E-Book, Deutsch, 131 Seiten
Mühsam Von Eisner bis Leviné
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7528-5105-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Entstehung der bayerischen Räterepublik
E-Book, Deutsch, 131 Seiten
ISBN: 978-3-7528-5105-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erich Mühsams persönliche Dokumentation der Bayerischen Räterepublik im Herbst 1920, verfasst in der Haftungsanstalt Ansbach. Mühsam war Anarchist, Publizist und Antimilitarist. Als politischer Aktivist war er 1919 maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde, aus der er nach fünf Jahren im Rahmen einer Amnestie freikam.
Erich Kurt Mühsam, geboren am geboren am 6. April 1878 in Berlin und gestorben am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg, war ein anarchistischer deutscher Schriftsteller, Publizist und Antimilitarist. Als politischer Aktivist war er 1919 maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde, aus der er nach fünf Jahren im Rahmen einer Amnestie freikam. In der Weimarer Republik setzte er sich vorübergehend in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener ein. Seine politische Heimat fand er seit Mitte der 1920er Jahre in der "Anarchistischen Vereinigung". In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und am 10. Juli 1934 von der SS-Wachmannschaft des KZ Oranienburg ermordet.
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Die Entstehung der bayerischen Räterepublik
Persönlicher Rechenschaftsbericht über die Revolutionsereignisse in München vom 7. November 1918 bis zum 13. April 1919
Genossen! Über Entstehung und Geschichte der bayerischen Räterepublik werden so einseitige und falsche Darstellungen verbreitet, daß ich als einer von denen, die die Revolution in München vom ersten Tage an mit erlebt und zum Teil wohl auch in ihrem Verlauf beeinflußt haben, hohen Wert darauf lege Euch russischen Genossen ein Bild zu zeichnen, das die Begebenheiten in einem Licht weniger getrübter Färbung zeigen mag. Gewiß weiß ich, daß ich als unmittelbar Beteiligter manches nur unter subjektiven Eindrücken berichten kann. Es wird sich jedoch aus dem Folgenden ergeben, daß es keineswegs meine Absicht ist, eigene Fehler zu bemänteln. Doch scheint mir durchaus notwendig, die bis jetzt als zuverlässig angesehene Schrift P. Werners »Die bayerische Räterepublik. Tatsachen und Kritik« (Frankes Verlag, Leipzig) in ihrer tendenziösen Selbstgerechtigkeit, ihrem Bestreben, die Haltung der KPD unter allen Umständen als mustergültig vorzuführen und alle und alles zu verunglimpfen, was nicht von den Parteikommunisten ausging, durch eine kurze Zusammenfassung zu ergänzen, die es dem Außenstehenden erlaubt, sein Urteil durch Vergleich zu bilden oder zu revidieren. Es fällt mir dabei nicht ein, die meiner Meinung nach verhängnisvollen Fehler, die von den Führern der Kommunistischen Partei begangen wurden, wie es Werner uns anderen gegenüber tut, höhnend oder anklagend vorzutragen. Verhängnisvolle Fehler sind von allen Beteiligten begangen worden, und es scheint mir revolutionäre Pflicht, an die eigene Brust zu schlagen, statt die eigene Haltung auf Kosten des anderen, der kein Gegner ist, sondern nur in gewissen Fragen abweichender Meinung war, unter entstellenden Behauptungen zu verteidigen. Anderseits sehe ich aber auch keinen Anlaß, falsche Beschuldigungen auf mir sitzen zu lassen, und halte mich insbesondere für verpflichtet, das mir teure Andenken des am 2. Mai 1919 von den Weißgardisten entsetzlich geschlachteten großen Revolutionärs Gustav Landauer, meines Lehrers und nächsten Freundes, von den Anwürfen zu reinigen, denen Werners Schrift es aussetzt. Ich möchte gleich anfangs bemerken, daß dieser Brief nur eine vorläufige Äußerung zur oberflächlichen Orientierung sein soll. Ich wurde nach der Niederwerfung der proletarischen Revolution vom Standgericht in München zu fünfzehn Jahren Festung verurteilt, von denen ich bald eineinhalb Jahre bewältigt haben werde. Meine Hoffnung auf nahe glückliche Ereignisse in Deutschland und mithin auch in Bayern ist so groß, daß ich die Absicht, eine historisch getreue, ausführliche Darstellung der bayerischen Revolution vom 7. November 1918 bis 13. April 1919 (dem Tag meiner Verschleppung von München), gern hinausschiebe, bis ich in der Freiheit alle notwendigen Dokumente und Unterlagen ohne Umständlichkeiten zur Verfügung habe und meine schriftlichen Arbeiten keiner Zensur mehr vorzulegen brauche. Daher kommt es mir in diesem Schreiben auch nicht darauf an, gegen Werner oder andere Historiographen zu polemisieren, sondern einzig darauf, meine Auffassung von den Dingen, gänzlich unbeeinflußt, Ihnen, Genosse Lenin, und denen, denen Sie weiterhin davon Kenntnis geben wollen, in groben Umrissen mitzuteilen. Zu meiner persönlichen Legitimation mögen folgende Daten dienen: Im Alter von zweiundzwanzig Jahren (1900) gewann ich die erste Fühlung mit der revolutionären Bewegung in Deutschland und faßte unter der Leitung Gustav Landauers Fuß in der kommunistisch-anarchistischen Bewegung, der ich treu blieb. Gewisse Schwankungen in der Auffassung, die mich zeitweilig in die Nähe Stirners trieben, dann, unter Landauers Einfluß, zum Proudhonisten machten, waren zu überwinden, bis sich mein Standpunkt in der Anerkennung des reinen und bedingungslosen Klassenkampfes festigte, wobei mir in den Kampfmethoden stets Michael Bakunin, im Kampfziel Peter Kropotkin (dieser mit geringen Abweichungen) maßgebend waren. Mein Bakunismus führte mich 1909 zu dem Versuch, in München die revolutionäre Unterweisung und Organisation des Lumpenproletariats zu unternehmen. Den Freispruch in dem 1910 deswegen durchgeführten Prozeß dankte ich dem Umstand, daß der angezogene Geheimbundparagraph sich als untauglich erwies und das Strafgesetzbuch schlechterdings keine für den Fall verwendbare Bestimmung enthielt. In einer 1911 begründeten Monatsschrift »Kain« bemühte ich mich, speziell die akademische Jugend und die Künstlerboheme revolutionär zu beeinflussen und dadurch den Intellektuellen ihre natürliche Zusammengehörigkeit mit dem Proletariat bewußt zu machen. Beim Ausbruch des Krieges ließ ich das Blatt eingehen mit der Begründung, daß ich meine Kundgebungen einer militärischen Zensur nicht unterwerfen könne. Während des Krieges unterhielt ich zu vielen Revolutionären Beziehungen. Ein Versuch, den ich 1916 unternahm, alle revolutionären Sozialisten ohne Festlegung der akademischen Formeln zu einem illegalen Aktionsbund zu vereinen – im April 1916 war ich deswegen in Berlin und besprach den Plan mit dem zwar skeptischen, aber grundsätzlich bereiten Genossen Karl Liebknecht –, und für den ich neben Landauer besonders auch den verstorbenen Genossen Westmeyer-Stuttgart gewann –, scheiterte, meiner Meinung nach an intriganten Manövern eines auch schon toten, unabhängigen Führers, den ich in Verkennung des leisetreterischen Charakters dieser Partei glaubte in die geplante Verschwörung mit einbeziehen zu sollen. 1917 korrespondierte ich mit Franz Mehring über die von mir angeregte Reorganisation der II. Internationale. Meine Ansicht war, daß die Aufhebung des Londoner Beschlusses von 1896, der Anarchisten und Antiparlamentaristen die Zugehörigkeit versagte, die Abstoßung des gesamten Scheidemann-Flügels zur Folge haben und dadurch die Wiederbelebung des revolutionären Geistes herbeiführen müsse. Im Frühjahr 1917 hatte Kurt Eisner in München wöchentliche Diskussionsabende eingerichtet, bei denen er die jeweiligen aktuellen Ereignisse von seinem demokratisch-pazifistischen Standpunkt aus erörterte und diskutieren ließ. Auf den Wunsch einiger seiner jugendlichen Hörer hinzugezogen, trat ich Eisner (der sich selbst Jaurèsist nannte und in Wirklichkeit genau die Ansichten Eduard Bernsteins vertrat) in heftiger Opposition gegenüber, indem ich seinem demokratischen Ideal das sozialistische und seiner entente-chauvinistischen Kriegsparteilichkeit meinen revolutionären Internationalismus entgegenstellte. Zum offenen Bruch zwischen Eisner und mir führte unsere entgegengesetzte Stellung zur russischen Revolution. Eisner war in Konsequenz seiner bürgerlichen Mentalität ein begeisterter Lobredner Kerenskis. Die Juni- Offensive schien ihm der Beginn eines neuen (des Wilsonschen) Zeitalters. Die Durchfahrt der Bolschewiki durch Deutschland bedeutete ihm Verrat und war ihm Beweis, daß die Lenin und Trotzki Kreaturen Ludendorffs seien. Demgegenüber bekannte ich meine tiefe Abneigung gegen Kerenskis Politik, der die russische Revolution des Proletariats in den Dienst des westlichen Imperialismus stelle und revolutionäre Deserteure dem französischen und englischen Kapitalismus zuliebe erschießen lasse. Mein entschiedenes Eintreten für Eure insurrektiven Pläne und die Annahme der Bezeichnung »Maximalist« für mich selbst zogen mir den Zorn Eisners in einem Maße zu, daß mir etwa vom Dezember ab der Zutritt zu den Diskussionsabenden, bei denen ich mich ja nur als Gast und Geduldeter zu betrachten hatte, verleidet war. Als dann der Januarstreik ausbrach, an dem in München Eisner den stärksten Anteil hatte und von dem er den unmittelbaren Anstoß zur Revolution erhoffte, war sein erstes, daß er die Parole ausgab, mir dürfte in keiner Versammlung das Wort verstattet werden. Also Front gegen links! als Leitmotiv einer proletarischen Revolution. Diese Parole ist denn auch von seinen unabhängigen Trabanten getreu befolgt worden. Dadurch entging ich damals dem Schicksal, dem Eisner mit einigen seiner nächsten Genossen selbst verfiel, der Verhaftung. Erst einige Monate später (im April) wurde ich auf Grund einer damals erst in Kraft tretenden militärischen Ausnahmegesetzgebung in Zwangsaufenthalt nach Traunstein verbracht, wo ich bis Zusammenbruch der deutschen Armee interniert war. (Die Einrichtung der Schutzhaft hat es in Bayern so lange nicht gegeben, bis es – Republik war.) Diese Angaben persönlicher Natur schienen mir geboten, um Euch davon zu überzeugen, daß die Behauptung, die Räterepublikaner vom 6. April seien fast ausnahmslos bis zum Beginn der Revolution ohne politische Vergangenheit gewesen, auf mich nicht zutrifft. Was insbesondere meine Sympathie mit dem Bolschewismus anlangt, so datiert sie, wie gezeigt, schon aus der Kerenskizeit. Ich hatte dann aber noch Gelegenheit, sie auch Russen gegenüber zu bewähren. Denn mein (verbotener) Verkehr in Traunstein bestand hauptsächlich im Umgang mit russischen Zivilinternierten, die samt und sonders Menschewiki waren und unter denen ich als Deutscher der einzige war, der den Bolschewismus mit Leidenschaft verteidigte und propagierte. Die Revolution in München brach zwei Tage vor der Berliner aus, am 7. November 1918, dem Jahrestage Eures Sieges. Ihre – im Sinne der politischen Wirkung – Gründlichkeit ging weit über die von Eisner mit dem konterrevolutionären Sozialpatrioten Auer verabredeten Vorsätze hinaus. Geplant war nur nach einer Massendemonstration die Erzwingung einer...