Petermann / Jacobs Diagnostik von Rechenstörungen
2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2012
ISBN: 978-3-8409-2429-3
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 189 Seiten
Reihe: Kompendien Psychologische Diagnostik
ISBN: 978-3-8409-2429-3
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Ungefähr 6% aller Kinder leiden an einer Rechenstörung (Dyskalkulie). In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Verfahren zur psychologischen Diagnostik veröffentlicht, die erstmals – getrennt nach Individual- und Gruppentests – systematisch gegenübergestellt werden. In der Praxis hat sich ein mehrstufiger diagnostischer Prozess bewährt, der in diesem Band anhand von Fallbeispielen ausführlich erläutert wird. Im Rahmen der Diagnosestellung kommt neben der Erfassung der Rechenleistung vor allem der Abklärung neuropsychologischer Basisfunktionen und psychosozialer Folgen eine große Bedeutung zu.
Der Band gibt zunächst eine Übersicht über die Entwicklung der Zahlenverarbeitung und der Rechenfertigkeiten. Die Verbreitung, Ursachen und Subtypen der Dyskalkulie werden beschrieben. Aktuelle Rechentests (Individual- und Gruppentests) werden vorgestellt und kritisch bewertet. Davon ausgehend werden die verschiedenen Ebenen des diagnostischen Vorgehens erläutert. Diese Ebenen umfassen neben Anamnese und Basisdiagnostik von Rechenstörungen auch Schritte zur Abklärung von Komorbiditäten. Zwei ausführliche Fallbeispiele veranschaulichen den mehrstufigen diagnostischen Prozess. Der Band liefert damit einen fundierten und praxisnahen Leitfaden für eine differenzierte Diagnosestellung von Rechenstörungen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Pädagogik Teildisziplinen der Pädagogik Sonderpädagogik, Heilpädagogik Lernschwierigkeiten, Legasthenie, ADHS
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Entwicklungspsychologie Pädagogische Psychologie
- Sozialwissenschaften Pädagogik Pädagogik Pädagogische Psychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie Psychologische Diagnostik, Testpsychologie
Weitere Infos & Material
1;Vorwort der Herausgeber;7
2;Inhaltsverzeichnis;9
3;1 Einführung;13
3.1;1.1 Erscheinungsformen;13
3.2;1.2 Klassifikation und Diagnosekriterien;16
4;2 Theorien und Modelle der Zahlenverarbeitung und Rechenfertigkeiten;19
4.1;2.1 Zahlenverarbeitung durch semantische Transkodierung;19
4.2;2.2 Zahlenverarbeitung als semantische und asemantische Transkodierung;22
4.3;2.3 Zahlenverarbeitungsmodule nach Dehaene;23
4.4;2.4 Befunde zur Organisation von Rechenprozessen;26
4.5;2.5 Lokalisation von an Rechen- und Zahlenverarbeitungsprozessen beteiligten Hirnarealen;28
4.6;2.6 Schlussfolgerungen;34
5;3 Entwicklung mathematischer Kompetenzen;36
5.1;3.1 Gleich-Ungleich-Relationen;36
5.2;3.2 Kleiner-Größer-Relationen bzw. Rangordnungen;37
5.3;3.3 Rechenfähigkeiten bei Babys und Kindern;38
6;4 Ursachen, Verlauf und Komorbiditäten;45
6.1;4.1 Epidemiologie;45
6.2;4.2 Komorbiditäten;49
6.3;4.3 Fazit aus der Epidemiologie und den Komorbiditäten;53
6.4;4.4 Subtypenbildung;55
7;5 Rechentests und ihre Anwendungen;58
7.1;5.1 Schulleistungstests;59
7.2;5.2 Dyskalkulietests;64
7.3;5.3 Zusammenfassende Beurteilung;91
8;6 Diagnostik von Rechenstörungen in der Praxis;94
8.1;6.1 Diagnostischer Prozess;96
8.2;6.2 Erste Ebene: Anamnese und Exploration;97
8.3;6.3 Zweite Ebene: Basisdiagnostik;102
8.4;6.4 Dritte Ebene: Differenzialdiagnostik;105
8.5;6.5 Fehleranalyse;110
8.6;6.6 Vierte Ebene: Das Abschlussgespräch;110
9;7 Fallbeispiele;112
9.1;7.1 Fallbeispiel 1: Melanie;112
9.2;7.2 Fallbeispiel 2: Mark;132
10;Literatur;158
11;Anhang;175
11.1;Explorationsleitfaden für Elterngespräche;177
11.2;Mögliche Rechenfehler: Eltern-Checkliste;183
11.3;Mögliche Rechenfehler: Lehrer-Checkliste;185
11.4;Abkürzungsverzeichnis der Testverfahren;187
Die abstrakte Repräsentation wird benötigt, um die Zahleninformation kognitiven Prozessen (wie etwa Rechenprozessen) zugänglich zu machen. Diese Repräsentation stellt man sich als eine Basismenge innerhalb einer Zahl (etwa vier bei Viertausend) vor, die mit einem Exponenten mit der Basis 10 verknüpft ist (etwa 10 mit dem Exponenten 3 für Tausend), also 4 • 103. Die Zahlenproduktionsmodule übersetzen die semantische Reprä sentation in das gewünschte Ausgabeformat (Output).
Die Inputmodule (das Zahlenverständnis) und die Outputmodule (die Zah lenproduktion) unterteilen sich jeweils in eine arabische Form (etwa 3.020) und eine verbale Form (etwa dreitausendzwanzig, vgl. Abb. 2). Bei der verbalen Produktion wird dabei zusätzlich zwischen gesprochener und ge schriebener Wiedergabe unterschieden. Eine weitere Unterscheidung wird zwischen lexikalischen und syntaktischen Prozessen getroffen.
So wird für die Übersetzung einer Zahl wie etwa Dreitausendzwanzig aus dem verbalen, grafischen Zahlenverständnismodul in die abstrakte Reprä sentation zunächst eine lexikalische Zuordnung der einzelnen Elemente in nerhalb einer Zahl benötigt (in Lesereihenfolge: Drei = 3 • 10 mit Exponent 0; -tausend= 0 • 10 mit Exponent 3; -zwanzig = 2 • 10 mit Exponent 1). Im Anschluss erfolgt eine semantische Prozedur, bei der erkannt wird, dass, weil die „tausend“ auf die „Drei“ folgt, die „Drei“ mit 10 mit Exponent 3 verknüpft ist, sodass die vollständige Übersetzung als semantische Reprä sentation 3 • 10 mit Exponent 3 und 2 • 10 mit Exponent 1 lautet.
Durch eine Reihe von Einzelfalldarstellungen wird das Modell von McClos key et al. (1985) gestützt (vgl. Harskamp & Cipolotti, 2001; McCloskey, 1992). Dieses Modell kann man als Single-Route-Modell bezeichnen, da nur ein Verarbeitungsweg vom Input zum Output über die abstrakte Repräsentation angenommen wird. Eine Modifikation des McCloskeyModells haben Ci polotti und Butterworth (1995) vorgeschlagen.
2.2 Zahlenverarbeitung als semantische und asemantische Transkodierung
Das Modell von Cipolotti und Butterworth (1995) nimmt nicht nur eine Transkodierungsroute (Single-Route), sondern zwei Routen an und ist daher ein Multi-Route-Modell. Es sieht neben den semantischen auch asemantische, also nicht bedeutungserschließende, Transkodierungsrouten vor (siehe die etwas größeren Pfeile in Abb. 3). Das heißt, eine Übertragung kann aus den Inputmodulen in die Outputmodule erfolgen, ohne dass der aufgenommenen Zahleninformation eine Bedeutung zugeordnet wird. Wenn etwa eine Eingabe in das System als arabische Zahl (etwa 5) erfolgt, dann werden folgende Module durchlaufen:
– Eingabesystem für arabische Zahlen,
– Verständnis für arabische Zahlen,
– abstrakte Repräsentation,
– Produktion arabischer Zahlen in das Ausgabesystem für arabische Zahlen (z. B. die Ziffer 5) oder
– Produktion von Zahlwörtern in das Ausgabesystem für geschriebene
Zahlen (schriftlich Fünf) oder in das Ausgabesystem für gesprochene Zahlen (gesprochen Fünf).