Peters | Ich wollte zur See | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Peters Ich wollte zur See


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-356-01886-8
Verlag: Hinstorff
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

ISBN: 978-3-356-01886-8
Verlag: Hinstorff
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Mit »Meine seemännischen Fehler« (Hinstorff 2012), einem launigen Bericht über alles, was in Beruf und Segelsport misslingen kann, traf der frühere »Fernsehkapitän« Gerd Peters beim Publikum voll ins Schwarze. Allerdings wurde ihm bei Lesungen, in Briefen und E-Mails immer wieder die Frage gestellt, wie seine Laufbahn bei der Deutschen Seereederei Rostock angesichts einer scheinbaren Fülle von Pleiten, Pech und Pannen überhaupt Erfolg haben konnte. Mit »Ich wollte zur See« beantwortet Peters diese Frage nach seinem Weg vom Schiffbauerlehrling zum Kapitän zweier 10000-Tonnen-Frachter und eines Passagierschiffes: »Es gab immer Widerstände zu überwinden. Das ist der Lauf der Dinge und ich beklage mich darüber nicht. Ich stelle nur fest, dass mir nichts geschenkt wurde.« Ein fesselnder Bericht über eine besondere maritime Karriere, auf ehrliche Weise verankert im zeitgenössischen Hintergrund.
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Die erste Liebe meines Lebens: Gisela
Irgendwann im Sommer 1939, als wir wieder in der Kleinen Krampe lagen, erzählte Frau Breslau beiläufig, dass an den nächsten Wochenenden ihre Enkelin zu Gast an Bord sein würde. Die Damen des Vereins nahmen das zur Kenntnis, Frau Breslau erwähnte noch, wie das zusammenhängen würde. Aber ich hörte schon nicht mehr zu. Mit meinen fünf Jahren beschäftigte mich ein ganz anderes Problem. Meine Eltern hatten mir einen kleinen Holzschlepper mit zwei dazugehörigen Lastkähnen geschenkt. Damit spielte ich im flachen Wasser, während die Damen auf ihren Decken am Ufer saßen und es sich in der Sonne wohl sein ließen. Leider hatte der Hersteller des Schleppzuges das Aneinanderkoppeln der Kähne mit kleinen Ketten vorgesehen. Das gefiel mir nicht, konnte ich doch an jedem Wochenende beobachten, dass Schleppzüge mit Drahttauwerk verbunden waren. Da ich keinen Draht zur Verfügung hatte, versuchte ich, das mit Takelgarn hinzukriegen. Sommer 1939: im Matrosenanzug mit Kolani, der Kragen unvorschriftsmäßig über der Jacke Am nächsten Sonnabend brachte Familie Breslau ihre Enkelin mit. Die Erwachsenen wurden von ihr mit einem Knicks begrüßt, mir streckte sie kameradschaftlich die Hand entgegen. Aber ich hätte fast daneben gegriffen. Das Mädchen, Gisela, war schlank, das blonde Haar war zu zwei langen Zöpfen geflochten, sie blickte mich mit strahlenden blauen Augen an, freundlich lächelnd und es war um mich geschehen. Auch im Alter von fünf Jahren kann so etwas schon passieren. Ich war so hin und weg, dass ich nicht einmal so recht zur Kenntnis nahm, dass Gisela einen Kopf größer war als ich. Sie war immerhin schon elf Jahre alt und ich erst fünf. Der Unterschied kam mir aber bald zum Bewusstsein. Denn sie war eine richtige kleine Dame, wusste sich gewandt zu bewegen, höfliche, manchmal auch lustige Konversation zu machen und war bald der Liebling aller Frauen des Clubs. Auch die Augen der Männer – zu meinem Leidwesen auch die von Bubi Berwald – ruhten wohlgefällig auf ihrem Persönchen. Mit ihm zusammen schwamm sie beim Baden weit hinaus. Ich konnte noch nicht schwimmen und blickte den beiden traurig hinterher. Mit mir befasste sie sich nur wenig. Gelegentlich spielten wir beim Baden Ball, saßen bei Regenwetter bei Familie Breslau auf der HEKLA in der Kajüte und spielten Halma oder Schwarzer Peter. Ich war dann richtig selig und genoss jeden Augenblick ihrer Gegenwart. Die Frauen hatten meine anbetende Befangenheit in ihrer Nähe sofort bemerkt. In meiner Gegenwart lächelten sie nur darüber und schwiegen. Als wir eines Sonntagnachmittags nach Wendenschloss zurücksegelten, kam meine Mutter auf das Thema zu sprechen. Sie fragte mich gerade heraus: „Gisela gefällt dir wohl sehr?“ Ich glaube, ich wurde rot, nickte nur und brachte nichts mehr heraus. Vorsichtig versuchte meine Mutter, mir die Situation auseinanderzusetzen. „Sieh mal“, meinte sie, „ich glaube ja schon, dass sie dir gut gefällt. So ein hübsches und liebes Mädchen. Aber sie ist doch sechs Jahre älter, geht schon zur Schule und besucht die fünfte Klasse.“ Mit der ganzen Naivität meiner fünf Jahre stellte ich die verzweifelte Frage: „Kann sie denn mit dem nächsten Geburtstag nicht auf mich warten?“ Meine Mutter schwieg einen Augenblick in der Erkenntnis, dass es mich offenbar tief getroffen hatte, dann schüttelte sie bedauernd den Kopf. „Nein, mit dem Älterwerden kann man nicht warten. Das passiert einfach so. Dagegen ist nichts zu machen!“ Bubi Berwald hat mich in seinen Kajak-Einer zum Paddeln eingeladen. Ich muss noch üben. Dieses Verdikt traf mich schwer. Für den Rest der Rückfahrt blieb ich schweigsam. Nach dem Ende der großen Ferien kam Gisela nicht mehr mit zum Segeln. Es hieß, sie würde wieder bei ihren Eltern sein. In den nächsten Jahren erschien sie gelegentlich mal an einem Wochenende bei Familie Breslau an Bord und ich konnte sie nur aus der Ferne betrachten. Aber im Sommer 1942 kam sie an einigen Wochenenden wieder zum Segeln mit heraus. Eines Sonnabend Abends hatten die Sportkameraden beschlossen, gemeinsam eine Pfirsichbowle anzusetzen. Damit begannen sie schon am frühen Nachmittag. Eine Glasterrine hatte man vorsorglich mitgebracht, sie wurde mit Branntwein, Selters, Pfirsichen, Zucker angesetzt und später mit Wein und Sekt verfeinert. Einige Einweckgläser mit großen Pfirsichstücken waren als wichtigster Bestandteil dazugegeben worden. Dicht am Ufer im kühlen Wasser wartete die Bowle auf den frühen Abend. Meine Eltern wussten aus Erfahrung, dass ein solcher Abend laut, lebhaft und sehr spät werden würde, was unweigerlich zur Folge haben müsste, dass ich unter diesen Umständen nicht zeitig in den Schlaf kommen würde. Meine Mutter hatte das Problem zur Diskussion gestellt und so beschloss die Damenriege, dass ich im Vorschiff des Jollenkreuzers HEKLA der Familie Breslau zusammen mit Gisela das Nachtlager teilen sollte. Räumlich war das kein Problem. Der Küstenjollenkreuzer war ein ziemlich stattliches Schiff, besaß sogar einen Hilfsmotor, wenn dieser auch kriegsbedingt wegen Treibstoffmangels nicht benutzt werden konnte. Das Vorschiff war ziemlich lang und vor allem breit und man konnte zwei Nachtlager nebeneinander ganz bequem einrichten. Als meine Mutter mir klarmachte: „Also, heute Nacht schläfst du bei Breslaus an Bord“, nahm ich die Nachricht schweigend, aber mit klopfendem Herzen zur Kenntnis. Gegen Abend hatten die Sportkameraden aus Brettern und Balken einen provisorischen Tisch am Ufer aufgebaut. Wassertanks, Bootskissen und Decken dienten als Sitzgelegenheiten. Die Bowle schien nach mehrmaligem Kosten der Fachleute gut geraten zu sein. Meine Mutter steckte mich in den Schlafanzug und sagte: „So, nun geh man rüber.“ Ich enterte über die längsseits liegenden Boote hinüber zur HEKLA, Frau Breslau meinte freundlich lächelnd „Willkommen an Bord“ und brachte mich ins Vorschiff. Gisela lag schon auf ihrer Koje und von ihrem blau und rot gemusterten Schlafanzug ragten nur der Kragen und die Ärmel über die Bettdecke heraus. Die blonden Zöpfe hatte sie über dem Kopf zusammengesteckt. Sie lächelte mir ganz unbefangen zu. Ich kletterte in die Koje auf der Steuerbordseite. Frau Breslau deckte mich zu und ging dann an Land, um sich der abendlichen Runde zuzugesellen. Vor Verlegenheit schwieg ich natürlich, denn mir fiel beim besten Willen nichts ein, was ich sagen sollte. Aber Gisela mit ihren fast 14 Jahren stand voll über den Dingen. Sie plauderte mit mir über meine Schule, immerhin war ich ja nun auch schon in der zweiten Klasse der Volksschule, wir lachten über unsere Lehrer. Allmählich verlor ich meine Befangenheit und war guter Dinge. Dann kam mein Vater mit Zustimmung der großen Runde auf die Idee, den beiden Kindern von der Bowle doch etwas abzugeben. Unter sorgfältiger Aufsicht der Frauen machte er zwei Gläser mit stark verdünnter Bowle und einigen kleinen Pfirsichstücken fertig, kam an Bord und reichte durch die Vorluke die beiden Gläser zu uns herunter. Wir freuten uns, Gisela stieß mit mir an und wir nippten dann von Zeit zu Zeit und setzen unsere Unterhaltung fort. An Land wurde die Runde immer lustiger. Dort hatte man der Bowle schon kräftig zugesprochen, offensichtlich hatte Walter Berwald wieder einige seiner lustigen Geschichten erzählt, denn von Zeit zu Zeit erhob sich ein allgemeines Gelächter. Als ich mein Glas ausgetrunken hatte, merkte ich, dass ich langsam schläfrig wurde. Es wurde mir schwer, die Augen aufzuhalten. Gisela schien es ähnlich zu gehen. Auch ihre Gesprächspausen wurden immer länger. Schließlich richtete sie sich ein wenig auf, machte den Lukendeckel zu, wünschte mir eine gute Nacht und ich glaube, wir waren beide rasch eingeschlafen. Als wir am nächsten Morgen – wahrscheinlich so gegen acht Uhr – langsam wach wurden, fragte sie mich: „Was machen wir nun? Stehen wir auf oder nicht?“ – „Wieso?“, wollte ich wissen. – „Na, merkst du nicht, dass draußen noch alles still ist? Bestimmt haben unsere lieben Erwachsenen nicht eher aufgehört, als bis die Bowle leer war. Und so sind sie denn wohl noch müde.“ In der Tat, sie hatte Recht. Auf allen Booten war es noch totenstill, im Gegensatz zur sonstigen morgendlichen Betriebsamkeit. „Weißt du was“, meinte sie, „du gehst rüber zu euch und ziehst dir eine Badehose an. Ich werf mich auch in den Badeanzug und dann gehen wir erst mal baden.“ Gesagt, getan. Ich schlich vorsichtig über die Boote zu uns an Bord, langsam und sachte, um niemanden aufzuwecken, schnappte mir meine Badehose, zog sie an und dann trafen wir uns beide am Ufer und gingen ins Wasser. Wir schwammen hinaus, sie flott und zügig. Ich versuchte mitzuhalten, schaffte es aber nicht. Taktvoll verlangsamte sie ihre Schwimmbewegungen. Wir alberten noch ein bisschen herum und kehrten dann zurück zum Ufer. Inzwischen hatte auf den Booten das Leben wieder begonnen. Allgemeine Frühstücksvorbereitungen waren ein Zeichen dafür,...


Gerd Peters, geboren 1934 in Berlin-Neukölln, fuhr 1969 zum ersten Mal als Kapitän auf dem MS Dresden und war viele Jahre lang in führender Stellung bei der Deutschen Seereederei Rostock tätig, u.a. als Hauptabteilungsleiter und Chefinspektor. Auf eigenen Wunsch aus der DSR entlassen, begann er bereits Anfang 1989, als freier Journalist mit der Spezialisierung Schifffahrt, Marinewesen und Segelsport zu schreiben. Fast 20 Jahre lang arbeitete er als Autor und Moderator für das überregionale Fernsehen in den Sendereihen "Logbuch der Seefahrt" und "Musik und Snacks vorm Hafen".



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