Nordhofen / Kamphaus / Sill | Ars moriendi - Ars vivendi | Buch | 978-3-921221-16-7 | sack.de

Buch, Deutsch, 68 Seiten, geheftet, Format (B × H): 210 mm x 297 mm

Reihe: INFO

Nordhofen / Kamphaus / Sill

Ars moriendi - Ars vivendi

Sterben als letzte Chance des Lebens?
1. Auflage 2004
ISBN: 978-3-921221-16-7
Verlag: Bischöfliches Ordin. Limburg

Sterben als letzte Chance des Lebens?

Buch, Deutsch, 68 Seiten, geheftet, Format (B × H): 210 mm x 297 mm

Reihe: INFO

ISBN: 978-3-921221-16-7
Verlag: Bischöfliches Ordin. Limburg


n 10 Jahren gucken wir uns alle die Graswurzeln von unten an“ –

Originalton einer betagten Ordensfrau, die vollkommen frei von Larmoyanz

und Verzweifelung den eigenen Tod bespricht und Planungen,

die über ihn hinaus gehen, in großer Gelassenheit angehen kann.

Das gefällt mir! Genauso wie die Verabredung, die mir neulich jemand

anbot: „Das besprechen wir einmal in 100 Jahren auf Wolke

Nummer 7. Dann sehen wir, wer von uns beiden Recht hatte!“ In die

Zukunft können wir nicht sehen, aber dass wir in 100 Jahren alle tot

sind, davon können wir mit Sicherheit ausgehen. Dann wird wohl der

Limburger Dom noch stehen, ein anderer Bischof andere Sorgen haben,

andere Lehrer andere Kinder unterrichten – vielleicht, wahrscheinlich,

hoffentlich.

Nicht alle Hoffnungen und Wünsche in der mit jedem Geburtstag

knapper werdenden befristeten Lebenszeit unterbringen zu müssen,

das ist in der Tat erlösend. Was aber, wenn das nicht stimmt? Wir haben

die Wahl: Die „Alternative“ wäre ein gottloses Schicksal oder ein

Gott wie ihn Nietzsche uns vorstellt, einer der sich langweilt und zur

Unterhaltung seiner endlosen Ewigkeiten ein Menschengeschlecht

mit Hoffnungen und Sehnsüchten erschafft. Wir müssten mit der

Kränkung leben, eine gegen Unendlich strebende Weltzeit auszuhalten,

die vom Urknall bis zum Wärmetod der Welt „alle Zeit der Welt“

umgreift, in vollem Bewusstsein, dass wir aus dieser unendlichen Zeit

nur eine winzige Spanne zugemessen bekommen, die uns auch noch

unter den Händen mit den Jahren zerrinnt, – je älter wir werden, umso

schneller. Wie waren unsere Kindersommer

doch so lang, und wie erschrecken wir jedes Mal,

wenn schon wieder bei „Aldi“ die ersten Stollen

und Weihnachtslebkuchen auftauchen.

Wie ist es da doch für unsere Seelenruhe so heilsam,

den Stachel des Todes wegzuglauben. Es

ist einfach für unsere psychische Wellness besser,

es lebt sich gesünder, gläubig zu sein.

Christliche Gelassenheit ist gewiss auch gut gegen

Herzinfarkt und Stress. Aber die christliche

Hoffnung darf nicht zum funktionalen Seelenbalsam

verkommen. Ein Denken, das kalkulierend

einen trostreichen Standpunkt bezieht, wird

sich selbst zerstören. Wer den Glauben mit einer

Placebo-Pille verwechselt, hat ihn noch nicht geschenkt bekommen.

Wir dürfen uns durchaus freuen, wenn uns der Glaube an das unzerstörbare

Leben die Angst vor dem Tod nimmt. Aber wehe, wenn der

Glaube zum Instrument der Angstbeseitigung gemacht wird.

Gibt es eine Ars moriendi, eine Kunst des Sterbens? Was wir einüben

können, ist das Loslassen. Wer es ausprobiert, wird feststellen, wie es

ihn bereichert.

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