Paetzold | Ernst Cassirer zur Einführung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 151 Seiten

Reihe: zur Einführung

Paetzold Ernst Cassirer zur Einführung


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-96060-025-1
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 151 Seiten

Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-025-1
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ernst Cassirer (1874-1945) hat die strategischen Grundsatzdebatten der Philosophie in den letzten Jahrzehnten der Moderne wie wenige andere geprägt. Bekannt geworden ist Cassirer, der den Neukantianismus um den Ansatz der Kulturwissenschaft erweiterte und schließlich zu einer übergreifenden Philosophie der Kultur gelangte, insbesondere durch seine »Philosophie der symbolischen Formen«. Alle menschliche Erfahrung, die sich in Sprache, Mythos, Religion, Kunst und Wissenschaft niederschlägt, ist symbolisch geformt. Zwischen Ich und Welt vermitteln Formen des Sinns. Den Grundgedanken und das Lebenswerk Cassirers stellt diese Einführung verständlich und in lesefreundlicher Kürze dar.
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1. Wer war Ernst Cassirer?
2. Cassirers philosophische Anfänge im Marburger Neukantianismus
3. Von der Erkenntnistheorie zur Kulturphilosophie
4. Die Systematik der Philosophie der symbolischen Formen
5. Mythos und Sprache als symbolische Formen
6. Von der Kulturphilosophie zur Anthropologie
7. Kunst als symbolische Form
8. Von der Kulturanthropologie zur Sozialphilosophie
9. Die Physiognomie der Kulturphilosophie Ernst Cassirers
10. Der ganze Cassirer soll es sein. Aspekte der zeitgenössischen Cassirer-Forschung


1. Wer war Ernst Cassirer?
Hätte man im Jahre 1915 philosophisch Interessierte in Deutschland nach Ernst Cassirer gefragt, so wäre die Antwort wahrscheinlich gewesen: Cassirer, das ist ein Erkenntnistheoretiker. War doch Ernst Cassirer der Autor des Buches Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen (1902) sowie eines zweibändigen Werkes zur neuzeitlichen Erkenntnistheorie (Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, 1906/07). Namentlich bei dem zuletzt genannten Werk handelt es sich um ein damals neues Genre der Philosophie, die Problemgeschichte. Galilei, Descartes, Leibniz und Kant sind die Heroen. Zu deren Erkenntnistheorien gibt es allerdings eine verwickelte Vorgeschichte, welche Autoren wie Cusanus, Bacon, Hobbes, Locke, Hume, Berkeley, Spinoza, Lambert und viele andere umfasst. Mit seinem im Jahre 1910 veröffentlichten Buch Substanzbegriff und Funktionsbegriff hat derselbe Autor Cassirer in die damaligen Debatten über den Sinn und die Tragweite der wissenschaftlichen Erkenntnis eingegriffen. Wolle man die treibende Dynamik und die innere Konstellation der zeitgenössischen Erkenntnisproblematik innerhalb der Naturwissenschaften begreifen, so müsse man davon ausgehen, dass die wissenschaftlichen Begriffe keine Wesensbegriffe mehr seien, mithilfe deren die Phänomene »substanziell« definiert und erklärt würden. Wissenschaftliche Begriffe träten vielmehr zu »Feldern« oder »Reihen« zusammen, und nur darin erfüllten sie eine produktive Funktion. Für eine erste Erläuterung dieses Punktes ist der von Cassirer selbst erörterte Begriff der Energie anzuführen: In der physikalischen Theorie empfiehlt sich der Begriff der Energie aus drei Gründen. (Vgl. SuF, 250ff.) Zunächst einmal ist Energie nicht als eine dingliche Qualität zu verstehen. Sie ist etwas Wirksames, das selbst unsichtbar bleibt. Außerdem eignet sich der Begriff der Energie vorzüglich zu einer mathematisch-numerischen Darstellung. Energie kann man in Quanten ausdrücken. Schließlich erlaubt es der Begriff der Energie, verschiedene Bereiche der physikalischen Welt, wie Kraft, Wärme und Bewegung, miteinander zu verknüpfen. Die Energie tritt nicht als Sonderexistenz in Erscheinung, wie das Licht oder die Elektrizität, sondern sie drückt lediglich einen funktionalen Zusammenhang zwischen den Phänomenen aus.1 Hätte jemand sich zu Beginn des Jahres 1933, also fast zwanzig Jahre später, nach dem Autor Ernst Cassirer erkundigt, so wäre er auf dessen in den Zwanzigerjahren publiziertes dreibändiges Werk Philosophie der symbolischen Formen verwiesen worden (Erster Teil: Die Sprache, 1923; Zweiter Teil: Das mythische Denken, 1925; Dritter Teil: Phänomenologie der Erkenntnis, 1929). Mit dieser Arbeit war der Erkenntnistheoretiker Cassirer zum Kulturphilosophen geworden. Damit nahm Cassirer Anteil an der Formung eines damals neuen Genres der Philosophie: der Kulturphilosophie. Die wissenschaftliche Erkenntnis war nicht länger der einzige Fokus der Philosophie, neben ihn traten die Sprache sowie der Mythos als Formen, in denen sich eine kulturelle Spontaneität und Aktivität des menschlichen Geistes bekundet. Außerdem machte Cassirer deutlich, dass das wissenschaftliche Erkennen in alltäglichen Formen der Deutung der objektiven, der intersubjektiven und der inneren subjektiven Welt gründet. Geblieben war Cassirers Interesse für die innere »Logik« der menschlichen Erfahrung. Aber es gibt nicht nur die eine »Logik« der wissenschaftlichen Erfahrung, ihr tritt vielmehr eine Logik des sprachlichen, des mythischen und des alltäglichen Weltverstehens zur Seite. Mit seiner Philosophie der symbolischen Formen verschaffte sich Cassirer schnell eine auch internationale Resonanz und Reputation. 1933 wurde der liberale jüdische Kulturphilosoph von den nationalsozialistischen Machthabern in Deutschland gezwungen, sein Herkunftsland zu verlassen. England zunächst und dann Schweden gewährten dem von Verfolgung bedrohten Gelehrten Aufenthaltsrecht und verschafften ihm akademische Arbeitsmöglichkeiten. Es spricht für die geistige Assimilationsbereitschaft Cassirers, dass er mit Axel Hägerström. Eine Studie zur Schwedischen Philosophie der Gegenwart (1939) nicht nur seiner Kulturphilosophie ein sozialphilosophisches Profil verlieh, sondern dass seine Studie auch ein Zeugnis der intellektuellen Auseinandersetzung mit der philosophischen Mentalität des Gastlandes bietet. Zweifellos hat das noch im Ausgang der Weimarer Republik verfasste Werk Die Platonische Renaissance in England und die Schule von Cambridge (1932) seinem Autor Cassirer die Berufung an die Universität Oxford eingetragen. Hätte man wiederum zu Beginn des Jahres 1945 – der vor dem Holocaust geflohene Cassirer, der 1939 die schwedische Staatsbürgerschaft erhalten hatte2, war im Jahr 1941 in die USA gelangt – in der englischsprachigen Welt den Namen Cassirer genannt, dann wäre man zweifellos belehrt worden, dass es sich um einen kulturanthropologischen Autor handle. Dieser hatte in seinem amerikanischen Exil ein Buch publiziert, das nach dem Erkenntnistheoretiker und Kulturphilosophen Cassirer eine dritte Identität signalisierte: zeichnet doch An Essay on Man aus dem Jahre 1944 eine Wende zur Anthropologie aus. Die berühmte Formel des Aristoteles, der zufolge der Mensch ein »animal rationale« sei, müsse neu gefasst werden. Der Mensch sei eher das »animal symbolicum« (VM, 51) – ein Wesen, das sich seine Identität in der Welt durch den Gebrauch von Symbolen verschaffe. Die symbolische Ideation sei die grundlegende Aktivität der Menschen. Das Buch The Myth of the State, das, 1944 konzipiert, erst im Jahr 1946 posthum publiziert wurde und langjährige Studien zu diesem Thema zusammenfasst3, ist Cassirers philosophische Verarbeitung des nationalsozialistischen Holocaust. Es gebe nicht nur einen gewissermaßen legitimen Umgang mit den mythischen Energien der menschlichen Erfahrung in Religion und Kunst. Die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts – allen voran der deutsche Faschismus – machten einen illegitimen, aber darum doch äußerst wirkungsvollen Gebrauch vom Mythischen. Die totalitären Machthaber setzten den Mythos zu den Zwecken einer affektiven und mentalen Gleichschaltung der Menschen strategisch ein. Mit den Mitteln der modernen Kommunikationstechnologien (Radio, Zeitung) erzeugten die totalitären »Herren« Mythen. Diese hätten den praktischen sozialen Sinn, eine durch ökonomische, politische und soziale Krisen verunsicherte Gesellschaft totalitär zur Volksgemeinschaft zusammenzuschweißen. Die intellektuelle Physiognomie Ernst Cassirers bliebe ohne die nötige Kontur, ließe man außer Acht, dass es diesem Autor nicht zuletzt auch um die Ursprünge der kulturellen Moderne ging. Das Buch Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance (1927) porträtiert die Epoche der europäischen Renaissance. Es handelt sich um eine kulturphilosophische Deutung der Ursprünge der Moderne. Nicht nur das wissenschaftliche Profil dieser Epoche, sondern darüber hinaus ihr religiöses, soziales, künstlerisches und politisches Antlitz tritt hervor. Schon 1916, also noch vor der Ausarbeitung seiner Philosophie der symbolischen Formen, hatte Cassirer Studien zur deutschen Entwicklungslinie der kulturellen Moderne veröffentlicht: Freiheit und Form – so der Titel des Werkes – ging der Entfaltung der neuzeitlichen Ästhetik, der Entstehung der modernen Staatskonzeption und modernen Literatur nach. Obwohl Cassirer einen spezifisch deutschen Entwicklungspfad verfolgte, deutete er diesen doch nicht als einen privilegierten, wie deutschtümelnde Ideologen des imperialistischen Deutschland damals suggerierten.4 Ergänzend zeichnet die Studie Die Platonische Renaissance in England und die Schule von Cambridge (1932) kulturelle Modernisierungsschübe auf der britischen Insel nach. Das von Cassirer selbst am meisten geschätzte Buch war indessen dem 18. Jahrhundert gewidmet: Die Philosophie der Aufklärung (1932). Der Titel ist gewissermaßen Programm: Das Werk befasst sich mit der sozialen und kulturellen Wirkung bzw. Wirksamkeit der Philosophie. Schon diese kurze Skizze zeigt: Das philosophische Œuvre Ernst Cassirers zu verstehen heißt, interne Transformationen seiner Philosophie zu begreifen. Es bedeutet einzusehen, dass die Erkenntnistheorie sich zur Kulturphilosophie entwickelt. Die Kulturphilosophie indessen verwandelt sich in Anthropologie. Die Anthropologie schließlich ist nur als sozialphilosophisch informierte politische Philosophie möglich. Scheut man ein wenig Pathos nicht, so kann man sagen: Cassirers philosophisches Werk ist das Zeugnis der Odyssee eines jüdischen Intellektuellen deutscher Herkunft im Ausgang des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. War doch der am 28. Juli des Jahres 1874 geborene und am 13. April 1945 verstorbene Ernst Cassirer Zeuge zweier Weltkriege. Seine Lebensspanne umfasst gewaltige soziale und politische Umwälzungen und Revolutionen....


Heinz Paetzold war bis 2007 Professor für Kommunikationstheorie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg und lehrt Philosophie an der Universität Kassel.



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