E-Book, Deutsch, 463 Seiten, E-Book
Müller-Stewens / Brauer Corporate Strategy
2. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7910-4464-4
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nachhaltige Wertsteigerung in diversifizierten Unternehmen
E-Book, Deutsch, 463 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-7910-4464-4
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. em. Dr. Günter Müller-Stewens, Universität St. Gallen
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Teil A Strategiearbeit auf der Corporate-Ebene
Teil B Normativer Rahmen
Teil C Corporate Strategy
Teil D Corporate Organization
1 Corporate Management im diversifizierten Unternehmen
1.1 Zentrale Akteure im Mehr-Geschäfts-Unternehmen
1.1.1 Strukturelemente eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens
1.1.2 Das Corporate Management als Mittler
1.2 Aufgabenfelder eines Corporate Managements
1.2.1 Das Streben nach Mehrwert
1.2.2 Vom Nutzenversprechen zum Corporate-Wettbewerbsvorteil
Executive Summary
Wir zeigen in diesem Kapitel auf, wer die zentralen Akteure eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens (MGUs) sind und welche Aufgabenfelder ihnen zuzuordnen sind. Dabei setzen wir uns vertieft mit dem Corporate Management, dem Hauptakteur in einem MGU, auseinander. Zum Corporate Management zählen die Unternehmensleitung und deren Aufsichtsgremium, das Corporate Center sowie die Leiter der strategischen Geschäftseinheiten (SGEs).
Das Corporate Management hat die Rolle des Mittlers zwischen den Erwartungen und den Interessen bedeutsamer Anspruchsgruppen wie z. B. den Eigentümern einerseits sowie den Intentionen der SGEs hinsichtlich ihrer Positionierung und Entwicklung andererseits. In dieser Rolle hat sich das Corporate Management gegenüber den Beteiligten und Betroffenen zu legitimieren. Dies gilt insbesondere auch gegenüber den einzelnen SGEs des MGUs, denn die Gefahr, dass die Corporate-Ebene unter dem Strich eher Wert vernichtet als Wert schafft, ist nicht unerheblich. Im Zentrum steht dabei der Auftrag des Corporate Managements, das MGU so zu führen und zu entwickeln, dass dessen Wert größer ist als die Summe des Werts der einzelnen SGEs.
Dazu gibt das Corporate Management gegenüber den Geschäften ein Nutzenversprechen ab, in dem folgende Frage zu beantworten ist: Wie kann das Corporate Management durch seine Tätigkeit einen Mehrwert für die Geschäfte generieren, den diese in dieser Form und diesem Umfang alleine nicht generieren können, und kann das Corporate Management dies wertschöpfender tun, als dies andere Eigentümer dieser Geschäfte tun könnten?
Dabei vertreten wir die Auffassung, dass es weniger das Ausmaß der Diversifikation ist, das den Erfolg des MGUs bestimmt, sondern vielmehr die Kompetenz seines Corporate Managements, Diversifikation zu managen.
Ein MGU im Dilemma: Weiter wie bisher oder Professionalisierung der Corporate-Ebene?
Ein großes MGU stand schon seit Jahren in der Kritik seiner Eigentümer. Man kam einfach nicht weiter. Die meisten Geschäfte erwirtschafteten nicht einmal ihre Kapitalkosten. Es fehlte auch an einer tragfähigen Idee, wohin es mit dem MGU gehen sollte. Die Aktivitäten des Vorstands beschränkten sich im Wesentlichen darauf, Druck auf die Leiter der strategischen Geschäftseinheiten auszuüben mit dem Ziel, dass diese die Performance ihrer Geschäfte verbesserten. Der Aufsichtsrat hatte nun folgende Optionen: Entweder arbeitete man weiter wie bisher oder man suchte nach neuen Geschäftsleitern oder die Arbeit des Vorstands wurde grundsätzlich hinterfragt. Man entschied sich für Letzteres. Der Aufsichtsrat gab eine externe Bewertung der Arbeit der Geschäftsleitung in Auftrag. Diese Studie kam zu folgendem kritischen Ergebnis (Auszug):
- »Die Corporate Strategy ist im Wesentlichen nicht mehr als die Summe der einzelnen Geschäftsstrategien. Daher ist in Zukunft eine detailliertere Beschreibung der Gruppenstrategie erforderlich.
- Die Zuverlässigkeit der langfristigen Planung wird kritisch gesehen. Grundsätzlich wird es als notwendig erachtet, bei den Geschäftsstrategien vor dem Hintergrund der auf das MGU wirkenden Megatrends zwei bis drei Szenarien zu entwickeln und zu diskutieren. In dieser Hinsicht erscheint eine gemeinsame Entwicklung von strategischen Szenarien und Optionen zwischen dem Vorstand und der Bereichsleitung als vorteilhaft.
- Die Geschäftsstrategien werden im Planungsprozess nicht mit den Strategien der Gruppenfunktionen (z. B. HR, IT) verzahnt. Dementsprechend sind die Anforderungen der Geschäfte hinsichtlich der Gruppenfunktionen und umgekehrt in eine zu entwickelnde Gruppenstrategie aufzunehmen.
- Ein neues Format zur Diskussion der wesentlichen Schlüsselthemen der Gruppe ist erforderlich, um mögliche kulturelle Barrieren zu überwinden, die eine offene und kritische Diskussion sowie das Realisieren von Synergien behindern.
- Es fehlt eine Konzentration auf weniger, aber besonders wichtige strategische Initiativen. Dazu müssen messbare quantitative und qualitative Schlüsselindikatoren und -ziele, die mit den zentralen strategischen Initiativen verbunden sind, definiert und verfolgt werden.«
Zunächst einmal ist an diesem realen Fall bemerkenswert, dass es seitens des Aufsichtsrates die Bereitschaft und Einsicht gab, die Qualität der Arbeit der Vorstandsebene des MGUs überhaupt zu hinterfragen. Wichtig war aber auch, dass man sich folgender Tatsache bewusst wurde: Die Corporate-Ebene benötigt eine eigene Strategie, bei der es andere Fragen zu beantworten gilt als auf der Ebene der Geschäfte und die damit auch mehr ist als nur die Summe der Geschäftsstrategien.
Im vorliegenden Fall fehlte es offensichtlich an einer eigenen Corporate Strategy, die z. B. die Entwicklungsperspektiven der Portfoliokonfiguration aufzeigte. Auch wurden nicht mithilfe von Instrumenten der strategischen Vorausschau die größeren Veränderungen im Umfeld mit ihren Konsequenzen auf das Geschäftsmodell des MGUs untersucht. Strategische Initiativen zu konzernübergreifenden Themen taten sich schwer mit den »Silo«-Kulturen, wurden aber auch nicht professionell geführt. Die Strategien der Zentralbereiche wurden nicht mit denen der Geschäfte verzahnt. Dies alles sind Aufgabenfelder, die zur Arbeit einer Corporate-Ebene gehören.
1.1 Zentrale Akteure im Mehr-Geschäfts-Unternehmen
Wie jede Organisation, so ist auch ein MGU durch seine zentralen Akteure und die Strukturen, in denen sie agieren, wesentlich geprägt.
1.1.1 Strukturelemente eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens
Um die Eigenschaften und Funktionsweise eines MGUs zu verstehen, nähern wir uns ihm am besten über seine typische Organisationsstruktur. Wie in Abbildung 1-1 vereinfacht dargestellt, unterscheiden wir drei zentrale Akteure: die Unternehmensleitung und deren Aufsichtsgremium, das Corporate Center mit seinen Fachabteilungen sowie die strategischen Geschäftseinheiten (SGEs). Vertiefend wird eine solche Organisationsstruktur eines MGUs in Kapitel 10 besprochen.
Abb. 1-1 Strukturelemente eines MGUs
(1) Unternehmensleitung und Aufsichtsgremium: Je nach Land kann ein unterschiedliches Leitungsmodell angetroffen werden. Im zweistufigen Modell, das man primär in Deutschland vorfindet, gibt es die Unterscheidung in den die Eigentümerinteressen vertretenden Aufsichtsrat, dessen Mitglieder meist von außerhalb des Unternehmens kommen3, sowie den Vorstand bzw. die Geschäftsleitung. Dem Vorstand steht ein Vorstandsvorsitzender vor. Im einstufigen Modell steht das Board of Directors an der Spitze des Unternehmens. Dieses Board setzt sich aus Senior Managern des Unternehmens als Executive Directors und aus Non-Executive Directors, die wiederum meist von außerhalb des Unternehmens kommen, zusammen. Den Vorsitz des Board of Directors hat der Chairman oder Präsident. Meist ist die Zahl der Non-Executive Directors größer als die der Senior Manager im Board. Dem Executive Board of Directors bzw. der Konzernleitung steht der Chief Executive Officer (CEO) vor. In einigen MGUs wird die Funktion des CEO und des Chairman durch eine Person im Doppelmandat (CEO Duality) wahrgenommen, was eine einheitliche und schnellere Entscheidungsfindung erleichtert, aber auch eine große Machtballung mit sich bringt.4 Wissenschaftliche Studien, die versucht haben, den Zusammenhang zwischen CEO Duality und finanziellem Unternehmenserfolg zu untersuchen, sind daher zu keinen einheitlichen Ergebnissen gekommen, ob eher die positiven oder die negativen Effekte überwiegen.5
Wichtige Aufgabe der Executive Directors ist es, die anderen Board-Mitglieder mit Informationen zu den wichtigsten Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Eigentümerinteressen zu versorgen.6 Umgekehrt müssen die Non-Executive Directors, die von außerhalb des Unternehmens kommen, sich ein Bild über die Entwicklung des Unternehmens und seiner Senior Manager machen und dafür Sorge tragen, dass die Interessen der wichtigsten Anspruchsgruppen (Stakeholder) gewahrt...