Panagiotopoulos | Das minoische Kreta | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 312 Seiten

Panagiotopoulos Das minoische Kreta

Abriss einer bronzezeitlichen Inselkultur
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-17-025013-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Abriss einer bronzezeitlichen Inselkultur

E-Book, Deutsch, 312 Seiten

ISBN: 978-3-17-025013-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



It was on the island of Crete that the first advanced civilization on European soil emerged, around 2000 BCE & a fact that is still astonishing for modern observers and poses numerous puzzles for scholarship. The Minoans built monumental palaces in a region that was threatened by earthquakes, developed various writing systems, decorated their rooms with magnificent murals, promoted arts and crafts, and dominated the Aegean Sea with their ships. This book presents the success story of this island people, their social structure and their formative influence on the Mediterranean world, providing not only a very up-to-date academic textbook for students, but also an exciting read for discerning laypersons and lovers of Crete.
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Einleitung
      »Kreta ist etwas anderes. Kreta ist eine Wiege, ein Instrument, ein vibrierendes Reagenzglas, in welchem ein vulkanisches Experiment durchgeführt wurde. Kreta vermag den Geist zum Schweigen zu bringen, den Aufruhr der Gedanken zu stillen.« (Henry Miller)1 Kreta, am Südostende Europas gelegen, war die Wiege einer antiken Hochkultur, die den unvoreingenommenen Betrachter mit Staunen erfüllt. Auf der gebirgigen Insel entwickelte sich eine bronzezeitliche Gesellschaft, die auf den ersten Blick ganz anders erscheint als ihre zeitgleichen Kulturen in Ägypten und dem Vorderen Orient. Dieses Volk hat man – nach dem Namen ihres legendären Königs Minos – als ›Minoer‹ bezeichnet, doch in Wahrheit wissen wir nicht, wie sie sich selbst nannten, da die spärlichen schriftlichen Zeugnisse eine Entzifferung ihrer Schrift bisher nicht ermöglichten. Wir kennen lediglich die ägyptische Bezeichnung für die Minoer, nämlich ›Keftiu‹, die eine auffällige lautliche Entsprechung zu ›Kaphtor‹, dem biblischen Namen für die Insel, zeigt. Es ist allerdings völlig ungewiss, ob dieses Ethnikon von der minoischen Eigenbezeichnung übernommen wurde. Die minoische Kultur bleibt daher anonym und in gewisser Weise geschichtslos: Wir kennen keine Königs- oder Beamtennamen, keine historischen Ereignisse, nicht einmal die Namen der Götter und die konkrete Bedeutung der großen religiösen Feste. Die Spuren dieser Gesellschaft allerdings, die wir archäologisch fassen und mit großer Anstrengung – und kreativer Fantasie – rekonstruieren können, reichen aus, um Staunen hervorzurufen. Wie ist es möglich, dass sich auf dieser Mittelmeerinsel eine Kultur mit einem kosmopolitischen Flair entwickelte, das den modernen Menschen viel mehr anspricht als die eindrucksvolle Dominanz von Göttern und Herrschern in Ägypten und Mesopotamien? Wie lässt sich der mondäne Charakter dieser Gesellschaft überhaupt begreifen? Wie gelang es ihr, die geografische Lage ihres Territoriums und dessen natürliche Ressourcen effektiver als jede andere Kultur in den nachfolgenden Perioden zu nutzen, große Baukomplexe auf erdbebengefährdetem Land zu errichten, ein anspruchsvolles administratives System aufzubauen und zeitlose Meisterwerke zu schaffen? Es sind Fragen über Fragen, die gleichermaßen Laien und Spezialisten bewegen. Auf der Suche nach Antworten stößt man auf mehrere Hindernisse, die vor allem aus einer lückenhaften Überlieferung resultieren. Ohne lesbare Texte wird jeder Versuch, eine vormoderne Kultur zu verstehen, zu einem sehr schwierigen Unterfangen. Der aufmerksame Besucher in Knossos stellt schnell fest, dass der Palast, den er voller Erwartungen betritt, in großen Teilen ein moderner Zementbau ist. Es fällt einem sehr schwer, die schlecht erhaltene originale Bausubstanz dieses Gebäudes unter den rigoros mit Zement ergänzten Räumen, Treppen und Säulen zu entdecken. Man muss erst die anderen Paläste besuchen, um echte minoische Ruinen sehen zu können. Im Heraklion-Museum ist unübersehbar, dass die meisten Wandmalereien sehr schlecht erhalten und größtenteils ergänzt sind. Die vollständig erhaltenen Meisterwerke der minoischen Kultur sind meistens Objekte in kleinem Format: Siegel, Siegelringe, Schmuck, Statuetten und Möbeleinlagen. Ein großer Teil der archäologischen Fakten bezieht sich eben auf solche Miniaturarbeiten. Trotz oder gerade wegen der vielen Interpretationsprobleme und offenen Fragen hat diese Inselkultur heute, über ein Jahrhundert nach ihrer Entdeckung, kaum an Attraktivität eingebüßt. Populärwissenschaftliche Bücher erzählen spannende Geschichten, die allerdings größtenteils auf späteren Mythen oder überholten Forschungsmeinungen beruhen. Die fachwissenschaftliche Literatur steht all diesen Mythen und Theorien heute sehr skeptisch gegenüber, kann allerdings an ihrer Stelle aufgrund der sehr fragmentarisch erhaltenen Quellen keine besseren Geschichten erzählen, die sich auf Fakten stützen. Welchen Sinn kann dann ein neues Handbuch zur minoischen Kultur haben? Die Archäologie ist keine exakte Wissenschaft und kann daher keine definitiven Antworten liefern, geschweige denn etwas beweisen. Die Hauptaufgabe der Archäologen besteht eigentlich nicht darin, Antworten zu geben, sondern die richtigen Fragen an das Untersuchungsmaterial zu stellen und dadurch die wissenschaftliche Diskussion ständig voranzubringen; eine Diskussion, die zeigt, wie komplex und vielfältig die historische Realität war. Daher möchte ich den Lesern dieses Buches keine Antworten liefern, sondern all das, was wir über das minoische Kreta wissen oder zu wissen glauben, nicht als Wissensstand, sondern als Wissensprozess schildern. Im Fokus dieser Herangehensweise werden daher keine Rätsellösungen, sondern die großen Fragen und Probleme stehen, welche die Archäologen seit über einem Jahrhundert bewegen sowie ihre unermüdlichen Bemühungen, sie zu beleuchten. Die Gliederung dieser Synthese der minoischen Kultur beginnt auf ganz traditionelle Weise mit einem forschungsgeschichtlichen Überblick, der nicht nur die Geschichte der archäologischen Forschung in ihren wesentlichen Zügen zusammenfasst, sondern auch die modernen ›Mythen‹ über die Minoer den archäologischen Fakten gegenüberstellt (Kap. 1). Die drei anschließenden Kapitel befassen sich mit den Hauptparametern der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der minoischen Kultur, nämlich dem Chronologie-System der kretischen Bronzezeit (Kap. 2), der Insel als Lebensraum (Kap. 3) und den wichtigsten Etappen der kulturellen Entwicklung (Kap. 4). Gerüstet mit diesen grundlegenden Informationen kann sich dann der Leser dem zweiten Teil des Buches widmen, der einen anatomischen Blick auf die minoische Kultur ermöglicht. Dieser Teil weicht vom üblichen Schema vieler Handbücher ab, deren Kapitel einzelnen Gattungen der materiellen Hinterlassenschaften oder Aspekten einer Kultur, wie Architektur, Keramik, Kleinkunst, Schmuck sowie soziale Struktur, Religion, Wirtschaft und Handel gewidmet sind. Stattdessen wird hier einer Gliederung gefolgt, welche dem spezifischen Charakter der minoischen Gesellschaft angepasst ist und darüber hinaus nicht den abstrakten Begriff ›Kultur‹, sondern die Menschen als Akteure in den Vordergrund stellt. Dieser Überblick beginnt mit dem ›Herz‹ der minoischen Gesellschaft, nämlich dem Palast als imposantem Gebäude und Kern des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Geschehens (Kap. 5). Hieran schließt sich das an, was die minoische Kultur aus diachroner (d. h. ihrer gesamten historischen Entwicklung umfassenden) Sicht von allen anderen Kulturgruppen oder Mächten der Inselgeschichte unterscheidet, nämlich die Erschließung der Landschaft, welche als eine der größten Leistungen dieser bronzezeitlichen Gesellschaft betrachtet werden kann (Kap. 6). Die nächsten beiden Kapitel nehmen das Individuum in den Fokus der Auseinandersetzung mit den archäologischen Quellen und bemühen sich, die Menschen (Kap. 7), ihren gebauten Lebensraum (Kap. 8) sowie ihre Interaktion mit Dingen (Kap. 9) zu erfassen. Die letzten Kapitel sind den sozialen Praktiken gewidmet, die sich auf der Grundlage der archäologischen, ikonografischen und – spärlichen – schriftlichen Evidenz rekonstruieren lassen. Sie umfassen die Medien der symbolischen Kommunikation (Kap. 10), die Alltagswelten (Kap. 11), das Außeralltägliche (Zeremonien und Feste, Kap. 12), den Tod als prägende kollektive Erfahrung und zugleich archäologische ›Goldgrube‹ für die Rekonstruktion einer prähistorischen Gesellschaft (Kap. 13), und schließlich die Minoer in ihren vielfältigen Beziehungen zu anderen Kulturen (Kap. 14). In all diesen Fällen geht jede Betrachtung von den stummen archäologischen Zeugnissen (Architektur und Artefakte) aus. Dennoch strebt dieser Ansatz nicht danach, sich auf die Ebene der materiellen Zeugnisse zu beschränken, sondern sie als Quellen zu benutzen, um letztendlich die Individuen zu fassen und ihre Handlungsräume sowie Praktiken zu rekonstruieren. Durch diese Gliederung, die von den Quellen selbst determiniert ist, verfolgt das vorliegende Handbuch ein doppeltes Ziel: Es soll zum einen eine Einführung in die minoische Kultur bieten, die sowohl interessierte Laien als auch Studierende und hoffentlich auch Archäologen mit Gewinn lesen können. Die Absicht, einen Text zu schreiben, der sowohl an die Fachgemeinschaft als auch an die breite Öffentlichkeit adressiert ist, stellt sicherlich ein schwieriges Unterfangen dar, doch erscheint sie mir unumgänglich. In einer Zeit, in der die Archäologie und andere Altertumswissenschaften ihren Existenzgrund und ihre Bedeutung für...


Prof. Dr. Diamantis Panagiotopoulos teaches Classical Archaeology at the University of Heidelberg.



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