Pattery S. J. | Gandhi als Glaubender | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 240 Seiten

Reihe: Sonderausgabe edition pace

Pattery S. J. Gandhi als Glaubender

Eine indisch-christliche Sichtweise
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7557-0360-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine indisch-christliche Sichtweise

E-Book, Deutsch, Band 1, 240 Seiten

Reihe: Sonderausgabe edition pace

ISBN: 978-3-7557-0360-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



George Pattery, bis 2020 Präsident der Süd-Asiatischen Jesuitenprovinzen, schreibt über seine hier vorgelegte Studie: "Sehr oft wird die religiöse Dimension Gandhis für selbstverständlich gehalten oder ausgeklammert. Wir behaupten in diesem Buch, dass der Schlüssel zum Verständnis Gandhis gerade in seiner Religiosität liegt." Mahatma Gandhi war der Erste, der aktive Gewaltfreiheit als Handlungsprinzip für das politische und gesellschaftliche Feld erschlossen hat. Sein Lebenswerk eröffnet neue Zugänge zur Bergpredigt Jesu und zur Kreuzestheologie. Es hat herausragende Persönlichkeiten wie Martin Luther King und Nelson Mandela inspiriert. Die Auseinandersetzung mit den Ideen und Erfahrungen Gandhis ist in Europa insgesamt nicht sehr stark, innerhalb der Kirchen lässt sie sich fast nicht nachweisen. Im Kontext der europäischen Theologie wird seit den Reiseplänen von Dietrich Bonhoeffer Anfang der 1930er Jahre kaum noch nach Indien geschaut. Mit diesem Buch liegt erstmals in deutscher Übersetzung eine relevante katholisch-theologische Arbeit aus dem indischen Diskurs über Gandhi vor, die seine Praxis der aktiven Gewaltfreiheit in ihren religiösen und philosophischen Hintergründen aufschlüsselt. Bedeutung gewinnt diese Stimme auch angesichts des Aufrufs von Papst Franziskus zur aktiven Gewaltfreiheit als christlichem Lebensstil. Von wem sollte man eine solche Handlungsperspektive besser lernen können als von Mahatma Gandhi? "Wenn wir die Perspektive der Gewaltfreiheit einnehmen, können wir den anderen in tiefstem Mitgefühl und wahrer Offenheit erreichen, und wir können den/die anderen jenseits der Entfremdung erkennen." Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler Herausgegeben von Klaus Hagedorn & Thomas Nauerth (edition pace)

George Pattery S.J. war bis 2020 Präsident der Süd-Asiatischen Jesuitenprovinzen mit der Zuständigkeit für die Jesuiten in Indien, Sri Lanka, Nepal, Bangladesch, Bhutan, Pakistan und Afghanistan. Er schloss 1990 sein Promotionsstudium an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom mit einer Arbeit über den Zentralbegriff der Lehre Gandhis: "Satyagraha", ab. Er war Dozent an der Central Government University of Visva-Bharati in Santiniketan/Kalkutta (von Rabindranath Tagore gegründet), wirkte danach als Gastdozent an verschiedenen Hochschulen, zuletzt als Assoziierter Professor am Vidyajyoti-College in Neu Dehli. Seit 2021 lebt er im St. Xavier's College in Kalkutta, seiner Jesuitenprovinz.

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Einführung
Am 1. Februar 1986 legte Papst Johannes Paul II. während seines zehntägigen Indienbesuchs einen Kranz am Samadhi Mahatma Gandhis nieder und grüßte ihn als den „Apostel der Gewaltfreiheit“ und den „Helden der Menschheit“.17 Das geschah trotz der Tatsache, dass Mahatma Gandhi im Dezember 1931 bei seinem Besuch des Vatikans vom damaligen Papst ein Gespräch verweigert worden war.18 Winston Churchill nannte am Beginn seiner parlamentarischen Karriere als Konservativer Gandhis Kampagne verächtlich „pantomimisches Märtyrertum“19 und verspottete ihn als „aufrührerischen Fakir, der halbnackt die Stufen zum Palast des Vizekönigs erklimmt“.20 Albert Einstein dagegen sagte: „Es kann sein, dass künftige Generationen kaum werden glauben können, dass ein Mann wie dieser jemals in Fleisch und Blut auf dieser Erde wandelte.“21 Gandhi weckte sehr unterschiedliche Reaktionen in den Menschen. Der altmarxistische Theoretiker E.M.S. Namboodiripad behauptet, Gandhi habe sich „vor den Armen auf dem Lande“ gefürchtet und selbst zur Bourgeoisie gehört.22 Der schwedische Wirtschaftswissenschaftler Gunnar Myrdal sagte, Gandhi stehe „unleugbar auf der Seite der Armen und Unterdrückten“ und seine das flache Land betreffenden Ideen „erwiesen sich als weniger irrational, als sie zunächst erschienen“.23 Von seinem Einfluss sagte ein eingeschworener Agnostiker wie Nehru am 2. Februar 1948: In den Zeitaltern, die Jahrhunderte und vielleicht Jahrtausende nach uns kommen, werden die Menschen an die Generation denken, als dieser Mann Gottes auf der Erde weilte, und sie werden an uns denken, an uns, die wir, so klein wir auch waren, seinem Pfad folgen durften und die wahrscheinlich denselben heiligen Boden betraten, auf den er seine Füße gesetzt hat. Lasst uns seiner wert sein, lasst es uns immer sein.24 Die Dalits im heutigen Indien dagegen halten Gandhi für verantwortlich für ihre Notlage und dafür, dass das Kastensystem beibehalten wurde. Diese unterschiedlichen und sogar einander widersprechenden Sichtweisen auf Gandhi fordern uns dazu heraus, einen neuen Blick auf das Phänomen Gandhi zu werfen. Sehr oft wird die religiöse Dimension Gandhis für selbstverständlich gehalten oder ausgeklammert. Wir behaupten in diesem Buch, dass der Schlüssel zum Verständnis Gandhis eben in seiner Religiosität liegt. 0.1. Der Ansatz Gandhi – seine Person, die Bewegungen, die er in Gang brachte, und seine Lehren – fesselt unsere Aufmerksamkeit, auch wenn wir nicht immer ganz und gar mit ihm übereinstimmen. In Gandhi finden wir Einfachheit und zugleich einen gewissen Adel, Tollkühnheit und zugleich tiefes Mitgefühl, Weltlichkeit und zugleich ein sicheres Gefühl der Heiligkeit. Der Bedeutungsüberschuss des Themas Gandhi kann eine Quelle der Inspiration und der Interpretation auch noch für unsere Zeit sein. Wir versuchen, das Thema Gandhi im Kontext der heutigen indischen Christen zu lesen. Das gehen wir an, indem wir erstens den Bedeutungsüberschuss des Textes aus einem verständnisvollen Lesen hervortreten lassen. Die Satyagraha–Religiosität mit ihrem dreifachen Rahmen von „Verwurzelung in der Wahrheit, Einssein mit dem Leben und einer sozialen Vision und Praxis“ ist offenbar aus einem ganzheitlichen Ansatz bei den sozio-politischen und religiösen Themen der Zeit hervorgetreten. Die Dynamik dieser Religiosität kann ein Licht auf Themen unserer Zeit werfen, auf Kommunalismus und Developmentalismus. Satyagraha hat einen geheiligten Charakter an sich, sie ersetzt nicht Religionen, sie weist das Säkulare nicht zurück. Sondern der pädagogische Wert der Satyagraha-Religiosität besteht in ihrem qualitativ verwandelnden Verständnis der religiösen und der säkularen Realitäten. Auf diese Weise vertieft sie unsere Auffassung von Religiosität und stellt durch ein verwandelndes Wissen und eine kommunikative Praxis unseren Glauben an die Säkularität infrage. 0.2. Soziokultureller Kontext des Themas Gandhi Die Bewegung, die Gandhi sowohl in Südafrika als auch in Indien ins Leben rief und erfolgreich leitete, ist von enormer soziopolitischer und kultureller Bedeutung. Wenn man ihre Nuancen und ihre Bedeutsamkeit für heute einschätzen will, ist ein Verständnis der alten indischen Kulturen und der sozio-ökonomischen Realitäten vor Gandhis Zeit notwendig. Die kulturellen und sozialen Wurzeln von Indiens Vergangenheit stellen den hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis Gandhis dar. Im Laufe der Jahre entwickelte Gandhi einen starken Glauben an Indiens uralte Weisheit. Während seiner Zeit in London (1888-1891) kam er in Kontakt mit der Vegetarischen Gesellschaft und der Theosophischen Gesellschaft. Die Erstere zog ihn durch ihren Ruf, zur Natur zurückzukehren, an und die zweite erregte sein Interesse an den alten Traditionen der Hindu-Religion und der kulturellen Vergangenheit Indiens.25 In seinen Jahren in Südafrika setzte er seine kulturelle und religiöse Suche durch regelmäßige Korrespondenz mit Freunden wie Rajchandra fort.26 In seinem Appell an die Natal Assembly in Südafrika und in seiner Broschüre The Indian Franchise: An Appeal to Every Briton in S.Africa (Dezember 1895) zollte Gandhi den Leistungen von Indiens Vergangenheit, besonders auf den Gebieten Religion, Kultur und Verwaltung, hohe Anerkennung.27 In Hind Swaraj (seinem 1909 geschriebenen politisch-religiösen Manifest) bemüht sich Gandhi, die indische Weisheit für die moderne Zeit zurückzugewinnen und wiederzubeleben. Die große Menge seiner späteren Schriften und Reden zwischen 1915 und 1948 zeigt, dass er sich rational auf die alte Weisheit bezieht, um seine Theorien und seine Praxis zu untermauern. Man braucht Gandhi keine Synthese verschiedener philosophischer Schulen oder Religionsgemeinschaften zuzuschreiben. Hin und wieder besteht Gandhi darauf, er sei weder Theoretiker noch Philosoph. Und doch ist bei ihm die deutliche Bemühung zu erkennen, die alten sozio-kulturellen Werte auf dem Hintergrund und angesichts des Bankrotts der damaligen westlichen Kultur wieder zu beleben. Es ist wichtig, dass wir Gandhis Versuch, Indiens (richtige oder falsche) Vergangenheit zu rekonstruieren, erkennen, wenn wir ihn verstehen wollen. Darum ist es notwendig, einige wesentliche Merkmale der indischen Kultur und die sozio-kulturellen Faktoren, die vor der Zeit Gandhis in Indien herrschten, aufzugreifen. 0.2.1. Die alten Traditionen Die Tatsache, dass es seit wenigstens dem 3. Jahrtausend v. Chr. innerhalb feststehender territorialer Grenzen eine reiche indische Kultur und Zivilisation gab (die Indus-Kultur), wird historisch weltweit anerkannt. Die arische Einwanderung fand wahrscheinlich zwischen 2000 und 1500 v.Chr. statt. Sie war ein kontinuierlicher Prozess, der sich über Jahrzehnte erstreckte.28 Dies scheint ein typischer Fall zu sein, der die These bestätigt: „Die Sieger übernehmen die Kultur der Besiegten.“ Schließlich schuf der gegenseitige Einfluss eine gemeinsame reiche indische Kultur, die wunderbare religiöse Traditionen und Schriften hervorbrachte.29 Diese gegenseitige Beeinflussung führte offenbar zu zwei fundamentalen religiösen und kulturellen Traditionen, nämlich der brahmanischen und der sramanischen. Die brahmanische Tradition, die hauptsächlich die Arier entwickelten, betonte den kultischen Aspekt der Religion. Rituale, Opfer und Priesterzunft haben größeren Einfluss auf das religiöse Leben der Menschen. Die Veden, darin die Brahmanas und die sogenannte rituelle Abteilung (Karmakanda) der Shruti-Literatur sind die Quellensammlungen dieses Teils des religiösen Denkens. Diese Tradition drückt mit der reichen Symbolik des vedischen Rituals die religiöse Intuition der Seher aus. Die sramanische Tradition gehörte wahrscheinlich zur indigenen indischen Kultur. Diese indigene Spiritualität betonte mehr die Einheit mit der Natur, Innerlichkeit und eine innere Haltung zu Gott und der Welt. Asketische und mystische Bestrebungen spielen eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung des Höchsten. Äußerliche Handlungen des Gottesdienstes haben auf dem Weg der Erkenntnis weniger oder nur symbolischen Wert. Ahimsa (Nichtverletzen) ist ein wichtiges Dogma der sramanischen Tradition. Durch die arische Einwanderung nach Indien und den Aufbau der brahmanischen Bewegung wurde die sramanische Tradition in den Hintergrund gedrängt. In einer späteren Epoche revoltierte die sramanische Tradition gegen den übertriebenen Ritualismus der brahmanischen Religion und das führte zu den drei mächtigen Strömungen, der upanischadischen, der buddhistischen und der Jain-Bewegung. Buddhismus und Jainismus lehnten die vedische Religion und die brahmanische Tradition ganz und gar ab und verwarfen sie. Sie brachen mit einer rituellen Haltung zur Religion und erfassten mit ganzem Herzen die sramanische Spiritualität. Die Upanischaden-Tradition andererseits verband in sich beide Traditionen. Hinduismus ist eine Mischung aus sowohl der...



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