Möller / Sajak | Religionspädagogik für Erzieherinnen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 275 Seiten

Möller / Sajak Religionspädagogik für Erzieherinnen

Ein ökumenisches Arbeitsbuch
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-17-036422-6
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein ökumenisches Arbeitsbuch

E-Book, Deutsch, 275 Seiten

ISBN: 978-3-17-036422-6
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In diesem Arbeitsbuch werden die zentralen Themen der Religionspädagogik übersichtlich dargestellt - ausgehend von den grundlegenden Qualifikationen, die ErzieherInnen heute brauchen, um Kinder und Jugendliche religiös zu erziehen. Es bietet gleichzeitig ein schlüssiges Konzept religionspädagogischer Qualifikation und liefert methodisch-didaktische Anregungen für die Aus- und Fortbildung von ErzieherInnen. Im Unterricht an Fach(hoch)schulen kann es als Lehr- und Studienbuch eingesetzt werden. FortbildnerInnen werden in ihm viele Ideen für eigene Veranstaltungen finden.

Diese grundlegende Neubearbeitung des "Arbeitsbuches Religionspädagogik für ErzieherInnen" greift die aktuellen Entwicklungen im Feld religiöser Elementarbildung auf: So ist neben einem dezidiert ökumenischen Ansatz auch Raum für interreligiöse Perspektiven. Im Blick auf die religiös und weltanschaulich vielfältige Zielgruppe der ErzieherInnen geht es um die Förderung einer religiösen Sensibilität, die sich in der Praxis in einer religiösen Sprach- und Wahrnehmungsfähigkeit zeigt.

Möller / Sajak Religionspädagogik für Erzieherinnen jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


2.  Kinder verstehen lernen
Clauß Peter Sajak A.  Einführung
1.  Die Kindheit heute Unter Kindheit wird in der Regel der Lebensabschnitt eines Menschen zwischen der Geburt und der Geschlechtsreife bezeichnet. Dabei soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass es im Kontext der Debatte um Schwangerschaftsabbruch und pränatale Eingriffe auch die begründete Auffassung gibt, dass das menschliche Leben bereits vor der Geburt einsetzt und die Kindheit deshalb auch vor die eigentliche Geburt ausgeweitet werden muss. Auch die UN-Kinderrechtskonvention aus dem Jahre 1989 postuliert entsprechend einen »angemessenen rechtlichen Schutz vor und nach der Geburt«1 als ein Grundrecht jedes Kindes. Kindheit ist heute Familienbiografie: Die Monate vor und die Jahre nach der Geburt werden in der Regel im Kreise der Familie verbracht, hier wächst das Kind heran, erfährt seine Sozialisation und wird in unterschiedlicher Weise, aber doch letztendlich unabdingbar von Eltern und Verwandten erzogen. Dabei ist das heutige Ideal von Familien die gutbehütete Kindheit, in der ein Kind getragen von Liebe und Geborgenheit sorgenlos aufwachsen kann. Diese idealen Vorstellungen von Kindheit reichen weit über das bürgerliche Milieu hinaus und werden von den meisten Müttern und Vätern in Deutschland geteilt. In der Familie soll das Kind Aufmerksamkeit, Förderung und Bestärkung erfahren, um so im Schonraum der engsten Verwandten für das Leben Zurüstung zu erfahren. Damit wird die Familie auch zum entscheidenden Ort und zur Schlüsselinstitution für die weiteren Lebenschancen des Kindes.2 Dies wiegt in diesem Land besonders schwer, da im internationalen Bildungsvergleich das Schulsystem der Bundesrepublik Deutschland durch einen besonders ausgeprägten Zusammenhang von Bildungsniveau des Elternhauses und Bildungserfolg der Kinder gekennzeichnet ist. Unabhängig davon, welche Ursachen man im hochdifferenzierten und äußerst formalisierten deutschen Bildungswesen für diesen Missstand ausmacht, muss man einräumen, dass die Kindheit zwar nicht nur Familien-, sondern auch Schulbiografie ist, letztere aber weniger prägend und ausschlaggebend für den weiteren Weg des Menschen über die Kindheit hinaus ist. Über die Situation von Kindern und Familien in der Bundesrepublik Deutschland liegen zahlreiche empirische Studien mit umfangreichem Datenmaterial vor. Sie zeichnen ein Bild, das den Schlagzeilen in den Medien zu widersprechen scheint.3 So wachsen immer noch 70 % der Kinder in Deutschland nicht in Patchwork- oder prekären Familienverhältnissen auf, sondern in vollständigen, klassischen Familienkonstellationen mit Mutter und Vater als verheirateten Eltern.4 Dabei gilt auch weiterhin, dass in der Regel der Vater die klassische Ernährerrolle hat, während die Mutter in Teilzeit arbeitet und sich in der restlichen Zeit den Familien- und Erziehungsaufgaben widmet. Dieses klassische Modell, das im Kontext der Partizipation und Gleichberechtigungsdebatte wie auch unter den Vorzeichen einer auf Gendersensibilisierung zielenden politischen Öffentlichkeit als altmodisch und überholt erscheint, findet aber unter den Kindern eine große Akzeptanz und Zustimmung. Die World-Vision-Studie von 2013 zeigt auf, dass die überwiegende Mehrheit der Kinder in Deutschland mit ihrem Leben zufrieden ist:5 So sehen 91 % der sechs- bis elfjährigen Kinder in Deutschland ihr Leben als sehr positiv oder positiv, 8 % als neutral und nur 1 % als negativ. Dabei verwundert es nicht, dass Kinder aus der Ober- und Mittelschicht ihr Leben besonders positiv beurteilen (95 % bzw. 92 %). Kinder, die aus der Unterschicht stammen, bewerten dagegen ihr Leben nur zu 72 % als zufriedenstellend bzw. 28 % beurteilen ihre Lebenssituation als neutral oder sogar ausdrücklich negativ. Daraus lassen sich zwei Trends erkennen: Zum einen ist die Lebenszufriedenheit von Kindern in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt sehr hoch und ausgeprägt, zum anderen spielen aber die Schichtzugehörigkeit und die ökonomischen Ressourcen der Eltern eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der eigenen Zufriedenheit. Die letztgenannten Trends verweisen auf die Tatsache, dass neben der großen Mehrheit von Kindern, die ihre Kindheit selber als positiv erfahren, es auch eine Vielzahl von Kindern in Deutschland gibt, die in dieser Lebensphase hilflos körperlicher Gewalt, Misshandlungen und sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind. Auch die zunehmende Schere zwischen arm und reich im Zuge einer vom Neoliberalismus befeuerten kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung wird in Zukunft dazu führen, dass immer mehr Kinder ihre Kindheit nicht als glücklich und behütet erfahren, sondern als eine Zeit der Armut, Bedürftigkeit und Ausgrenzung.6 Auf der anderen Seite geht mit dem zunehmenden Reichtum, den immer weniger Familien in immer größeren Mengen anhäufen, auch ein Phänomen einher, das als Wohlstandsverwahrlosung beschrieben werden kann. Hierzu gehört die unreflektierte Erfüllung aller Wünsche und Bedürfnisse der Kinder, vor allem in einem materiellen Sinne, und eine zunehmende Vernachlässigung der Kinder in Familien, bei denen beide Partner sich vor allem der beruflichen Karriere und dem wirtschaftlichen Erfolg verschreiben. Auch der zunehmende Medienkonsum, der inzwischen durch die digitalen Möglichkeiten der sog. sozialen Medien und der Kommunikationsdienste weiter an Gewicht gewonnen hat, wirkt sich zunehmend negativ auf das Erleben und Erfahren von Kindheit aus. Dazu gehören auch die aus medizinischer Perspektive beobachteten Veränderungen von Kindern heute, deren Leben vor allem durch zu wenig Bewegung, zu wenig echter Spielzeit und zu wenig Aufenthalt im Freien gekennzeichnet ist. Auch die überdurchschnittliche Gewichtszunahme von Kindern nicht nur in Deutschland, sondern in allen westlichen Gesellschaften, zeigt auf, dass der materielle Reichtum nicht immer einhergehen muss mit einer geglückten und nachhaltigen Zurüstung des Kindes für das weitere Leben. 2.  Die Entwicklung der Kindheit Die Kindheit als eine entscheidende Lebensphase in der Biographie eines Menschen ist aus wissenschaftlicher Sicht in unterschiedlicher Weise gelesen und gedeutet worden. Auf der einen Seite gibt es Entwürfe, in der die Rolle des Kindes durch die Epochen hindurch als eine Verfallsgeschichte gedeutet wird, die von einer freien Kindheit im Mittelalter, in dem das Kind als Erwachsener behandelt wurde und entsprechend weder behütet noch bevormundet war, hin zu einer Kindheit in der Moderne reicht, in der das Kind der fürsorglichen Kontrolle durch die Institutionen der Familie und der Schule unterworfen worden ist. Eine klassische Darstellung dieser Lesart von Kindheitsgeschichte als Verfallsprozess stammt von dem französischen Historiker Philippe Ariés (1914–1984)7; sie erfreut sich aber auch wieder in jüngster Zeit zunehmender Beliebtheit. Schließlich gibt es heute eine neue Form der Fremdbestimmung und Bevormundung von Kindern, nämlich die durch den Konsum und die digitalen Medien. Diese Sichtweise hat z.?B. besonders prominent der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Neil Postman (1931–2003) vertreten.8 Immer auch hat es aber eine gegenläufige Interpretation der Kindheit gegeben, in welcher der Emanzipationsprozess des Kindes von einem rechtlosen Mängelwesen in der Antike über einen erwachsenenähnlichen Status im Mittelalter hin zu einer neuzeitlichen Behandlung des Kindes reicht: Hier wird die besondere Beachtung, Bedeutung und Würde, die dem Kind in der Moderne – verbunden mit besonderen Rechten und Sicherheiten – zugewachsen ist, nun progressiv und positiv bewertet.9 Auch in Religion und Theologie ist das Kind und die Phase der Kindheit in ganz unterschiedlicher Weise gedeutet worden. So sah man in der griechischen und römischen Antike das Kind in erster Linie als ein unvollkommenes Wesen, in dessen Seele die Vernunft noch nicht ausgebildet ist und das deshalb vor allem durch sein Begehren, also seinem Streben nach Lustbefriedigung angetrieben wird. In der Seelenlehre des Aristoteles (384–322) hat das Kind zwar die vegetative und animalische Seele ausgebildet, doch fehlt ihm noch das genuin Menschliche, nämlich das Vernünftige in seinem Seelen- und Geistesleben.10 Diese defizitäre Sicht auf das Kind wurde in der Patristik, also der Zeit der Kirchenväter im Übergang vom römischen Reich hin zum christlichen Mittelalter, noch verstärkt. Im Kontext der sog. Erbsündenlehre des Kirchenvaters Augustinus (354–430) verlor das Kind im doppelten Sinne seine Unschuld. Wie jedes menschliche Wesen, so Augustinus, sei dem Kind durch den Geschlechtsakt der Eltern bereits die Erbsünde von Adam und Eva weitergegeben worden: »Es trägt deshalb von Anbeginn das Mal der Verdammung, die Natur ist verderbt und strebt zum Bösen. Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzen ist böse vom Anfang her«11. Entsprechend gilt: »Die Erbsünde zeigt sich als Ursache für das Böse schon im Kinde. Mit dieser belastet ist es in der Sünde gezeugt und getragen, bleibt die kindliche Seele mit allem Schlechten behaftet«12. Diese negative Sicht auf das Kind als defizitäres, sündhaftes Wesen veränderte sich erst im Zuge der Aufklärung, also zur Mitte des 18. Jahrhunderts hin. Vor allem Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) hatte daran großen Anteil. Für Rousseau war der Mensch ein durch Sozialisation und Zivilisation mit den Jahren verdorbenes Wesen, der zu den Ursprüngen seiner Existenz, also in die Kindheit zurückgelangen musste, um zum eigentlichen Menschsein vorzudringen. Damit wurde im Kontext der Rousseauschen Anthropologie das Kind zu jenem Idealbild, das der Mensch anstreben muss, will er sich einer von Macht,...


Dr. Rainer Möller ist ev. Theologe und Erziehungswissenschaftler, zuletzt wissenschaftlicher Referent am Comenius-Institut Münster; Prof. Dr. Clauß Peter Sajak leitet die Abteilung Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Katholisch-Theologischen Fakultät der WWU Münster.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.