Pye / Antes / Hutter | Religionsgeschichte Japans | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Pye / Antes / Hutter Religionsgeschichte Japans


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-17-034417-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-17-034417-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In this volume, Michael Pye uses a chronological approach to present the multifaceted religious landscape of the Japanese archipelago. He traces a narrative trajectory from the available archaeological evidence of the earliest beginnings to today=s dazzlingly pluralistic culture. Special attention is given to the internal branching and interpenetration of religious traditions of various origins, such as Shinto and Buddhism. Featuring up-to-date scholarly findings while remaining easily accessible to a broader readership, the book presents the exciting, wide-ranging and interweaving network of Japanese religious history and its interrelationships with culture and politics, from the reception of foreigners, through processes of transformation and genuinely Japanese developments, to its presence in other countries.
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2  Frühe Rekonstruktionen
2.1  Vorgeschichtliche Fragmente
Wir beginnen mit einigen Anhaltspunkten für die Religionsgeschichte Japans in der Zeit vor der Einführung der chinesischen Schriftkultur und des Buddhismus. Die geologischen und geographischen Grundlagen für die frühesten menschlichen Siedlungen in dem jetzt als Japan bekannten Land sind als Kontext für die japanische Religionsgeschichte von großem Interesse. Veränderungen der Morphologie der Landschaft sowie in klimatischen Bedingungen ermöglichten die Entwicklung menschlicher Aktivitäten in der nordostasiatischen Region, mit der Japan in prähistorischer Zeit durch Landbrücken verbunden war.1 Wie kaum anders zu erwarten, gibt es keine direkten Beweise für eine religiöse Dimension im Leben der Bewohner des japanischen Archipels in prähistorischer Zeit. Auch indirekte Andeutungen sind spärlich und lassen Raum für unterschiedliche Interpretationen, die schon aus diesem Grund nicht als erwiesen betrachtet werden können. Aus dem Paläolithikum liegen lediglich einfachste Jagdwerkzeuge vor. Ein kleiner Stein mit auffälligen Kratzern, der in der heutigen Ehime-Präfektur auf der Insel Shikoku gefunden wurde, könnte aus dem 12. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, also vom Ende des Paläolithikums stammen. Die Kratzer sind als die Haare, Brüste und Becken einer Frau gedeutet worden, aber ohne Kontext lässt sich darüber nichts weiter sagen. Das Neolithikum umfasst die Zeit ab der großen Gletscherschmelze zwischen dem 12. Jahrtausend und dem 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Die koreanische Halbinsel hatte bereits ihre vom chinesischen Festland aus gesehen relativ isolierte geographische Lage angenommen, während der Zugang von Norden her durch ein äußerst hartes Klima erschwert war. Der japanische Archipel war inzwischen vom Festland völlig abgetrennt. Die relative Nähe zwischen Korea und Japan, die später bedeutsam wurde, spielte mangels effektiver Seefahrt noch keine große Rolle. Gemeinsamkeiten in der Kultur der Neusteinzeit sind schwierig zu deuten, da die Besiedlung der japanischen Inseln nicht nur von Korea aus, sondern auch von den südlichen Inseln erfolgte. Man kann von Kontinuitäten in der symbolischen, mythologischen und rituellen Kultur ausgehen, die aber nicht präzise dokumentiert werden können.2 Das Neolithikum in Japan wird meist als das Jomon-Zeitalter bezeichnet, da die typische Keramik aus dieser Zeit jomon (»Schnurmuster«) aufweist. Obwohl dieser Stil gelegentlich als etwas Besonderes dargestellt wird, gehört diese Technik in die weltweit bekannte Kategorie der Schnurkeramik. Es handelt sich um abstrakte, nicht-figürliche Muster. Auch Körperschmuck aus Stein, Horn und Lehm ist erhalten. Da es an figürlicher Dekoration mangelt, lassen sich jedoch kaum bestimmte Vorstellungen oder Absichten ableiten. Vorschläge, aus dem Fund eines kleinen Lehmfigürchen, bei dem die zwei Arme und ein Bein abgebrochen waren, auf magische oder religiöse Praktiken zu schließen, müssen im Bereich der Spekulation bleiben.3 Jungsteinzeitliche Siedlungen sind nachgewiesen durch einfache Strukturen wie Wohnanlagen, einfache Bestattungsplätze im Erdreich und größere Ansammlungen bzw. kleine Hügel von Muscheln. Es gibt keine Beweise für Strukturen, die anderen Zwecken wie Ritualen gedient hätten. Die kleinen Hügel aus Muscheln sind deutlich identifizierbar und haben daher auf Japanisch eine eigene Bezeichnung, nämlich kaizuka. Das Wort ist zusammengesetzt aus kai (Muschel) und tsuka (ein künstlich aufgebautes Hügelchen). Das zweite Element taucht später in Namen wie Otsuka auf, was auf die Bedeutung solcher Stellen im Volksgedächtnis hindeutet. Diese kleinen Hügel dienten jedoch nichts anderem als der getrennten Entsorgung schwer verweslicher Essensreste. Hinweise, dass diese Überreste als ehemalige Lebewesen rituell entsorgt wurden, gibt es nicht. Über die systematische Bestattung von Tierresten siehe jedoch weiter unten. In der allgemeinen Religionsgeschichte liefern primitive Grabstätten häufig Anhaltspunkte für eine religiöse Perspektive, jedoch können in der japanischen Vorgeschichte wenige Schlüsse in dieser Hinsicht gezogen werden. Auch in Gegenden, die für mehrere Begräbnisse benutzt wurden, sind Skelette nicht in signifikanten Positionen (wie etwa in einer bestimmten Himmelsrichtung) aufgefunden worden. Gelegentliche Funde in Embryonalstellung könnten auf Platzmangel zurückgeführt werden. Ein zunehmendes Interesse an die Verstorbenen wird durch die Beilage von kleinen Gegenständen wie Perlen (von Ketten), Ohrringe oder Armringe dokumentiert.4 Als im Wesentlichen dekorative Gegenstände liefern sie keinen Beweis für eine Vorstellung von Bedürfnissen in einem Jenseits nach dem Tod. Andererseits beweisen sie auf jeden Fall Respekt für die Verstorbenen seitens der Überlebenden. Die Vermutung, prähistorische Begräbnisse dienten einem religiösen Bedürfnis, unzufriedene Geister zu besänftigen,5 kann man wohl als Rückprojektion aus späterer Zeit bewerten. In neuen Entdeckungen sind Hinweise auf das systematische Begraben von Körperteilen von Tieren, insbesondere Bären, Delphinen und Wildschweinen gefunden worden, und man könnte als Hintergrund eine Vorstellung vermuten, dass getötete Tiere eine Besänftigung brauchen. Dies lässt sich jedoch nicht definitiv sagen, und für damit verbundene Riten gibt es keine Anhaltspunkte.6 Im sogenannten Bärenkult des benachbarten Ainu-Volks ist eine derartige Besänftigung ein Element gewesen, jedoch ist die Evidenz dafür selbstverständlich viel später.7 Man kann sich höchstens etwas fantasievoll in die Lage der steinzeitlichen Menschen hineinversetzen. Vom Gesichtspunkt ihres praktischen Lebens ergab sich die Notwendigkeit, Reste organischen Materials außerhalb der eigenen Wohnstätten zu deponieren. Diese Motivation könnte als archaische Grundlage für das spätere Konzept von kuyo angenommen werden, also die Fürsorge für die Geister verstorbener Wesen, ob menschlich oder aus der Welt der Tiere und der Fische. Somit wäre dies ein Ausgangspunkt für ein durchgehaltenes Merkmal der japanischen Religion im Allgemeinen, nämlich die rituelle Entsorgung von Körperteilen wie Nabelschnüren, den abgeschnittenen Nasen oder Ohren von Kriegsgegnern,8 oder sogar von modernen Körperergänzungen wie Brillen! Für die japanische Vorgeschichte lassen sich aber keine derartigen Motive nachweisen. Ähnliches muss für die Idee gesagt werden, dass prähistorische »Japaner« glaubten, dass die Geister ihrer Verstorbenen in die Berge gingen und sich dort in die kami(Gottheiten) eines uralten Shintos verwandelten. Man hat dies, natürlich spekulativ, als eine prä-buddhistische Form der japanischen Ahnenverehrung bewertet.9 In diese Richtung gehen einige Andeutungen in der berühmten Gedichtsammlung Man’yoshu (s. auch unten), jedoch haben sie für die prähistorische Zeit an sich keine Beweiskraft. Im Allgemeinen ist das Neolithikum auf den japanischen Inseln durch die Kontinuität einer Kultur der Jagd, des Fischfangs, vom Sammeln der Bodenfrüchte, und des Kochens charakterisiert, die auch für die koreanische Halbinsel und das nordasiatische Festland typisch war und teilweise noch ist. Aus späteren Zeiten ist bekannt, dass eine derartige Lebensweise bei vielen benachbarten Volksstämmen durch schamanistische Vorstellungen und Rituale begleitet wurden. Vor allem sind hier wieder die Ainu zu nennen, die weite Teile Nordjapans inklusive Hokkaido bewohnten, bis sie durch japanische Kolonialisten radikal verdrängt wurden.10 Ainu bewohnten auch die nördliche Insel Sachalin, die nur in modernen Zeiten kurz unter japanische Kontrolle geriet. In diesem Kontext sind die Übergänge zur schamanistischen Kultur Nordasiens eindeutig.11 In schamanistisch geprägten Kulturen spielt Tiersymbolik eine wichtige Rolle, und dies kann mit entsprechender Vorsicht als eine Wurzel für derartige Elemente in der späteren japanischen Religionsgeschichte gesehen werden, wie z.?B. das Tragen eines Hirschfells bei den Bergasketen (yamabushi, s. unten) oder die Darbietung von Hirschköpfen an die kami des Suwa-Schreins, obwohl Tieropfer an sich kaum eine Rolle im Shinto spielt.12 In diesem Zusammenhang ist Hans Findeisens Konzept einer Tierschicht in der kulturellen Archäologie des Schamanismus sehr aufschlussreich.13 Es ist auf jeden Fall nachvollziehbar, dass Jäger und Sammler in einem intensiven Verhältnis zu den Tieren und Vögeln ihrer Umwelt leben, und dass einige Individuen auf dieser Grundlage besondere Fähigkeiten auf dem Gebiet der Kommunikation und der Vermittlung entwickeln. So entsteht das Schamanentum in seinen vielen Variationen, und das Nachhallen durch die Jahrhunderte, sogar bis hin zu der Gründung einiger neuen Religionen, rechtfertigt die Vermutung, dass es auch in der Vorgeschichte Japans nicht gefehlt hat. Andererseits ist Vorsicht geboten. Im späteren Verlauf kann man grob zwischen drei Typen des Schamanismus unterscheiden: eine unerwartete Besessenheit durch einen kami, die zu neuen religiösen Aktivitäten führt, eine mehr oder weniger berufliche Ausbildung beispielsweise von blinden Schamaninnen in Nordostjapan, und das bewusste Erstreben von übernatürlichen Kräften seitens der buddhistisch beeinflussten Bergasketen. Keine dieser unterschiedlichen Zugänge kann unmittelbar auf die Vorgeschichte zurückgeführt werden. Der Wunsch, eine derartige religiöse Kultur direkt für moderne...


Prof. Michael Pye was Professor of Religious Studies at Philipps University of Marburg.



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