E-Book, Deutsch, 248 Seiten
Müller-Roterberg Praxishandbuch Design Thinking
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7481-6069-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tipps & Tools
E-Book, Deutsch, 248 Seiten
ISBN: 978-3-7481-6069-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Design Thinking ist ein kundenorientierter Innovationsansatz, der die Generierung und Entwicklung von kreativen Geschäftsideen bzw. ganzen Geschäftsmodellen zum Ziel hat. In diesem Buch bekommen Sie das ganze Wissen über Design Thinking aus einer Business-Perspektive umfassend dargestellt. Entlang des Design-Thinking-Prozesses finden Sie hier unzählige Tipps, Empfehlungen, Checklisten und Tools, um erfolgreich Geschäftsideen zu generieren und entwickeln.
Prof. Dr. Christian Müller-Roterberg, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Entrepreneurship, Hochschule Ruhr West
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3.3 Wie beobachtet man richtig?
Grundsätzlich sollte vorab geklärt werden: Wer soll beobachtet werden? Wer soll die Beobachtung durchführen? Welches Verhalten soll beobachtet werden? Wie werden die Beobachtungen erfasst? Im Einzelnen sind hier folgende weitere Hinweise zu beachten: Bei der Beobachtung sollte man sich vorher klar werden über den Ort und die Zeit der Beobachtung, wen und was man dort sehen wird, welchen Einfluss man als Beobachter ggf. auf die Kunden bzw. Umgebung ausübt. In diesem Zusammenhang ist auch vorab zu klären, wie man sich in der Situation selbst verhält, wo und wie man sitzt, sich bewegt, welche Gestik und Mimik man hat, was und wie man etwas sagt, wie man die Handlungen registrieren möchte etc. Aufzeichnungen in Form von Videos, Fotos oder Audio bedürfen vorab des Einverständnisses von den beobachteten Personen (am besten in schriftlicher Form). Ebenso sollte man sich immer bewusst sein, welche Erwartungen man an die Situation und die handelnden Personen hat. So sollte man versuchen, sich der eigenen Voreingenommenheiten/Vorurteilen klar werden zu lassen. In diesem Zusammenhang sollte man sich der zahlreichen möglichen Beobachtungs-/Wahrnehmungs- bzw. Beurteilungsfehler bewusst werden. Vor allem ist hier der Interviewer-Effekt zu beachten („Observer-Effect“ oder auch „Hawthorne-Effekt“ genannt, s. u.), dass allein durch die Beobachtung eine Veränderung des Verhaltens beim Kunden feststellbar ist. Unten stehend werden die einzelnen Beobachtungs-/Wahrnehmungs- bzw. Beurteilungsfehler erläutert. Diese können die Ergebnisse und deren Analyse verfälschen. Hilfreich wäre es, wenn verschiedene Personen mit unterschiedlichen Kenntnissen die Beobachtung durchführen bzw. die Aufzeichnungen auswerten. So können Psychologen, Ingenieure/Informatiker oder Design-Experten auf sehr unterschiedliche Aspekte des Kunden achten. Ergänzt werden können die Beobachtungen mit einer Befragung des Kunden vor, während oder nach der Beobachtungssituation. Zum Beispiel dient dies zur Klärung, warum ein Kunde gerade etwas tut oder welche Gefühle er bei dieser Tätigkeit empfindet. Insbesondere Widersprüche und Unstimmigkeiten zwischen den Antworten und den Beobachtungen sind besonders interessant weiter zu untersuchen. Hierfür sollten Sie die in Kapitel 7.2 bzw. 7.3 beschriebenen Empfehlungen zur Durchführung von mündlichen bzw. schriftlichen Befragungen beachten. Zur Vorbereitung sollten Sie sich folgende Fragen selbst stellen (hierbei sollte man sich im Übrigen auch der eigenen Voreingenommenheit/Vorurteile bzw. der unten stehenden möglichen Beobachtungs-/Wahrnehmungs- bzw. Beurteilungsfehler bewusst werden): Was, glauben Sie, macht der Kunde? Warum glauben Sie das? Wo, glauben Sie, werden Sie den Kunden vorfinden? Was wird der Kunde machen? Wie oft, glauben Sie, agiert der Kunde so? Wann, glauben Sie, macht der Kunde das? Sehr erkenntnisreich sind Situationen, wenn ein Kunde das erste Mal etwas nutzen/ in Anspruch nehmen will. Welche Probleme haben die Kunden dabei? Was machen die Kunden? Was überhaupt beobachtet und wie diese Informationen ausgewertet werden sollen, ist vorab ebenso detailliert zu klären. Es gibt hierfür zahlreiche Schemata („Frameworks“), um die Beobachtungen zu strukturieren und keine wesentlichen Aspekte außer Acht zu lassen. Im Folgenden sollen die Konzepte „neun Dimensionen der deskriptiven Beobachtung“ von Spradley (1980), das „AEIOU-“ sowie das „POEMS-“ Schemata vorgestellt werden. Das sehr differenzierte Schema von Spradley (1980) umfasst die folgenden neun Dimensionen, auf die man bei Beobachtungen achten und entsprechende Notizen anfertigen sollte: Tabelle 8: Neun Dimensionen der deskriptiven Beobachtung Quelle: Spradley (1980) Beobachtungsdimensionen Erläuterung SPACE Beschreiben Sie detailliert die Räumlichkeiten bzw. den Außenbereich, in der sich der Kunde aufhält. ACTORS Notieren Sie die Namen und die relevanten Informationen über die beobachteten Personen. ACTIVITIES Fassen Sie die Aktivitäten zusammen, die die Personen durchführen. OBJECTS Notieren Sie die Gegenstände, die die Personen nutzen bzw. in der Situation vorfinden (Möbel, PC, spezielle Geräte etc.). ACTS Heben Sie besondere einzelne Handlungen der Kunden hervor. EVENTS Beschreiben Sie die Veranstaltungen bzw. Situationen, in der sich die Kunden befinden (Besprechungen, Small Talk, Kundengespräch etc.). TIME Notieren Sie sich die Reihenfolge, in der die einzelnen Aktivitäten/Handlungen ablaufen. GOALS Beschreiben Sie, welche Ziele die Kunden konkret mit ihren Handlungen verfolgen wollen. FEELINGS Schreiben Sie insbesondere die Emotionen der Kunden in den verschiedenen Kontexten auf. In ähnlicher Weise ist das Beobachtungsschema AEIOU von der Doblin Group (s. Martin/Hanington (2012), S. 10) strukturiert, mit dem dann, als eine Erweiterung, auch noch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Beobachtungsaspekten in Form einer Matrix (s. u.) visualisieren kann. Tabelle 9: AEIOU-Schemata der Doblin-Group Quelle: In Anlehnung an Martin/Hanington (2012), S. 10 sowie Lewrick et al. (2018), S. 21 Akronym Beobachtungsdimensionen Erläuterung A ACTIVITIES Was passiert? Welche gezielten Aktivitäten führen die Kunden aus, um etwas zu erreichen? Welche Aufgaben nehmen die Kunden wahr? Was passiert vorher/was nachher? E ENVIROMENTS Wie sieht die Umgebung aus/ist die Atmosphäre, in der die Kunden handeln? Was ist der Charakter und die Funktion des Raumes? I INTERACTIONS Welche Interaktionen zwischen welchen Personen finden statt? Sind dies Routine-Prozesse oder läuft jede Interaktion anders ab? Gibt es Schnittstellen? Wie erfolgt die Bedienung? O OBJECTS Welche Gegenstände/Geräte werden bewusst oder unbewusst benutzt oder nicht benutzt, verändert, bewegt etc.? Wer benutzt diese Gegenstände, in welchem Umfeld (s. o.)? In welcher Beziehung stehen diese Objekte zueinander? U USERS Wer und wie sind die Personen (Kunden, Mitarbeiter) und welches Verhalten, Präferenzen, Werte und Bedürfnisse haben diese? Welche Rollen und Beziehungen miteinander nehmen sie ein? Wer beeinflusst sie? Tabelle 10: Wechselwirkungen der Beobachtungsaspekte A E I O U A E I O U Ebenso ähnlich und etwas kondensierter können mit dem POEMS-Schema von Kumar/Whitney (Kumar/Whitney (2003), S. 50-57) mit People, Objects, Environments, Messages und Services die Beobachtungen zusammengefasst werden. Bei Letzterem bedeuten Messages die verbale und nonverbale (Gestik, Mimik, Bewegung) Botschaften, die Personen aussenden, sowie Services, die vom Kunden genutzten Dienstleistungen. Schließlich sind die sog. Five Human Factors von Kumar (2012) als Analyseschema sehr nützlich, die die physischen, kognitiven, sozialen, kulturellen und emotionalen Faktoren eines Kundenerlebnisses beschreiben (vgl. auch van Aerssen/Buchholz (2018), S. 191f.): Physisch: Wie sieht die Interaktion der Kunden/Nutzer mit ihrem Umfeld aus? Was berühren öffnen/schließen, drücken, ziehen, bewegen, tragen etc. die Kunden/Nutzer in bestimmten Situationen? Kognitiv: Welche Bedeutung geben die Kunden/Nutzer den Gegenständen/Materialien...