Neuner / Catani / Schauer | Narrative Expositionstherapie (NET) | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 99 Seiten

Reihe: Fortschritte der Psychotherapie

Neuner / Catani / Schauer Narrative Expositionstherapie (NET)


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8409-3097-3
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

E-Book, Deutsch, 99 Seiten

Reihe: Fortschritte der Psychotherapie

ISBN: 978-3-8409-3097-3
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Die Narrative Expositionstherapie (NET) ist eine kurze, pragmatische, evidenzbasierte Methode zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Opfern komplexer Traumatisierungen, wie z.B. Überlebende von Flucht, Folter und Kindesmisshandlung. Im Unterschied zu anderen Therapieformen wird in der NET die gesamte Biografie der Patientinnen und Patienten berücksichtigt und aufgearbeitet. Der Band gibt einen Überblick über die Methode, geht auf kritische Situationen in der Therapie ein und veranschaulicht das Vorgehen anhand eines Fallbeispiels.

Grundlage des Vorgehens ist die psychobiologische Gedächtnistheorie der Posttraumatischen Belastungsstörung, die ein Verständnis für extreme Reaktionsformen ermöglicht. Darauf aufbauend wird der Therapieprozess Schritt für Schritt dargestellt und durch ein Fallbeispiel illustriert. Eingegangen wird außerdem auf die zahlreichen Herausforderungen und Fallstricke in der Therapie, wie beispielsweise den Umgang mit extremen Gefühlen und körperlichen Zuständen, Dissoziation und Vermeidungsverhalten. Der Band liefert für Therapeutinnen und Therapeuten mit Vorerfahrungen in Traumatherapie oder mit einer Fortbildung in Narrativer Expositionstherapie einen praxisorientierten Leitfaden zur Durchführung der NET.

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Zielgruppe


Ärztliche und Psychologische Psychotherapeut_innen, Fachärzt_innen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psycholog_innen, Psychologische Berater_innen, Studierende und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Weitere Infos & Material


1;Inhaltsverzeichnis;7
2;1Beschreibung der Methode;9
3;2Störungsmodell der Narrativen Expositionstherapie;12
3.1;2.1Körper und Geist während des Traumas: Die Extreme der Verteidigungskaskade;14
3.2;2.2Das Bedrohungsnetzwerk (heißes Gedächtnis);18
3.3;2.3Kontextspeicher (kaltes Gedächtnis);21
3.4;2.4Trennung der Bedrohungsstruktur vom Kontextspeicher;23
3.5;2.5Überlebensstrategien;24
3.6;2.6Die Begründung und Logik der NET;26
4;3Diagnostik und Indikation;27
4.1;3.1Diagnostik traumatischer Erfahrungen über die Lebensspanne;27
4.2;3.2Diagnostik aktueller Belastungen und Stressoren;29
4.3;3.3Diagnostik der Symptomatik;30
4.4;3.4Besonderheiten bei der Indikationsstellung;33
5;4Behandlung;38
5.1;4.1Darstellung der Therapiemethode;38
5.1.1;4.1.1Therapeutische Haltung in der NET und Setting;38
5.1.2;4.1.2Psychoedukation;41
5.1.3;4.1.3Lebenslinie;47
5.1.4;4.1.4Komponenten der Expositionssitzungen;48
5.1.4.1;4.1.4.1Auftaktphase;51
5.1.4.2;4.1.4.2Vorlesen;51
5.1.4.3;4.1.4.3Planung der Narration;52
5.1.4.4;4.1.4.4Einleitung;54
5.1.4.5;4.1.4.5Höhepunkt;59
5.1.4.6;4.1.4.6Ende;67
5.1.4.7;4.1.4.7Abschluss: Reflexion der übergreifenden Bedeutung;68
5.1.4.8;4.1.4.8Verschriftlichung der Narration;73
5.1.5;4.1.5Abschlusssitzung;74
5.2;4.2Varianten der Methode und Kombinationen;75
5.2.1;4.2.1KIDNET: Narrative Expositionstherapie mit Kindern;75
5.2.2;4.2.2NET für traumatisierte Gewalttäter (FORNET);78
5.2.3;4.2.3Dolmetscher in der NET;78
5.2.4;4.2.4Kombination mit anderen Methoden;79
5.3;4.3Probleme bei der Durchführung;80
6;5Effektivität;82
7;6Weiterführende Literatur;84
8;7Literatur;84
9;8Kompetenzziele und Lernkontrollfragen;92
10;9Anhang;95
10.1;Bedrohungsnetzwerk und Kontextspeicher;95
11;Karten;96
11.1;Checkliste Diagnostik;96
11.2;Checkliste Psychoedukation;97
11.3;Verteidigungskaskade der menschlichen Stressreaktion;98
11.4;Interventionen bei Dissoziation;99


2 Störungsmodell der Narrativen Expositionstherapie

Die Narrative Expositionstherapie wurde auf der Grundlage von psychologischen Trauma-Theorien entwickelt, die dysfunktionale Gedächtnisprozesse als Kern der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ansehen (Elbert, Schauer & Neuner, 2015; Brewin, 2013; Brewin, Dalgleish & Joseph, 1996; Ehlers & Clark, 2000). Der Fokus auf PTBS begründet sich dadurch, dass unter allen Störungen, die mit traumatischen Erlebnissen assoziiert sind, die PTBS die häufigste Störung ist, und in der gegenwärtigen Forschung die diagnostische Grundlage für Theorien sowie Therapiestudien zu traumafokussierten Verfahren darstellt. Diese Theorien sind mit wenigen Erweiterungen (siehe Einschluss von sozialer Traumatisierung weiter unten) jedoch dazu in der Lage, auch Symptome anderer Traumafolgestörungen, vor allem auch der Depression zu erklären. Eine Erweiterung der Theorien und traumafokussierten Behandlungsmethoden auf andere Primärdiagnosen als der PTBS wird derzeit von unterschiedlichen Arbeitsgruppen versucht. Beim gegenwärtigen Erkenntnisstand kann die Durchführung einer traumafokussierten Therapie wie der NET aber nur bei einer Primärdiagnose PTBS empfohlen werden.

Die verschiedenen Varianten der Gedächtnistheorien der PTBS gehen davon aus, dass menschliche Erinnerungen in zwei qualitativ unterschiedlichen Gedächtnissystemen abgespeichert werden, nämlich einer assoziativen Gedächtnisstruktur und einem Kontextgedächtnis. Das assoziative Gedächtnis wird in unterschiedlichen Theorien auch als auch als situationell zugängliches Gedächtnis, heißes Gedächtnis, Furchtstruktur oder „s-rep“ bezeichnet; das Kontextgedächtnis dagegen als verbal zugängliches Gedächtnis, kaltes Gedächtnis oder „c-rep“ (Brewin, 2013; Brewin et al., 1996; Metcalfe & Jacobs, 1996). In einer integrativen Zusammenschau der verschiedenen Theorien entscheiden wir uns hier für die Formulierung Bedrohungsnetzwerk (eine ältere Bezeichnung ist auch „Furchtnetzwerk“), als Begriff für ein aus einem Trauma resultierendes assoziatives Gedächtnis, gegenüber Patienten verwenden wir hierfür auch den Namen heißes Gedächtnis. Das Kontextgedächtnis bezeichnen wir als Kontextspeicher, oder auch, als Metapher für Patienten, kaltes Gedächtnis. Während diese beiden Gedächtnissysteme bei der Kodierung und beim Abruf alltäglicher Ereignisse völlig unauffällig zusammenarbeiten, bedingen neurokognitive Prozesse, die während des Traumas ablaufen, sowie Vorgänge im Gehirn, die nach dem Trauma stattfinden, eine Aufspaltung dieser beiden Gedächtnissysteme, was letztlich zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Traumasymptomen führt.

Das Störungsmodell der Narrativen Expositionstherapie unterscheidet drei Betrachtungsebenen in der Entstehung und Aufrechterhaltung der traumabezogenen Pathologie.

Eine Betrachtungsebene besteht in den Erlebnissen während der traumatischen Erlebnisse, den sogenannten peritraumatischen Erfahrungen. Die extreme Belastung und Bedrohung während des Traumas führen zu spezifischen körperlichen und seelischen Reaktionen, die weit außerhalb der gewöhnlichen menschlichen Erfahrung liegen und deshalb in der Regel von den Betroffenen selbst auch in der Erinnerung als fremd und bedrohlich erlebt werden. Die zweite Betrachtungsebene beschreibt die Abspeicherung dieser Erlebnisse im Gedächtnis, die nach dem Erleben der traumatischen Erfahrungen und – beim Vorliegen mehrerer Traumata – auch zwischen den traumatischen Erlebnissen wirksam ist. Die Kodierung dieser Extremreaktionen weist pathologische Auffälligkeiten auf, die letztlich den Kern der PTBS und die Grundlage der Aufrechterhaltung der Störung begründen. In der Lebensspannenperspektive, die davon ausgeht, dass die meisten Patientinnen mehr als nur eine belastende und traumatische Erfahrung erleben, entstehen sukzessive komplexere Gedächtnisrepräsentationen, die das Erleben intensiv speichern, denen aber der räumliche und zeitliche Kontext fehlt.



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