Mittelstraß Der Mensch, das Wissen und das Leben
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8312-5601-3
Verlag: Komplett-Media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Philosophie / Wissenschaftstheorie
E-Book, Deutsch, 112 Seiten
ISBN: 978-3-8312-5601-3
Verlag: Komplett-Media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Nachdenken über den Menschen, seine Wissenschaft und deren Leistungsfähigkeit. Anthropologische und ethische Betrachtungen über die Situation des Menschen in Hinblick auf seine Endlichkeit. Weiter wird nach den Grenzen des Wissens der Wissenschaft sowohl unter wissenschaftstheoretischen als auch ethischen und ökonomischen Gesichtspunkten gefragt. Was ist die Aufgabe der Geisteswissenschaften, wenn es darum geht, die kulturelle Form der Welt, die auch Wissenschaft und Leben wieder zusammenbringt, zu begreifen?
WAS IST DER MENSCH?
Der Mensch soll nicht auf das reduziert werden, was er als (pure) Natur ist oder als (absoluter) Geist sein will.
Philosophische Anthropologie und Ethik finden hier ihre modernen Aufgaben.
WEM GEHÖRT DAS STERBEN?
Der Vortrag geht Fragen der Endlichkeit und unterschiedlichen Gestalten des Lebens, zu denen auch das Alter gehört, nach und befasst sich mit dem, was dem Menschen verfügbar, und dem, was dem Menschen unverfügbar ist.
GRENZEN DES WISSENS UND DER WISSENSCHAFT
Die Wissenschaft weiß (irgendwann) alles und kommt deshalb zu einem Ende. Im Gegensatz dazu steht die Vermutung, daß das Erkennen an Grenzen stößt, weil entweder die Natur oder unser Erkenntnisvermögen weitere Fortschritte nicht zulassen.
GLANZ UND ELEND DER GEISTESWISSENSCHAFTEN
Die Geisteswissenschaften haben es schwer - mit ihren wissenschaftlichen Nachbarn und mit sich selbst. Der Mythos von den zwei Kulturen, der naturwissenschaftlichen und der geisteswissenschaftlichen Kultur, macht sie zu Nachzüglern des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
WAS IST DER MENSCH?
Anthropologische und ethische Betrachtungen Es kommt darauf an, jenseits einer Absolutsetzung entweder biologischer Erklärungen (Biologismus) oder kultureller Erklärungen (Kulturalismus), die sich auf das Leben und die Gesetze, unter die das Leben tritt, beziehen, wieder eine wissenschaftlich informierte und philosophisch reflektierte Position einzunehmen. Der Mensch soll nicht auf das reduziert werden, was er als (pure) Natur ist oder als (absoluter) Geist sein will. Philosophische Anthropologie und Ethik ?nden hier ihre modernen Aufgaben. Der Mensch ist sich selbst noch immer das rätselhafteste Wesen. Die Wissenschaften vom Menschen haben daran wenig geändert. Sie messen aus, was meßbar ist, und sie erklären, was mit wissenschaftlichen Mitteln erklärbar ist. Aber erklären sie den Menschen? Den Menschen nicht allein als Wesen unter anderen Wesen, den Menschen nicht allein als wissenschaftliches Objekt, als möglichen Gegenstand wissenschaftlicher Analysen, sondern auch in seiner Selbstwahrnehmung, in seinem Selbstverständnis und in seiner Selbstdarstellung? Erklärt der wissenschaftliche Verstand z.B. Vernunft und Leidenschaft, das Rationale und das Irrationale, den Verstand, der er selbst ist? In Teilen sicher, wie Biologie, Medizin und Psychologie lehren, doch ist der biologische, der medizinische und der psychologische Verstand schließ-lich selbst von der Art, die hier erklärt sein will. Erklärt, begreift das, was alles erklärt und begreift, auch sich selbst? Für den wissenschaftlichen Verstand mag dies reichlich philosophisch und damit, so meinen viele, noch immer vorwissenschaftlich, zumindest wissenschaftsfern klingen. Dieser Verstand ist in seinem Wesen reduktionistisch eingestellt, auf Erklärungen aus einem Prinzip, und das, so scheint es, gilt auch hinsichtlich dessen, was sich als philosophischer Verstand in die Geschäfte des wissenschaftlichen Verstandes mischt. Doch so sehen die philosophischen und die wissenschaftlichen Dinge wohl doch nicht mehr aus. Die Philosophie hat gelernt, sich in einer Welt einzurichten, die sich in immer größeren Teilen der Arbeit des wissenschaftlichen Verstandes verdankt. Die Wissenschaft hat gelernt, daß Wirklichkeit, auch eine Wirklichkeit, in der sie selbst lebt und arbeitet, nicht allein das ist, was wissenschaftlich der Fall ist. Unsere Probleme, so ließe sich auch sagen, tun uns auch heute nicht den Gefallen, sich entweder als philosophische oder als wissenschaftliche Probleme zu de?nieren. Auch verbinden sich in dem Maße, in dem die Welt mehr und mehr zum Werk des Menschen wird und dieses Werk sich den Menschen anzueignen beginnt, zunehmend wissenschaftliche Entwicklungen, z.B. in Gentechnik und Reproduktionsmedizin, mit philosophischen, vor allem ethischen Fragen, und philosophische Entwicklungen mit wissenschaftlichen Fragen – und Antworten. Von diesen Fragen (und Antworten) soll im Folgenden unter einer anthropologischen und ethischen Perspektive die Rede sein. Auch die Anthropologie hat viele ihrer Fragen und Antworten heute an die Wissenschaften vom Menschen abgetreten, gleichwohl ist sie im Kern eine philosophische Bemühung geblieben. Schließlich gilt es auch das, was der wissenschaftliche Verstand über den Menschen weiß, in ein Begreifen des Menschen aufzunehmen, das nicht allein in seinen wissenschaftlichen Manifestationen aufgeht. Die Selbstreflexion, die zum Wesen des Menschen gehört, erfaßt auch die wissenschaftliche Seite, aber sie geht in dieser Seite nicht auf. Schon gar nicht, wenn es um anthropologische und ethische Fragen geht. 1. Von der Metaethik zur angewandten Ethik
Es ist noch nicht lange her, da brachte eine aufgeregte, in vieler Hinsicht reichlich provinzielle Debatte über die neuen Möglichkeiten biologischer Manipulation, d.h. über die interventionistischen Potentiale der neuen Biologie, den Blätterwald der Republik zum Rauschen. Da war, bezogen auf den Menschen, von Züchtung, Selektion, Menschenpark und dessen Regeln sowie von Anthropotechniken, d.h. Techniken zur Veredelung des Menschen, die Rede, mit denen der Mensch nunmehr die Regie über sein weiteres Schicksal übernehmen würde oder sollte. Zur Ab-wehr wurde gelegentlich an die Eugenikprogramme im Nationalsozialismus erinnert. Es kam viel Unausgegorenes zusammen – und viele Naturwissenschaftler staunten einmal wieder über die eigentümliche Fähigkeit der Geisteswissenschaftler und Philosophen, auf naturwissenschaftliche Entwicklungen und Ergebnisse mit wirrem Zeug zu reagieren, wo es doch zunächst einmal darum gehen sollte, zur Kenntnis zu nehmen und nüchtern zu prüfen, was der wissenschaftliche Verstand herausgefunden hat und wohin er sich bewegt. Eben dies tun denn auch die Solideren unter den Philosophen, und zwar, von unseren Feuilleton-Denkern souverän übersehen, schon seit langem. Wo wissenschaftliche Entwicklungen einen ethischen Schatten werfen, hat die Philosophie stets ihre Stimme erhoben. Ethik als philosophische Disziplin ist von Beginn an nicht nur mit den Problemen eines (moralisch) guten Lebens und Bedingungen der Glückseligkeit, wie die Philosophie ganz unbefangen sagte, befaßt, sondern auch mit dem keineswegs einfach zu lösenden Problem, das wissenschaftliche Tun mit vernünftig begründeten Maximen und Imperativen des individuellen und gesellschaftlichen Handelns zur Übereinstimmung zu bringen. Dazu bedarf es aber auch auf Seiten einer ethischen Reflexion, die das Wissenschaftliche mit dem Leben verbinden soll, kompetenter Einsicht in das wissenschaftliche Tun und großer Erfahrung im Umgang mit wissenschaftlichen Prozessen und Ergebnissen. Eben dies fehlt häu?g, wenn sich Philosophen in wissenschaftliche (und andere) Dinge einmischen. Sie versuchen im Hase-Igel-Spiel den Igel zu spielen und sind in Wahrheit doch der Hase, der allemal zu spät kommt und auf der Jagd nach tiefen Einsichten häu?g die einfachsten und für die Welt wichtigsten übersieht – und seine eingeschränkten Kompetenzen allemal. Oder was würden Sie zu jemandem sagen, der eines schönen Tages in Ihr Labor, in Ihre Studierstube oder in Ihr Unternehmen käme und, erkennbar ahnungslos, über Ihre gesellschaftliche und intellektuelle Zukunft räsonierte? Sie würden ihn rauswerfen. Das kann die Philosophie nicht. Ihr Stall ist voller bunter Hunde, freundlicher ausgedrückt: voller Leute im bunten Rock, aber sie bemüht sich redlich, die Stimme des Sachverstandes, des urteilsstarken Nachdenkens – früher hätte man emphatisch gesagt: die Stimme der Vernunft – hörbar zu machen bzw. in ein kooperatives Verhältnis mit dem wissenschaftlichen und dem nicht-wissenschaftlichen Verstand zu treten. Das gilt, wie gesagt, vor allem in ethischen Dingen. Ethik hat heute ihre Anwendungen wiederentdeckt. Als philosophische Ethik in erster Linie mit Prinzipien jeder Form von Moralität befaßt, also als Theorie der Moral verstanden, hatte sie sich zuletzt, unter dem Stichwort Metaethik, vornehmlich mit der sprachlichen Analyse moralischer Urteile beschäftigt. Der Weg führte insofern nicht in Anwendungen, in eine unter ethischen Gesichtspunkten betrachtete Praxis, sondern im Gegenteil noch weiter von dieser Praxis fort. Es ging (und geht) in einer metaethischen Betrachtungsweise um die Möglichkeit, sich mit Ethik selbst auf eine wissenschaftliche Weise zu befassen. Metaethik in diesem Sinne ist selbst ethisch neutral – und damit auch moralisch (in dieser Bedeutung als Anwendungsfall ethischer Urteile) neutral. Mit dieser als ‚Neutralitätsthese‘ bezeichneten Einstellung sucht die (philosophische) Ethik selbst einen wissenschaftlichen Status zu gewinnen – um den Preis ihres ethischen, damit auch moralischen, Gehalts, und das heißt: um den Preis ihrer Anwendungen, ihres Einflusses auf das (moralisch beurteilbare oder zu beurteilende) Handeln. Diese Situation hat sich heute verändert. Zwar geht es in der Ethik noch immer um Prinzipien der Moral und um die systematische, auch sprachanalytisch geklärte Rolle derartiger Prinzipien, doch melden sich dabei zunehmend Probleme zu Wort, die sich nicht so sehr in der philosophischen Analyse selbst, als systematische Probleme, geltend machen, sondern in der Praxis, auch in der Praxis einzelner Wissenschaften, als ethische oder moralische Probleme, und in diesem Sinne als empirische Probleme, nach einer Lösung rufen, auch einer solchen, die ihre eigenen systematischen Fragen mit sich führt. Konkret haben unter dem allgemeinen Rahmentitel einer angewandten Ethik Probleme an Bedeutung gewonnen, die etwa unter den Stichworten Medizinethik, Umweltethik, Technikethik und Wirtschaftsethik behandelt werden. Dabei handelt es sich um Probleme und Fragen, die sich vornehmlich der modernen Wissenschaftsentwicklung verdanken. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung der modernen Medizin und Biologie, weshalb auch zu den genannten Stichworten das Stichwort Bioethik bzw. das einer biomedizinischen Ethik tritt. In ihr geht es um ethische Fragen und Probleme, die im Zuge neuerer wissenschaftlicher Entwicklungen den Bereich des Lebendigen betreffen, also nicht nur humanethische, sondern auch tierethische und ökologische, die auch schon unter dem Stichwort Umweltethik diskutiert wurden. Dabei sind es vor allem Entwicklungen in der Gentechnik und der Reproduktionsmedizin, die die Bioethik heute zu einem zentralen Thema der ethischen Reflexion machen. Die philosophische Ethik ist mitten in die wissenschaftliche Entwicklung geraten, nicht, indem sie sich selbst in eine Wissenschaft zu verwandeln sucht, wovon die älteren metaethischen Betrachtungen zeugen, sondern indem sie sich mit ethischen (und moralischen) Problemen wissenschaftlicher Entwicklungen konfrontiert sieht, die...