Ozimek / Bierhoff / Rohmann | Angewandte Sozialpsychologie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 355 Seiten

Ozimek / Bierhoff / Rohmann Angewandte Sozialpsychologie

Ein Lehrbuch
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-17-038430-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Lehrbuch

E-Book, Deutsch, 355 Seiten

ISBN: 978-3-17-038430-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Angewandte Sozialpsychologie stellt die Schnittstelle zwischen erfolgreichen Theorien der Sozialpsychologie und deren Anwendung im Alltag sowie ihre Umsetzung in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern dar. Dabei geht es immer auch um die Nutzung psychologischen Wissens, um die Praxis zu optimieren und Probleme effektiv zu lösen. Daher beantwortet dieses Lehrbuch einerseits wichtige Grundlagenfragen, wie "Was ist Selbstregulation?", "Wie funktioniert zwischenmenschliche Kommunikation?", und behandelt andererseits verschiedene klassische und aktuelle Anwendungsthemen der Sozialpsychologie kompakt und gut verständlich. Das Werk ist sowohl für Bachelor- als auch für Masterstudierende der Pädagogik, Psychologie und Soziologie sowie für Studierende und Praktizierende aus allen psychosozialen Berufsfeldern instruktiv und hilfreich.
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1 Angewandte Sozialpsychologie: Eine Einführung
Hans-Werner Bierhoff, Elke Rohmann, Phillip Ozimek und Stephanie Hanke In diesem Kapitel wird der Ansatz der angewandten Sozialpsychologie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, die sich durch folgende Fragestellungen beschreiben lassen: · Wie lässt sich die angewandte Sozialpsychologie definieren? · Wie lässt sich der Weg von einem Problem zu seiner Lösung aus methodischer Sicht gestalten? · Welches Wissen zur Veränderung und Optimierung von unerwünschten Sachverhalten steht in unterschiedlichen Anwendungsbereichen zur Verfügung? · Welche besonderen Schwerpunkte werden in diesem Lehrbuch hervorgehoben? Das Kapitel dient der ersten Orientierung im Sinne einer definitorischen Abklärung von angewandter Sozialpsychologie sowie der Darstellung der Prozesse der Anwendung in einem Ablaufmodell und dem Verweis auf erforderliches Wissen zur Veränderung und Optimierung von problematischen Ausgangsbedingungen. Dabei wird Wissen, das sich in der aktuellen sozialen und politischen Situation unter Berücksichtigung neuer Technologien und Kommunikationsansätze als besonders wertvoll erweist, in den Vordergrund gestellt. 1.1 Wie lässt sich angewandte Sozialpsychologie definieren?
Der erste angewandte Psychologe, der diesen Namen verdient, war Hugo Münsterberg, der an verschiedenen deutschen Universitäten (u. a. an der Universität Freiburg) und der Harvard University lehrte. Sein Buch Psychology and industrial efficiency (1913) befasste sich hauptsächlich mit Arbeits- und Organisationspsychologie. Seitdem hat sich die angewandte Psychologie natürlich weiter differenziert. Wir legen den Schwerpunkt auf die angewandte Sozialpsychologie, die in den letzten Jahrzehnten einen großen Aufschwung genommen hat, der mit der Gründung der Zeitschrift Journal of Applied Social Psychology 1971 begonnen hat, die im Jahre 2020 im 50. Jahrgang erschienen ist. Inzwischen gibt es weitere Zeitschriften in der Sozialpsychologie, die auf Anwendung fokussiert sind, wie das Journal of Community & Applied Social Psychology (seit 1991, 2020 Jahrgang 30). Das verweist auf die große Forschungstätigkeit in diesem Bereich und das breite Interesse in Psychologie, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Kultur- und Gemeindewissenschaften an den Ergebnissen. Wir verwenden folgende Definition der angewandten Sozialpsychologie von Bierhoff und Auhagen (2003), die auf verschiedenen Definitionsvorschläge der angewandten Psychologie/angewandten Sozialpsychologie aufbaut (vgl. Bierhoff & Herner, 2002; Feger & von Hecker, 1999; Kleinbeck, 1992; Haisch, 1983; Graf Hoyos, 2000; Lösel, 1987; von Rosenstiel, 1994). Definition Angewandte Sozialpsychologie kann als Teilbereich der Sozialpsychologie verstanden werden. Sie vermittelt Veränderungs- und Optimierungswissen mit Hilfe eines Wechselspiels verschiedener Strategien zwischen Forschung und Praxis im Feld sozialer Gegebenheiten. Das soziale Feld lässt sich aufspannen durch eine individuumbezogene Ebene, eine interaktionsbezogene Ebene und eine Ebene sozialer Strukturen. Angewandte Sozialpsychologie setzt sich zusammen aus Kommunikation und Interaktion sowie Praxisfeldern, in denen die sozialen Aspekte das vorrangige Thema sind (nach Bierhoff & Auhagen, 2003, S. 5). Ein zentraler Bestandteil der Definition ist der Verweis auf Veränderungs- und Optimierungswissen. Ausgangspunkt ist ein unerwünschter Tatbestand, der verändert werden soll. Einerseits geht es darum, bestimmte Einstellungen, Verhaltensweisen oder Emotionen in eine wünschenswerte Richtung zu verschieben. Die Anwendung der Sozialpsychologie bezweckt bei Vorliegen unerwünschter Tatbestände eine Verbesserung dieser Gegebenheiten (also positive Veränderung im Sinne einer Problemlösung) und eine Optimierung der vorhandenen Alltagspraxis durch Ausschaltung von störenden Einflüssen (beispielsweise durch Beseitigung von Stereotypen und Vorurteilen) und durch Nutzung psychologischen Wissens. Die Betonung von Veränderungs- und Optimierungswissen in der angewandten Sozialpsychologie verdeutlicht, dass sie nicht nur eine Zusammenfassung der Erkenntnisse der Sozialpsychologie darstellt. Vielmehr beinhaltet sie auch genuines Wissen über Veränderungs- und Optimierungsprozesse, das für den Erfolg der angewandten Problemlösungen in der Praxis ausschlaggebend ist. Die Durchführung der Anwendung beruht auf eigenen prozeduralen Grundlagen und Empfehlungen (Buunk et al., 2021), die im Folgenden skizzenartig beschrieben werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass angewandte Sozialpsychologie sinnvollerweise von praktischer Sozialpsychologie abgegrenzt wird. Letztere beinhaltet die Überwindung von sozialen Konflikten und sozialen Dilemmata sowie die Schaffung von Bedingungen für eine harmonische Kooperation in einer Vielzahl von Alltagsfeldern durch ausgebildete Expertinnen und Experten, die über sozialpsychologisches Hintergrundwissen verfügen. Erstere ist demgegenüber auf einer Metaebene angesiedelt, auf der Veränderungs- und Optimierungswissen gewonnen und zur Verfügung gestellt wird. Was ist angewandte Sozialpsychologie? Diese Frage lässt sich in zweifacher Hinsicht beantworten. Zum einen kann es darum gehen, das Wissen über die Anwendung der Forschung in unterschiedlichen Problemfeldern der realen Welt zu strukturieren und zusammenzufassen. Das Standardwerk »Fields of Applied Psychology« von Anne Anastasi (1964) folgt diesem Ansatz. Dabei kommt es darauf an, Schwerpunkte zu bilden, die den aktuellen Forschungstrends und Fragestellungen entsprechen. Beispiele sind etwa das menschliche Verhalten unter Berücksichtigung seiner Auswirkungen auf die Umwelt, die Bewältigung von sozialen Konflikten oder die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Wohlbefinden der Nutzer. Diese Vorgehensweise entspricht dem Ansatz, der diesem Buchprojekt zugrunde liegt. Sie stellt aktuelle Erkenntnisse bereit, um Lösungsvorschläge für angewandte Fragestellungen zu generieren. Zum anderen kann systematisiert werden, wie die Anwendung der Sozialpsychologie auf bestimmte Problemfelder durchgeführt wird, indem verschiedene Phasen des Vorgehens unterschieden werden und in einem Ablaufmodell (von dem Problem bis zu seiner Lösung) zusammengefasst werden. In diesem Kontext geht es um die Generierung von allgemeinen Empfehlungen für eine erfolgreiche Anwendung, wie sie von den niederländischen Kollegen Bram Buunk und Mark van Vugt vorgestellt (2008) und von Bram Buunk, Pieternel Dijkstra und Mark van Vugt (2021) weiterentwickelt wurde. Diese Perspektive wird im folgenden Teil dieses Kapitels kurz skizziert, um den Anwendungsprozess zu konkretisieren. 1.2 Wie lässt sich der Weg von einem Problem zu seiner Lösung aus methodischer Sicht gestalten?
Buunk et al. (2021) unterscheiden in ihrem Ablaufmodell fünf Phasen des Anwendungsprozesses: Problem, Analyse, Test, Hilfe und Erfolg. Unter Zugrundelegung der englischen Begriffe für diese Phasen (problem, analysis, test, help, success) wird dieser Ansatz als PATHS-Methode bezeichnet. Die fünf Phasen werden im Folgenden im Einzelnen diskutiert. 1.2.1 Phase 1 des Anwendungsprozesses: Problem
Die erste Phase umfasst die Problemdefinition. Darunter fallen Antworten auf verschiedene grundsätzliche Fragen: (1) Was ist das Problem? (2) Warum ist es ein Problem? (3) Für wen ist es ein Problem? (4) Was sind die möglichen Ursachen für das Problem. (5) Welche Gruppen sind die Zielgruppen einer möglichen Intervention? (6) Was sind die Schlüsselmerkmale des Problems? · Zu (1): Es kommt darauf an, das Problem als konkrete Fragestellung zu beschreiben (nicht als allgemeine wissenschaftliche Fragestellung) und möglichst viele Facetten des Problems im Detail zu berücksichtigen. · Zu (2): Der Ursprung des Problems wird abgeleitet und verschiedene Auswirkungen des Problems werden unterschieden. Die Herleitung des Problemursprungs verwendet häufig eine historisch-politische Betrachtungsweise. Nehmen wir als Beispiel eine Auseinandersetzung zwischen Verwaltung und Bürgerinitiativen um die Einhaltung von Umweltstandards bei einem Bauprojekt zur Errichtung von Stromtrassen. Es kann z. B. sein, dass die Verwaltung nur über unzureichendes Fachwissen über die Folgen der Errichtung von Stromtrassen in bewohnten Regionen und alternative Möglichkeiten der Planung verfügt. Tatsächlich wird die Lösung vieler Konflikte durch Vorannahmen und Vorurteile erschwert, die von beteiligten Konfliktparteien vertreten werden. · Zu (3): Diese Fragestellung verweist auf konkurrierende Interessen, deren Existenz viele Probleme auszeichnen. Es geht darum, wer das Problem verursacht hat, wer darunter leidet und wer aus seinem Bestehen Vorteile ableitet. Sind die Interessen der beteiligten Parteien kompatibel oder im Widerspruch zueinander? Bei mehreren Parteien kann...


Dr. Phillip Ozimek, Leiter des FURIOSA Projektes zur Entwicklung von Selbsttests für Studieninteressierte an der FernUniversität in Hagen, ist Sozial- und Medienpsychologe und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für positiv-psychologische Forschung. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Selbstregulation, Soziale Medien, Soziale Vergleiche und psychisches Wohlbefinden.
Prof. Dr. Hans-Werner Bierhoff, von 1992 bis 2014 Lehrstuhlinhaber für Sozialpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. 2002 bis 2004 Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). 2005-2013 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Leibniz-Zentrums für Psychologische Information und Dokumentation. Die Arbeitsschwerpunkte umfassen prosoziales Verhalten, Narzissmus, soziale Medien und Sozialpsychologie der Partnerschaft.
PD Dr. Elke Rohmann ist in der Forschung und Lehre an der Arbeitseinheit Sozialpsychologie der Fakultät für Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum tätig und Psychologische Psychotherapeutin. Ihre Arbeitsschwerpunkte in der Forschung sind die Themen Sozialpsychologie der Partnerschaft, Narzissmus, soziale Medien, Gerechtigkeit und prosoziales Verhalten. Sie ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für positiv-psychologische Forschung (DGPPF), der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (dgvt) und der Milton H. Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose (M.E.G.).
Dr. Stephanie Hanke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Psychologie der FernUniversität in Hagen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Narzissmus, Materialismus sowie Selbstregulation.



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