Overath | Tafelrunde | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Overath Tafelrunde

Schriftsteller kochen für ihre Freunde
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-08866-8
Verlag: Luchterhand Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Schriftsteller kochen für ihre Freunde

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-641-08866-8
Verlag: Luchterhand Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



37 Schriftsteller kochen für ihre Freunde»Tafelrunde« versammelt die Lieblingsrezepte von 37 namhaften Schriftstellern. Zugleich erzählen diese Autoren aber auch ganz persönliche Geschichten über die Zubereitung der einzelnen Gerichte und ihre Erlebnisse beim Kochen. Das macht »Tafelrunde« zu einem Muss für alle Freunde des Kochens und der Literatur sowie zu einem idealen Buch zum Verschenken, zum Nachkochen und zum Schmökern.
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Vorwort:
Mit Dichtern in der Küche AM ANFANG WAREN ZWEI DUTZEND Rezepte, mit schwarzer Spiralheftung in weinrote Kartonblätter gefaßt: das Geschenk von Karl-Heinz Ott zu unserem ersten Sommerfest in den Bergen. Wir lasen hinein, freuten uns an Formulierungen wie »Es gibt nichts Trostloseres, als wenn man in deutschen Beizen einen Schweizer oder Elsäßer Wurstsalat bestellt, also einen mit Käse, und er ist dann so gut wie nicht angemacht oder nur mit ein bißchen galligem deutschem Essig beträufelt«. Wir blätterten von Spiegelei mit Ingwerpulver zu Entrecôte im Gewürzmantel und sahen: wir bekamen hier nicht nur besondere Rezepte geschenkt. Die Art und Weise, wie Karl-Heinz Ott Nahrungsmittel vorstellte und ihre Handhabung nahelegte, zeigte auch etwas vom Temperament und Ton des Schriftstellers. Durch Zutaten und Zubereitung hindurch blitzte die Haltung unseres Freundes zu den heilig profanen Dingen des Daseins. Hatten wir mit seinen Rezepten nicht eine Essenz vom literarischen Aroma dieses Autors? Während wir aßen, lasen, sprachen und tranken, wuchs die Idee eines Kochbuchs der Schriftsteller. Rezepte, zumal wenn Autoren sie schreiben, bewegen sich auf dem schmalen Grat von Realität und Fiktion. Die Idee von Geschmack begleitet noch das krudeste Notat der Handgriffe. Das erste Mal kosten wir ein schönes Gericht in der sinnlichen Vorstellung seines Gelingens. Wir essen also auch mit Worten. (Wie wir mit Worten erleben. Und auch deshalb lesen wir.) Als das jüngste Mitglied unserer Familie mit vier Jahren eine Phase des Vegetarismus durchlebte, weigerte es sich, Blutorangen zu essen. Wir versuchten es zu den winterlichen Vitaminen zu bringen, indem wir das Obst umtauften: Himbeerorange, Kirschorange. Aber es ließ sich den Namen nicht nehmen, das ursprüngliche Wort war stärker als die Frucht, ja, dem Kind war das Wort eine erste Frucht. Mit der Speise haben wir die Poesie auf der Zunge. Wir versuchten also, noch einen Schritt weiter zu gehen, wir wünschten uns mehr als nur ein Kochbuch und schrieben an verehrte Kollegen, schreibende Freunde: Vermutlich hat jeder die eine oder andere Lieblingsspeise, die zum festen Repertoire seiner kleinen oder großen Küche gehört. Würden Sie/würdet Ihr solch ein Gericht, ein Gebäck, ein Soufflé, eine Suppe, ein Menü mit uns und anderen teilen? Wir suchen private, besondere Rezepte. Das ist das eine. Dazu wünschen wir uns aber auch eine Geschichte: Wo kommt dieses Rezept her? Wann wird es zubereitet? Und für wen? Und vielleicht entwickelt sich an den konkreten Zutaten zwischen Sellerie und Safran, Anis oder Artischocke ein ganz freier Text über Liebe, Leidenschaft, Angst und Tod oder nur ein Erstaunen. Spielregel: Die Rezepte müssen nachkochbar sein, das heißt, sie sollten so beschrieben werden, daß eine reelle Chance des Gelingens besteht. Es soll eine Geschichte erzählt werden, die im Zusammenhang mit dem Rezept steht. Sie kann biographische Züge haben und etwas über das Rezept sagen; sie kann sich aber auch nur an den Zutaten entzünden. Sie kann essayistisch sein. (Wir akzeptieren auch einen inneren Monolog, ein kleines Drama, ein Gedicht …) Wir hätten gerne zwei Texte: das Rezept und die Geschichte; wir freuen uns aber auch, wenn Rezept und Geschichte ineinander übergehen. Als die ersten Rezepte kamen, mußten wir lachen. Brigitte Kronauer schickte einen Schlesischen Mohnkuchen; Ruth Klüger Haifisch in der Mikrowelle; Hans Magnus Enzensberger die Platte der Kaltmamsell. Das hätten wir nicht erfinden können! Und gespannt beobachteten wir weiter, welcher Autor uns, bei freier Wahl, welche Gerichte anbieten würde. Viele Rezepte umspielten die Thematik von Familie und Heimat. Die junge, in Baku geborene Olga Grjasnowa servierte eine üppige Menüfolge ihrer Mutter aus Aserbaidschan, Terézia Mora, geboren im ungarischen Sopron an der österreichischen Grenze, setzte mit einer Suppe aus Schweinehirn und Nieren ihrer Herkunft ein Denkmal; sie zitierte die »Scharrfüße« zum Abnagen oder das »Pörkölt«, ein Eintopfgericht aus Hühnerhoden, das sie einmal in Szeged aß. Dagmar Leupold schrieb vom Duft des Barszcz, mit dem »Eltern-Heimat« aufsteigt: »Beskiden/Vater, frisches Haff/Mutter, Elche, die den ostpreußischen Schulweg kreuzten.« Es sind die alten Speisen, die im Gekocht- und gemeinsamen Gegessenwerden die Spur von Flucht und Vertreibung immer wieder zurückgehen. Wenn wir essen, tun wir dies oft zum Gedächtnis und im Nachvollzug. Katharina Enzensberger servierte »Saure Rohknöpfle«, eine bäuerliche Armensuppe, die deutsche Aussiedler aus dem Südosten mitgebracht hatten und die in den je fremden Heimaten verlorene Nähe einholte: »Schlürfte die Familie zusammen und schweigend die sättigende Brühe, dann bildete sich eine vertraute Blase, und alles war gut.« Mit Riesenbohnen und überbackenen Quitten hielt Barbara Spengler-Axiopoulos den Weg der aus Kleinasien vertriebenen Griechen offen oder gab den Wink der »Soutzoukakia Smyrnaika«, der Fleischklößchen, wie man sie im alten Symrna zubereitete. Kathrin Schmidt schickte gefüllte Teigtaschen, die es, süß oder salzig, in der Ukraine, in Rußland, in China, Polen, in Kasachstan und in Korea gibt, und schrieb eine Geschichte der Verführung, in der Teigtaschen auch Sprachtaschen waren und zur Initiation wurden, einen Heiratsantrag polyglott zu stellen. Oft führten die Gerichte an Orte persönlicher Erfahrung: Mit Avocados und Mangos in ein bäuerliches Ecuador (Leta Semadeni); mit Kaviar ins kommunistische Moskau (Hans Magnus Enzensberger); mit frischer Schafsleber nach Tórshavn auf die Färöer Inseln oder mit Käse auf eine Kuhalp: »auf der Schwyzer Seite der Rigi, zwischen dem Hagenzingelboden und der Trieb Alp« (Verena Stössinger). Mit einem Hühnchen in ein bayrisches Wohnzimmer der 70er Jahre, wo Mutter und Sohn vor dem Fernseher die spanische Küche kennenlernen und den »Gott des Knoblauchs« bestaunen (Michael Kumpfmüller). In ein Wien der Schulfreundinnen mit einer Schokoladentorte aus dem Rheinland (Eva Menasse). In ein Indien des kleinen Verrats, mit honigsüßen, sesammilden Keksen (Laura Lichtblau). Und immer wieder nach Italien. So erzählte Theres Roth-Hunkeler über dem einst am Ende eines kalabrischen Sommers aus köstlichen Resten erfundenen Fleischkuchen von einem Familienleben in drei Generationen, das sich immer wieder heiter in neuen (Rest)Konstellationen erfinden muß. Rezepte sind meist tradierte Texte. Im Geist der kochkundigen Ahninnen steigt vergangene Intensität auf als Kindheitsduft und Erinnerung (kaum zu unterscheiden). »Natürlich ist man versucht, von Großmüttern zu sprechen«, beginnt Zora del Buono ihre apulische Familiengeschichte, die in der Sommerleidenschaft des Dienstmädchens Draga, der »slowenischen Alpenschönheit«, zu gefüllten Auberginen und einem Gärtner gipfelt. Und Walter Grasskamp evoziert die verlorene Anarchie der Kindheit über dem Rätsel der in heißem Fett brutzelnden Reibekuchen (das Rezept wurde nie schriftlich fixiert): frisch aus der Pfanne gegessen, neben der backenden Mutter, ein unerreicht köstlicher Augenblick. Viele Autoren servierten Fleisch, gerne Innereien. Dabei reflektierten sie das Töten. Man bedenke, daß mehr Haie durch Menschen gegessen werden als umgekehrt, schrieb Ruth Klüger. Und Leo Tuor, Schriftsteller, Hirt und Jäger, überblendete die Köpfung eines Huhns mit der Hinrichtung von Marie Antoinette, wie Susan Sontag sie schildert. »Nimm ein Gewehr« ist der initiale Imperativ bei Erica Pedretti, dann ist vom »Schweiß« des Wilds die Rede, damit ist in der Jägersprache sein Blut gemeint. (Erlegt werden also auch Wörter.) Das unsachgemäße Schlachten wird zum Kern der Erzählung um die Weihnachtsgans bei Katja Lange-Müller. Jochen Schimmang formulierte über der Zubereitung seiner Kalbsleber: »Vergessen wir nicht, daß dafür Kälbchen geschlachtet werden mußten.« Und in Iso Camartins Rezeptgeschichte zur alten Bündner Froschschenkel-Mahlzeit lernen wir von einem Protagonisten: »man müsse beim Töten immer still in sich sagen: ›Engraziel, ti paupra bestga – Danke, du armes Tier!‹« Gute Autoren wissen, was sie tun, auch beim Kochen. Sie pendeln zwischen freien Kreationen (Alain Claude Sulzer, der »Italien zu Hause« entwirft, je nachdem was Wiese und Markt bringen und welche Freunde kommen) und tradierten Ritualen. Andreas Lebert entwirft über einem bayrischen Schweinebraten das Portrait seiner Großmutter, die die »eiserne Rane« vererbte; nur in diesem, von Generation zu Generation weitergegebenen Gefäß durfte das Fleisch in den Ofen geschoben werden, nach einem uralten Rezept, an dem nichts zu variieren war. Wie die Poetik jedem guten Text implizit ist, kann das Kochen selbst eine Rezeptgeschichte ausmachen, so wichtig wie das sich einzuverleibende Ergebnis selbst. Hanns Josef Ortheil entwickelt bei der Zubereitung von Kutteln (eine Metamorphose von »Lumpen« über...


Overath, Angelika
Angelika Overath wurde 1957 in Karlsruhe geboren. Sie arbeitet als Reporterin, Literaturkritikerin und Dozentin und hat die Romane „Nahe Tage“, „Flughafenfische“, "Sie dreht sich um" und "Ein Winter in Istanbul" geschrieben. "Flughafenfische" wurde u.a. für den Deutschen und Schweizer Buchpreis nominiert. Für ihre literarischen Reportagen wurde sie mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Sie lebt in Sent, Graubünden.



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