Mienert | Total Diffus | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 176 Seiten, eBook

Mienert Total Diffus

Erwachsenwerden in der jugendlichen Gesellschaft
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-531-91093-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Erwachsenwerden in der jugendlichen Gesellschaft

E-Book, Deutsch, 176 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-531-91093-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



'Die Jugend von heute' sorgt bei Eltern und professionellen Erziehern gleichermaßen für besorgte Ausrufe und düstere Zukunftsprognosen. Playstation, Piercings, politisches Desinteresse - wie steht es wirklich um die Generation der Zukunft? Der Autor analysiert die psychologischen und gesellschaftlichen Besonderheiten des Heranwachsens in der heutigen Zeit, er benennt Risiken und Herausforderungen und zeigt, welchen Beitrag wir vermeintlich Erwachsenen zur diffusen Identitätsbildung von Jugendlichen leisten.

Prof. Dr. Malte Mienert ist Leiter der Abteilung Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Universität Bremen.

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Weitere Infos & Material


1;Inhalt;5
2;Ein Einblick und ein Ausblick;10
3;I. Menschen werden erwachsen, aber sie sind es nie;11
3.1;Ein Blick zurück auf die „Jugend von heute“;12
3.2;Jugend ist nicht gleich Jugend – und was das für die Jugend selbst bedeutet;14
3.3;Wann ist man eigentlich „jugendlich“? Und ab wann „ erwachsen“?;17
3.4;Das Konzept der Entwicklungsaufgaben;28
3.5;Ein Aufwachsen mit zahlreichen Anforderungen;36
3.6;Handeln im Kontext: Jugendliche als „aktive Gestalter“ ihrer eigenen Entwicklung;47
4;II. „Typisch jugendliches Verhalten ist ein Ausdruck des unklaren Erwachsenenstatus“;57
4.1;Die Reifeprüfung: Merkmale des Erwachsenseins;58
4.2;Symbole des Sich-Erwachsen-Zeigens;60
4.3;Die Suche nach der eigenen Identität;65
4.4;Ein zweites Leben: Die virtuelle Identität;77
4.5;Der Normalfall „Diffuse Identität“;88
5;III. „Die Pluralität von Lebensentwürfen heute erschwert die Identitätssuche, anstatt sie zu erleichtern, und führt zur Diffusität.“;96
5.1;Auswirkungen von Diffusität;97
5.2;Autoinitiationsversuche;110
5.3;Der Kater und der Staubsauger – oder wie schwer Übergänge sind;121
5.4;Chancen für die Jugendlichen in der diffusen Gesellschaft;129
6;IV. „Ich brauch’ dich als Mutter, nicht als Freundin!“ – oder warum Jugendliche erwachsene Erwachsene brauchen;131
6.1;Partnerschaft statt Freundschaft in der Eltern-/ Kindbeziehung;132
6.2;Erwachsene – ein Vorbild an erarbeiteter Identität?;143
7;V. „Jugendliche antworten auf diese Herausforderungen mit Konservativität und Wertepluralismus.“;148
7.1;Die Tugend für die Jugend;149
7.2;Gesellschaftspolitische Zielvorstellungen;158
7.3;Der Blick von Lehrern, Eltern und Freunden;167
7.4;Zu guter Letzt: Ein Plädoyer für erwachsene Erwachsene;173
8;Anmerkungen/Tipps zum Nach- und Weiterlesen;175

Ein Einblick und ein Ausblick.- Ein Einblick und ein Ausblick.- Menschen werden erwachsen, aber sie sind es nie.- Ein Blick zurück auf die „Jugend von heute“.- Jugend ist nicht gleich Jugend - und was das für die Jugend selbst bedeutet.- Wann ist man eigentlich „jugendlich“? Und ab wann „erwachsen“?.- Das Konzept der Entwicklungsaufgaben.- Ein Aufwachsen mit zahlreichen Anforderungen.- Handeln im Kontext: Jugendliche als „aktive Gestalter“ ihrer eigenen Entwicklung.- „Typisch jugendliches Verhalten ist ein Ausdruck des unklaren Erwachsenenstatus“.- Die Reifeprüfung: Merkmale des Erwachsenseins.- Symbole des Sich-Erwachsen-Zeigens.- Die Suche nach der eigenen Identität.- Ein zweites Leben: Die virtuelle Identität.- Der Normalfall „Diffuse Identität“.- „Die Pluralität von Lebensentwürfen heute erschwert die Identitätssuche, anstatt sie zu erleichtern, und führt zur Diffusität.“.- Auswirkungen von Diffusität.- Autoinitiationsversuche.- Der Kater und der Staubsauger — oder wie schwer Übergänge sind.- Chancen für die Jugendlichen in der diffusen Gesellschaft.- „Ich brauch’ dich als Mutter, nicht als Freundin!“ — oder warum Jugendliche erwachsene Erwachsene brauchen.- Partnerschaft statt Freundschaft in der Eltern-/Kindbeziehung.- Erwachsene — ein Vorbild an erarbeiteter Identität?.- „Jugendliche antworten auf diese Herausforderungen mit Konservativität und Wertepluralismus.“.- Die Tugend für die Jugend.- Gesellschaftspolitische Zielvorstellungen.- Der Blick von Lehrern, Eltern und Freunden.- Zu guter Letzt: Ein Plädoyer für erwachsene Erwachsene.- Zu guter Letzt: Ein Plädoyer für erwachsene Erwachsene.


Partnerschaft statt Freundschaft in der Eltern-/Kindbeziehung (S. 139-140)

„Ich habe keine Hoffnung mehr für die Zukunft unseres Volkes, wenn sie von der frivolen Jugend von heute abhängig sein soll. Denn die Jugend ist ohne Zweifel unerhört rücksichtslos und frühreif. Als ich noch jünger war, lehrte man uns gutes Benehmen und Respekt vor unseren Eltern. Aber die Jugend von heute will alles besser wissen und ist immer mit dem Mund vorweg."
(Hesiod, 800 v.Chr.)

Der Wandel, der sich in der Gesellschaft vollzieht, hat auch ihre kleinste Zelle erreicht. Eltern beobachten heute, dass sich das Zusammenleben mit ihren eigenen jugendlichen Kindern anders gestaltet als damals, als sie selbst jugendliche Kinder waren. Interessant dabei ist, dass das, was die Eltern in ihrer Kindheit als negativ und belastend erfahren haben, genau das ist, was sie sich heute wünschen für den Umgang mit den eigenen Kindern.

Die klare Vormachtstellung, die Eltern früher gegenüber ihren Kindern gehabt haben, also die alles gebietende Autorität, ist heute verloren gegangen. Der Wechsel von der Kommando- zur Verhandlungsfamilie hat für die Jugendlichen neue Freiheiten gebracht. Obwohl sich die Eltern diese damals für sich selbst gewünscht hätten, empfinden sie sie heute durchaus als eine Belastung. Was würden sie dafür geben, so manch langwierige Diskussion mit einem klaren Kommando abkürzen zu können! Die neue Macht der Kinder Ursachen für diesen Wandel in den Familien sind der veränderte Stellenwert von Kindern und die veränderten Machtverhältnisse in der Familie.

Der Stellenwert hat sich dadurch geändert, dass Kinder heute nicht mehr regulärer Bestandteil einer normal verlaufenden Biografie sind. Es ist inzwischen nicht mehr selbstverständlich, Kinder zu bekommen. Wer heute welche bekommt, tut dies aus bestimmten selbstbezogenen Erwartungen heraus. Eltern versprechen sich etwas davon: eine sinnvolle Ergänzung in der eigenen Biografie, emotionales Wohlbefinden, Zufriedenheit. Das ist neu und war früher nicht der Fall.

Dieses Gefühl von Zufriedenheit kann sich bei Eltern nur einstellen, wenn sie von ihren Kindern auch gemocht werden. Aus diesem Grund können sie sich über deren Bedürfnisse nicht einfach hinwegsetzen, wodurch sie sich sehr viel stärker in einer emotionalen Abhängigkeit von ihren Kindern befinden, die – sobald sie dies bemerken – auch mehr Druck auf sie ausüben wollen und können. Kinder sind also heute in der Lage, den Eltern emotionale Zuwendung zu entziehen und sie damit zu bestrafen. Eine derartige emotionale Abhängigkeit von den Eltern gab es früher nicht in diesem Maße. Ob die Kinder die Eltern mochten oder nicht, spielte keine große Rolle.

Heute ersetzen viele Erziehungsberechtigte das autoritäre Verhalten ihrer eigenen Eltern durch ein partnerschaftliches oder sogar freundschaftliches Verhältnis und versprechen sich davon einen emotionalen Zugewinn statt wie früher Alterssicherung. Damit wächst auch der Druck auf die Kinder und Jugendlichen. Kinder sind noch sehr stark auf die emotionale Zuwendung der Eltern angewiesen und geben ihnen daher auch viel zurück. Sobald sie sich aber aus der Familie herausorientieren und sich zunehmend auf Freunde oder intime Partner fokussieren, wird das, was sie sich von ihnen versprochen haben, zu einem immer knapperen Gut, und der Druck wächst.

Liebesentzug – die schärfste Waffe In Verhandlungen zwischen Eltern und ihren jugendlichen Kindern wird die Androhung von Liebesentzug daher auch gegenseitig zur stärksten Waffe. Das sieht man an der Art der Sanktionen, die Eltern gegenüber ihren Kindern wählen. Körperliche Bestrafungen, die ohnehin verboten sind, verlieren immer mehr an Bedeutung, wenn die Kinder älter werden, da selbstverständlich die Angst der Eltern wächst, der Stärke der Kinder nicht mehr gewachsen zu sein.


Prof. Dr. Malte Mienert ist Leiter der Abteilung Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Universität Bremen.



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