Pfeiffer | Gegen die Gewalt | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Pfeiffer Gegen die Gewalt

Warum Liebe und Gerechtigkeit unsere besten Waffen sind
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-23419-5
Verlag: Kösel
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Warum Liebe und Gerechtigkeit unsere besten Waffen sind

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-641-23419-5
Verlag: Kösel
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Deutschlands bekanntester Kriminologe zieht BilanzStatistiken zeigen: Deutschland war selten so sicher wie heute. Mit der gefühlten Kriminalitätstemperatur stimmt das aber nicht überein. Seit über vierzig Jahren beschäftigt sich der bekannte Kriminologe Christian Pfeiffer mit der Gewalt in Deutschland. Egal, ob es um Jugendkriminalität, häusliche Gewalt oder den vermeintlichen Anstieg der Straftaten durch Auslänger geht, Pfeiffer ist ein gefragter Experte. Sein Buch klärt auf: Er zeigt, wo wir im Kampf gegen die Gewalt schon Siege gewonnen haben, aber auch, wo wir uns neuen Herausforderungen stellen müssen. Anhand aktueller Forschungsergebnisse und persönlicher Erfahrungen erklärt Pfeiffer, wie wir diesen begegnen sollten: Mit einem neuen Gemeinsinn, mehr Liebe und Gerechtigkeit – zum Wohle aller.
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Wie wurde ich Kriminologe? Ausgangspunkt sind für mich meine Kindheit und Jugend in einer Bauernfamilie. Ich bin das jüngste von vier Kindern (zwei Brüder, eine Schwester). Bis Oktober 1952 leben wir auf einem mittelgroßen Hof in Biegen in der Nähe von Frankfurt / Oder. Zu Hause erleben wir eine große Geborgenheit in der Familie. Sie ist von starken, sehr liebevollen Eltern geprägt und von einer wunderbaren Tante Dora, Schwester unserer Mutter, die immer bei uns lebte. Doch plötzlich ist Schluss mit dieser Idylle. Unsere Eltern und Tante Dora entscheiden sich zur Flucht aus der DDR. Sie leiden unter den ständigen Übergriffen der Politikfunktionäre auf das bäuerliche Leben und auf die Schulbildung von uns Kindern. Sie sehen für sich und uns vier keine Zukunft in einem Land, das zu einer engstirnigen, kommunistischen Diktatur geworden ist. Im Oktober 1952 reisen wir ohne großes Gepäck in drei verschiedenen Zügen nach Berlin. Wir verlassen den Hof, der seit 1648 im Besitz der Familie war. Ich bin acht Jahre alt. Auf einmal sind wir arm, besitzen nur das, was wir am Leibe tragen und was in ein paar Päckchen im Westen angekommen war. Diese Armut ist durchaus belastend. Aber als viel schlimmer habe ich etwas anderes empfunden – die Ausgrenzung als Flüchtling. In der dritten Grundschulklasse bin ich das einzige evangelische Kind. Ich spreche noch kein Bayrisch. Und so werde ich gehänselt, als Außenseiter behandelt, nicht zu Geburtstagen eingeladen. Ich gehöre einfach nicht dazu. Dazu eine kleine Geschichte: Die Jungen meiner Klasse laden mich plötzlich dazu ein, beim Fangen auf dem Schulhof und dem angrenzenden Hofgelände eines Bauern mitzuspielen. Ich bin glücklich. In der Rolle des Jägers will ich einen schnellen Jungen erwischen. Der macht auf dem Weg zur Einfahrt des Hofes einen erstaunlichen Umweg. Das ist meine Chance. Ich nehme den kurzen, direkten Weg – und lande im Feuereifer des Jagens in der Jauchegrube. Sie ist nur von einer Strohschicht bedeckt. Alle anderen wissen das. Am Rande steht der Knecht, den die Jungen vorher informiert haben. Er zieht mich raus. Die anderen lachen und feixen. Vor mir liegt der Fußweg quer durch die Kleinstadt, weinend und von Kopf bis Fuß stinkend. Meine Außenseiterrolle verliere ich erst am Gymnasium im oberbayerischen Mühldorf am Inn. Alle Flüchtlingskinder meines Jahrgangs besuchen dieselbe Klasse. Das erleichtert es mir sehr, mich schrittweise auf meine neue Heimat einzulassen. Nach Abitur und Bundeswehr entscheide ich mich dafür, an der Universität München Jura zu studieren. Streitfragen zur Gerechtigkeit haben mich schon in der Schulzeit stark interessiert. Mein Schwerpunkt liegt klar im Öffentlichen Recht. Vor allem das Verfassungsrecht fasziniert mich. Nach dem Examen will ich gestützt auf ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes an der London School of Economics and Political Science über zwei englische Staatsphilosophen recherchieren. Die Untersuchung soll meine verfassungsrechtliche Doktorarbeit vorbereiten. Doch auf einmal wird mir in der Einsamkeit der ersten Wochen in der fremden Welt Londons etwas richtig bewusst: Ich habe mich im Studium zu stark an den Erwartungshaltungen meiner Familie und Freunde, meiner Professoren und meines Doktorvaters orientiert. Meine Ziele haben sich dadurch von außen nach innen entwickelt. So will ich nicht weitermachen. Das Jahr in London nutze ich nun zur Befreiung von freundschaftlich-liebevoller Bevormundung. Ich begebe mich auf die Suche und lande plötzlich in der Vorlesung des Psychologieprofessors H. J. Eysenck. Eysenck ist damals ziemlich berühmt. Er hat ein umstrittenes Buch über Kriminalität und Persönlichkeit geschrieben. Eine zentrale Aussage lautet, besonders die Gewaltkriminalität sei primär das Resultat von ererbten Einflussfaktoren. Was er zur Persönlichkeit von Straftätern schreibt, erscheint mir zu ideologisch und nicht hinreichend belegt. Ich entdecke in seiner Argumentation Lücken, Fehler und eine ausgeprägte Ignoranz gegenüber sozialen Einflussfaktoren. Das ärgert mich. Ich schreibe eine 35-seitige Kritik und schicke sie Eysenck zu. Er antwortet nicht. Doch die mich beratenden Hochschullehrer, der Kriminologe Hall-Williams und der Sozialpsychologe Sealey, sind begeistert. Und so lande ich einerseits in einem Master-Kurs Kriminologie und andererseits in der Sozialpsychologie. Das Jahr in England wird so zu einer intellektuellen Entdeckungsreise. Nach der Rückkehr lerne ich während der juristischen Referendarzeit über einen Strafrichter die Bewährungshelferin Margot Wingruber kennen – eine sehr engagierte, warmherzige und kluge Frau. Bei ihr absolviere ich eine Art Lehrzeit in der Betreuung von Strafentlassenen und werde ehrenamtlicher Bewährungshelfer. Es gelingt mir, meine siebenköpfige Wohngemeinschaft davon zu überzeugen, dass wir unser Gästezimmer ab und zu jungen Männern anbieten, die Urlaub aus der Haft bekommen haben oder nach der Entlassung zunächst eine Bleibe benötigen. Einmal wohnt ein 20-Jähriger vier Monate bei uns, weil er nach der Entlassung aus dem Jugendgefängnis eine Heroin-Entziehungskur machen will. Für den Fall, dass das gelingt, versprechen wir ihm eine gemeinsame Reise nach Paris. Auch dank der Unterstützung durch eine bei uns wohnende Medizinerin schafft er es. Und so fahren wir dann in meinem kleinen Auto zu viert für ein paar Tage in die französische Hauptstadt. Daneben darf ich bei einer Anwaltskanzlei erste Erfahrungen als Strafverteidiger sammeln. Das Spektrum reicht vom Alkoholiker, der ständig Schnapsflaschen klaut, bis hin zu einem Jugendlichen, der einen versuchten Totschlag begangen hat. Erst anhand der Biografien dieser Strafentlassenen und Angeklagten begreife ich schrittweise, wie Menschen zu Straftätern werden und was dazu beitragen kann, das Hineinwachsen in eine kriminelle Karriere zu fördern oder zu vermeiden. Rückblickend haben mich diese drei Jahre der praktischen Erfahrungen im Hinblick auf meine spätere berufliche Laufbahn sehr geprägt. Aber noch bin ich kein Kriminologe und lebe weit entfernt von der universitären Wissenschaft. Doch dann ereignet sich im Oktober 1973 ein Zufall – der ja angeblich das Fällige ist, was einem zufällt. Ich bin an einer jungen Bajuwarin sehr interessiert. Sie hat mich zum Abendessen eingeladen. Mir gegenüber sitzt ihr Freund Jochen Kölsch. Wir bemühen uns nach Kräften, uns gegenseitig rhetorisch zu übertrumpfen und schlagen intellektuelle Pfauenräder. Doch ich merke bald: Mein Rivale ist richtig gut, arbeitet als Redakteur beim Bayerischen Fernsehen, hat eine eigene Büchersendung und konnte gerade Heinrich Böll und Günter Grass zu Interviews einladen. Da kann ich nicht mithalten. Doch dann verschwindet die schöne Christiane wegen Kopfweh vorzeitig in ihr Schlafzimmer. Jochen und ich bleiben in der Küche übrig und entdecken, dass wir uns eigentlich anfreunden könnten. So entsteht in dieser Nacht bei gutem Wein die Idee, eine soziale Initiative in Gang zu bringen. Ausgangspunkt hierfür ist mein Bericht über das isolierte Leben der Strafgefangenen. Damals sind Häftlinge von Informationen über das, was außerhalb der Gefängnismauern passiert, weitgehend ausgeschlossen. Für sie gibt es weder Fernsehen noch Zeitungen. Der Radiolautsprecher in der Zelle spielt primär Musik. Einem meiner Schützlinge hatte ich deshalb gerade zum Geburtstag für ein Jahr ein Abonnement der Süddeutschen Zeitung geschenkt. Also spinnen Jochen und ich den Plan, mithilfe von Prominenten eine Bürgerinitiative »Zeitungsabonnements für Gefangene« ins Leben zu rufen. Beflügelt vom Spirit des Abends sage ich zu bei Bundespräsident Heinemann anzufragen. Jochen will Heinrich Böll und Günter Grass ansprechen. Und so rufe ich am nächsten Morgen im Bundespräsidialamt an. Ich gerate an einen jungen Beamten, Herrn Spath, der mir mitteilt, dass ich mein Anliegen schon schriftlich vortragen müsse. Trotzdem dränge ich ihm meine Telefonnummer auf, was sich später als sehr hilfreich erweist. Der Bundespräsident möchte an diesem Vormittag nämlich plötzlich Herrn Spath sprechen. Und so steht der sichtlich aufgeregt vor dem Bundespräsidenten. Heinemann will ihn etwas auflockern und fragt, ob es irgendetwas Neues zu berichten gäbe. So erfährt Herr Heinemann von unserer Idee, findet sie großartig, lässt sich mit mir verbinden und sagt seine Mitwirkung zu. Parallel dazu gelingt es meinem neuen Freund Jochen Kölsch tatsächlich, seine beiden Top-Schriftsteller für die Initiative zu gewinnen. Schließlich folgt auf eine Zusage die nächste. Der Bundestagsabgeordnete Richard von Weizsäcker macht ebenso mit wie Außenminister Scheel und weitere Prominente. Über 120 Zeitungen erklären sich bereit, die große Anzeige mehrfach kostenlos zu veröffentlichen. Bis Weihnachten werden ca. 4000 Abos für Gefangene gespendet. Die Mehrheit der Spender ist zusätzlich bereit, dem Empfänger zu schreiben. Die ZEIT bringt über den Erfolg unserer Initiative einen freundlichen Artikel. Einer der Zeitungsspender ist Prof. Dr. Schüler-Springorum, ein hochangesehener Strafrechtler und Kriminologe der Universität München. Wir lernen uns durch Zufall kennen. Als ich mich vorstelle, fragt er, ob ich etwa einer der beiden Initiatoren der Bürgerinitiative sei, über die die ZEIT gerade berichtet. Wenig später bietet er mir eine Assistentenstelle an. Das wird der berufliche Glückstreffer meines Lebens. Acht Jahre lang arbeite ich bei ihm, profitiere von seinen vielfältigen Anregungen, seinen breiten Erfahrungen, seiner Offenheit und Wärme und der großen Freiheit, die er mir in der wissenschaftlichen Arbeit ermöglicht. Danach verhilft...


Pfeiffer, Christian
Christian Pfeiffer, geboren 1944, ist Kriminologe und ehemaliger Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Von 2000 bis 2003 war Pfeiffer für die SPD niedersächsischer Justizminister. In den Medien ist er ein gefragter Experte, der mit seinen Thesen immer wieder Kontroversen auslöst.



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