Polian | Briefe aus der Asche | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 656 Seiten

Polian Briefe aus der Asche

Die Aufzeichnungen des jüdischen Sonderkommandos Auschwitz
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-534-61041-9
Verlag: Theiss in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Aufzeichnungen des jüdischen Sonderkommandos Auschwitz

E-Book, Deutsch, 656 Seiten

ISBN: 978-3-534-61041-9
Verlag: Theiss in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als 2017 das Zeugnis Marcel Nadjaris an die Nachwelt mit aufwändiger Technik entziffert werden konnte, war dies eine Sensation: Die letzte der »Aufzeichnungen aus der Hölle«, der geheimen Aufzeichnungen der jüdischen Häftlinge des Sonderkommandos in Auschwitz-Birkenau, war wieder lesbar gemacht.

Die Mitglieder des Sonderkommandos wurden von der SS gezwungen, bei dem Massenmord in den Krematorien, dem Verbrennen der Leichen, bei der Entsorgung der Asche von Hunderttausenden Menschen mitzuhelfen. Dass einige von ihnen den Drang verspürten, schriftliche Zeugnisse des Grauens zu verfassen, ist von erschütternder Menschlichkeit. Die Nationalsozialisten rechneten nicht damit, dass einige dieser Zeugnisse auf die Nachwelt kommen würden. Nur dieser Band versammelt alle erhaltenen neun Zeugnisse in deutscher Übersetzung und bettet sie mit ausführlichen Essays in den Entstehungszusammenhang ein.

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Vorbemerkung
Über dieses Buch
Dem Entstehen und der Entwicklung dieses Buchs hat der Zufall gehörig nachgeholfen. Im Herbst 2004 entdeckten Nikolai Pobol und der Autor dieser Zeilen im Archivverzeichnis des Zentralen Wehrmedizinischen Museums in Sankt Petersburg, in dem sie nach Auskünften über sowjetische Kriegsgefangene suchten, einen Hinweis auf ein Notizbuch von Salmen Gradowski, einem Angehörigen des jüdischen Sonderkommandos in Auschwitz-Birkenau. Dieser rote Faden spann sich weiter, zum Sonderkommando als Phänomen an sich und zu seinen anderen Mitgliedern, die ebenfalls Aufzeichnungen hinterlassen hatten, die nach dem Krieg aufgefunden wurden. Die Entdeckung dieser Manuskripte in der Erde und Asche auf dem Gelände der Gaskammern und Krematorien von Auschwitz-Birkenau ist ein für die Geschichte des jüdischen Volkes ähnliches Wunder wie die Funde in der Genisa der Synagoge von Kairo Ende des 19. Jahrhunderts oder wie die Entdeckung der Schriftrollen vom Toten Meer 1947. Allerdings bedeuten diese „Schriften aus der Asche“ mehr, als dass sie einfach nur unseren Wissensstand erweitern: Sie haben unsere Selbstwahrnehmung, unsere Vorstellung vom Menschen umgekrempelt, wie Anna Schmaina-Welikanowa es ausdrückte1. Die Übersetzung ins Russische und die Veröffentlichung der Texte Salmen Gradowskis in den Jahren 2008–11 als Zeitschriften-2 und als Bucheditionen3 gaben einerseits den Anstoß zur Überlegung, auch andere Texte mit ähnlichem Schicksal in den wissenschaftlichen Umlauf zu bringen, und regten andererseits zur Aufarbeitung des Sonderkommandos als eines historischen Phänomens an. Dadurch ist der russischsprachige Vorläufer dieser Edition entstanden – ein Buch, das in Russland unter dem Kurztitel „Svitki iz pepla“ („Schriften aus der Asche“) bekannt geworden ist und unter verschiedenen Titeln und Untertiteln dreimal – 2013 im Verlag „Fenix“ in Rostow-Don, 2015 und 2018 im AST-Verlag in Moskau – veröffentlicht wurde. Davon ist die zweiteilige Struktur dieser Ausgabe geprägt. Die Herausgebersektion besteht aus einführenden Essays, die mit Einschätzungen zu den Opferzahlen und einem Überblick über die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee beginnen. Es folgt ein Kapitel über das Sonderkommando als beispielloses historisches und psychoethisches Phänomen. Im Anschluss daran wird rekonstruiert, wie der Widerstand und die Rebellion vom 7. Oktober 1944 unter den Lagerbedingungen von Auschwitz-Birkenau organisiert wurden und in welchem Fluidum die Suche, die Entdeckung und die Publikation der Manuskripte des Sonderkommandos in der Nachkriegszeit erfolgten. Auf die Besonderheiten der Manuskripte und ihrer Verfasser wird im zweiten Teil eingegangen, in den Einführungen zu den jeweiligen Texten. Dabei ist der erste Teil keine Monografie im wahrsten Sinn des Wortes als vielmehr eine Serie kurzer Abhandlungen, die nicht einem streng kausalen Erzählstrang folgen, sondern freier, gleichsam fächerartig arrangiert sind: Jede Abhandlung nuanciert das zentrale Thema auf ihre Weise, stellt einen eigenen, zusätzlichen Aspekt heraus. Der zweite Teil dieses Buches ist den Chronisten gewidmet oder besser gesagt: überlassen. Diese Sektion umfasst neun Texte jener fünf Mitglieder des Sonderkommandos, deren Manuskripte den Krieg überdauerten und in den Jahren 1945–80 entdeckt wurden – namentlich von Salmen Gradowski, Lejb Langfuß, Salmen Lewenthal, Herman Strasfogel und Marcel Nadjari. Als zehnter Text ist ihnen die Handschrift Abraham Levites hinzugefügt. Mit dem Sonderkommando in Birkenau hatte dieser Chronist nichts zu tun, doch war sein Text – das Vorwort zum Literaturalmanach „Dos zamlbukh Oyshvits“ – im Lager Birkenau nur wenige Hundert Meter von den Gaskammern und Krematorien entfernt geschrieben worden, wobei das Schicksal dieser Handschrift überaus problematisch und bemerkenswert ist. Insofern liegt hier gewissermaßen eine innere Anthologie in einem Buch vor, das aus Texten besteht, die einst von der Vorsehung „auserwählt“ wurden – weniger für den Druck als allein für den physischen Erhalt. Als eine nunmehr für die Veröffentlichung bestimmte Komposition geben diese Texte meiner Ansicht nach die unmittelbarste Vorstellung und den einprägsamsten Eindruck davon, was in den Gaskammern und Krematorien von Birkenau geschah. Frei von jeder Übertreibung lässt sich sagen: Das sind die zentralen Egodokumente des Holocaust. Angesichts der Bandbreite der Genres dieser Texte – von der Nachahmung der Prophetendichtung bis zum einfachen Alltagsbrief – könnte diese Ausgabe quasi einem wieder zum Leben erwachten Almanach gleichgesetzt werden, nur fürchte ich, dass der Ansatz der „Oyshvits“-Redakteure bei all der Kühnheit doch deutlich bescheidener war. Jedem der sechs Chronisten ist im zweiten Teil ein eigener Abschnitt gewidmet, der mit einer kurzen Abhandlung über sein Schicksal, über die Entdeckung seiner Manuskripte sowie deren Übersetzung und Publikation eröffnet wird. Ferner folgen die eigentlichen Texte der Chronisten, die zumeist aus dem Original ins Russische und dann ins Deutsche übersetzt wurden, begleitet von Kommentaren, die ich mitunter gemeinsam mit den Übersetzern erstellt habe. Im Ergebnis steht der jeweilige Text im Mittelpunkt, umrahmt von einem eigenen kontextuellen Stoff. Die Übersetzung ins Russische erfolgte aus dem Original. Alle Texte des zweiten Teils sind vorher einzeln unter den Namen ihrer Autoren in der Wochen- und Tagespresse4 erschienen. Für diese Buchedition wurden sämtliche Übersetzungen nochmals überprüft und überarbeitet. Jene Fragmente, die bedauerlicherweise unentziffert geblieben sind, werden mit Auslassungszeichen […] markiert. Im Anhang sind zu finden: 1) die Chronik der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Sonderkommando in Auschwitz-Birkenau; 2) das Verzeichnis der Textausgaben der Mitglieder des Sonderkommandos; 3) eine Sammlung sowjetischer Quellen darüber, was die Befreier der Roten Armee im Konzentrationslager Auschwitz am Tag der Befreiung vorfanden; und schließlich 4) die Protokolle der Verhöre der Mitglieder des Sonderkommandos Shlomo Dragon, Henryk Mandelbaum und Henryk Tauber – die allerersten Aus sagen in der Reihe der Zeugnisse. Eine Auswahlbibliografie und ein Abkürzungsverzeichnis runden das Buch ab. Begriffe und Termini
Die Termini „Holocaust“ und „Shoah“ werden hier gemäß der üblichen Verwendung als Synonyme benutzt. Etymologisch unterscheiden sich die beiden Begriffe unterdessen erheblich: „Holocaust“ stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie „vollständige Verbrennung“, während „Shoah“ im Althebräischen „Unheil“ oder „Katastrophe“ bedeutet. Die Katastrophe einer Opfergabe gleichzusetzen, ist an sich mehr als fraglich. Doch das Russische wie das Deutsche kennt – im Unterschied zu anderen europäischen, mit dem Lateinischen verwandten Sprachen – keine lexikalische Abgrenzung zwischen den Opfertypen: den Opfern eines Genozids und jenen einer kultischen Darbringung oder Gewalt im umfassenden Sinn. Dieser Umstand überwindet den benannten Konflikt und lässt die weit verbreitete Verwendungspraxis von „Holocaust“ akzeptabel erscheinen. Anzumerken ist dabei, dass in der russischen Sprache gegenwärtig die synonymische Verwendung des Begriffs „Katastrophe“ an Bedeutung zunimmt. Einer eigenen Erklärung bedarf der für dieses Buch zentrale Begriff „Sonderkommando“. Diese Erläuterung wird auch gegeben, aber aus Gründen der epischen Ganzheitlichkeit nicht an dieser, sondern an einer anderen Stelle, nämlich zu Beginn des einschlägigen Kapitels „Die Handlanger des Todes: das Sonderkommando in Auschwitz-Birkenau“. Nun zum Begriff „Auschwitz“: So wurde die polnische Stadt Oswiecim während der deutschen Besatzung bezeichnet. Unter „Auschwitz I“ ist dabei das Stammlager zu verstehen. Der Ortsname ist in die Bezeichnung der heutigen Gedenkstätte in der polnischen Stadt eingegangen. In allen anderen Kontexten der Nachkriegszeit ist die Verwendung des Toponyms „Oswiecim“ üblich. Die seit dem „Kalendarium“ von Danuta Czech5 von anderen Publikationen übernommene Kennzeichnung der Krematorien mit römischen Ziffern betrifft alle fünf Krematorien von Auschwitz und Birkenau und beginnt mit jenem Krematorium, das als erstes am Stammlager gebaut worden war; die anderen vier Krematorien sind – von Süd nach Nord betrachtet – mit den Ziffern II bis V nummeriert6. Anders verfahren Gradowski, Lewenthal und Langfuß in ihren Texten. Sie nummerieren von I bis IV, denn das Krematorium I am Stammlager existiert in ihrer Wahrnehmung schlicht und ergreifend nicht, weil sie nur in Birkenau eingesetzt waren und dort die offizielle Nummerierung noch 1943 geändert worden war (I–IV). Um Verwirrung zu vermeiden, wurde die Kennzeichnung der Krematorien im gesamten Buch standardisiert; entsprechende Korrekturen wurden ohne weitere Hinweise vorgenommen. Danksagung
Ohne die...


Kilian, Andreas
Andreas Kilian studierte Neuere Geschichte und Literaturwissenschaft. Seit 1992 forscht er zur Geschichte des jüdischen „Sonderkommandos“ im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Polian, Pavel
Pavel Polian, Prof. Dr. habil., geboren 1952, ist ein russischer Geograf, Historiker und Philologe (unter dem Namen Nerler). Er lebt und forscht seit 1991 im Spagat zwischen Moskau und Freiburg.

Pavel Polian, Prof. Dr. habil., geboren 1952, ist ein russischer Geograf, Historiker und Philologe (unter dem Namen Nerler). Er lebt und forscht seit 1991 im Spagat zwischen Moskau und Freiburg.
Andreas Kilian studierte Neuere Geschichte und Literaturwissenschaft. Seit 1992 forscht er zur Geschichte des jüdischen "Sonderkommandos" im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.



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