemlich erwärmt hatte. Mit ein paar Handgriffen band er seine langen braunen Haare zu einem Zopf, zog sich die Schuhe an und schulterte seinen Rucksack. In der einen Hand die Gitarre, in der anderen den Beutel mit seinem Goldfisch, trat er aus der Haustür, um von der warmen Luft empfangen zu werden. Obwohl es erst sieben war, brannte die Sonne auf Felix’ blasser Haut. Wo genau er hinwollte, wusste er nicht, doch einen bestimmten Platz wollte er auf jeden Fall besuchen. Seinen Lieblingsplatz an der Emscherbrücke beim sogenannten »Negerdorf«. Er war nie ein Freund von Hitze gewesen, doch fand er die Natur im Sommer einfach am schönsten. Wenn der Himmel klar und blau war und die Blumen ihre ganze Pracht zeigten, war es ihm egal, wie heiß es war. Abgelenkt von einfach allem ging er die Straßen entlang durch die Häuserreihen, bis er endlich vor dem Zaun stand, der seinen Lieblingsplatz umgrenzte. Schnell schaute er sich um, bevor er über den Zaun kletterte und zum Fluss hinunterging. Er hielt seine Hand ins Wasser, das angenehm kühl war. »Tja Kumpel, jetzt heißt es wohl Abschied nehmen.« Felix öffnete den Knoten des Plastikbeutels und goss das Wasser samt Fisch in die Emscher. Mit traurigem Blick sah er Henry hinterher, als der kleine Goldfisch mit der Strömung flussabwärts schwamm. »Jetzt bist du dran, Handy.« Er holte das Boot aus dem Rucksack und das Handy aus seiner Hosentasche. Eingeschaltet legte er das Handy auf das Boot und ließ es ebenfalls flussabwärts treiben. Eine Weile schaute Felix dem Fluss noch zu, wie er dahinfloss, bis er seinen Magen hörte. In der Eile hatte er vergessen zu frühstücken. In der Nähe war die Bäckerei Uhlenbruch, in die er immer ging, wenn er Kuchen kaufen sollte. Nur ein paar Minuten brauchte er bis zum Hellweg, doch dort verhinderte jemand, dass er die Bäckerei betreten konnte. Oh, nein, dachte er, unsere Nachbarin, die alte Frau Schmitt! Gut, sie hat mich noch nicht gesehen. Zu dumm, dass sie solche Adleraugen hat und auch noch so ein Plappermaul ist! Felix hatte Angst, entdeckt zu werden. Da betrat Frau Schmitt die Bäckerei, was Felix Zeit zum Wegrennen gab. Das alte leerstehende Haus in der Schmettowstraße würde ihm sicher ein gutes Versteck bieten. Langsamer als sonst, weil er den schweren Rucksack und die Gitarre trug, rannte er zu dem verlassenen Gebäude. Die vermoderte Holztür öffnete sich quietschend und gab den Blick auf einen dunklen, staubigen Lagerplatz frei. Mit jedem Schritt wirbelte Felix Staub auf, der im Sonnenlicht tanzte. Atmen fiel ihm in dieser staubigen Luft schwer, doch er kümmerte sich nicht darum. Denn er hörte etwas. Ein Klavier. Eine Etage höher spielte jemand darauf. Felix fühlte sich wie in Trance. Jeder Schritt kam ihm unwirklich vor und das Knarren der hölzernen Treppenstufen unter seinen Füßen kümmerte ihn nicht. Er wollte einfach nur wissen, wer da diese schönen...


Sascha Pranschke, Jahrgang 1974, arbeitete als Journalist und Texter, leitete das Junge Literaturhaus Köln und lebt heute als freier Autor und Dozent für Kreatives Schreiben in Dortmund. Sein aktueller Roman »Kölner Kulissen« erschien 2013 im Emons Verlag. www.pranschke-schreibt.com
Inge Meyer-Dietrich schreibt überwiegend für Kinder und Jugendliche. Sie hat rund 30 Bücher veröffentlicht, die vielfach ausgezeichnet wurden. Für ihr Gesamtwerk erhielt sie den Literaturpreis Ruhrgebiet. Als freie Autorin lebt sie in Gelsenkirchen, ist aber oft unterwegs zu Lesungen und Schreibwerkstätten quer durch die Republik und in benachbarten europäischen Ländern. Mehr Informationen unter www.ingemeyerdietrich.de
Sarah Meyer-Dietrich, 1980 geboren, Kultur- und Wirtschaftswissenschaftlerin. Seit 2000 Veröffentlichungen in verschiedenen Anthologien und Literaturzeitschriften. Kulturbloggerin. Gewinnerin Treffen Junger Autoren 1999 und des Richtungsding-Preises 2012. Geschäftsführerin des Friedrich-Bödecker-Kreises NRW e. V.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.