Rauchensteiner / Broukal Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914-1918
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-205-20282-0
Verlag: Böhlau
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
In aller Kürze
E-Book, Deutsch, 276 Seiten
ISBN: 978-3-205-20282-0
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Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Militärgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte
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Der Vorabend [<<13||14>>] Hundertjahr-Feier der Völkerschlacht von Leipzig in Wien, 16. Oktober 1913. Kaiser Franz Joseph vor den Fahnendeputationen an der Ringstraße. Rechts von ihm der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und die Erzherzöge mit militärischen Rängen. In der zweiten Reihe ganz rechts Erzherzog Friedrich. [<<14||15>>] Der alte Mann an der Donau Beim Zweiten Weltkrieg scheint die Sache klar zu sein: Deutschland wollte ihn, Deutschland entfesselte ihn. Beim Ersten Weltkrieg sind sich die Historiker auch nach hundert Jahren nicht einig. Nicht einmal darüber, ob es sich um die »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« handelte. Sicher ist eines: Innerhalb einer Generation kämpften dieselben Staaten wieder gegeneinander – mit einer Ausnahme: Österreich-Ungarn war am Ende des Ersten Weltkriegs Geschichte … 1914 waren die Gegensätze unter den europäischen Groß- und Mittelmächten mit Händen zu greifen: Deutschland war wirtschaftlich die Nummer eins in Europa geworden und wollte es auch militärisch sein. Frankreich wollte die im Krieg von 1870/71 verlorenen Gebiete Elsass und Lothringen zurückhaben. Russland träumte davon, sich nach dem Westen und vor allem bis zu den Meerengen des Bosporus und der Dardanellen zu vergrößern. Großbritannien wollte nicht, dass ein Staat auf dem Kontinent übermächtig würde oder sein weltumspannendes Reich infrage stellte. Und Österreich-Ungarn? In Wien und Budapest wollte man bloß, dass alles so blieb wie es war. Man fühlte sich im Vergleich zu den anderen Mächten schwach. Wollte verhindern, in die Bedeutungslosigkeit abzusinken. Dieses Österreich-Ungarn war ein merkwürdiges Gebilde. Eigentlich handelte es sich um zwei Staaten mit einem gemeinsamen Staatsoberhaupt, einer gemeinsamen Außenpolitik, einer gemeinsamen Währung und einer gemeinsamen Armee. Im westlichen dieser beiden Staaten, »den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern«, hatten die Deutsch sprechenden Bewohner das Sagen. Im östlichen, »den Ländern der Stephanskrone«, herrschten die Ungarn. Die slawischen Bewohner der Doppelmonarchie sahen sich oft als zweitrangig. So blieben Tschechen und Slowaken, Slowenen, [<<15||16>>] Serben und Kroaten unzufrieden. Und als ihnen am Ende des Ersten Weltkriegs die Sieger die Chance boten, gründeten sie ihre eigenen Nationalstaaten und zerstörten Österreich-Ungarn. Die Gebiete der Donaumonarchie, in denen Ruthenen, Polen, Italiener und Rumänen lebten, suchten ebenso einen Neubeginn. Dass dieses Österreich-Ungarn, ein übernationales Reich in der Zeit der Hochblüte des Nationalismus, es überhaupt bis 1914 geschafft hatte, verbindet man meist mit der Person seines seit Menschengedenken regierenden gemeinsamen Herrschers. Kaiser und König Franz Joseph I. war als Achtzehnjähriger im Revolutionsjahr 1848 auf den Thron gekommen. Hatte in jungen Jahren sein Reich in eine Reihe unglücklich verlaufener Kriege geführt, später den Ausgleich mit den seit der niedergeschlagenen Revolution von 1848 in Gegnerschaft verharrenden Ungarn erreicht. Er hatte zögernd immer mehr Menschen das Wahlrecht zugestanden, aber oft selbstherrlich die Reichspolitik bestimmt. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges war der damals 84-Jährige für die meisten Bewohner der Doppelmonarchie immer schon da gewesen … 1908: Österreich nimmt sich Bosnien-Herzegowina Im Jahr 1878 hatten sich Europas Großmächte darauf geeinigt, Österreich-Ungarn zwei Provinzen der Türkei zur Verwaltung zu übergeben: Bosnien und Herzegowina. Dreißig Jahre später, am 7. Oktober 1908, erklärte Österreich-Ungarn Bosnien und Herzegowina auch formell zu seinem Staatsgebiet. Serbien reagierte wütend. Rief einen Teil seiner Soldaten zu den Waffen. Großbritannien und Deutschland vermittelten. Serbien musste erklären, dass es seine Beziehungen zu Österreich-Ungarn wieder positiv gestalten wollte. Musste versprechen, seine Vorbehalte gegen die Annexion Bosnien-Herzegowinas aufzugeben, keine feindseligen Absichten [<<16||17>>] zu hegen und gute Nachbarschaft leben zu wollen. Aber in Serbien gärte es. Führende Persönlichkeiten fanden sich in geheimen Organisationen. Ihr Ziel: Alle Gebiete, in denen Südslawen lebten, sollten in einem großen südslawischen Königreich vereinigt werden. Das schloss auch die in Österreich-Ungarn lebenden Serben, Kroaten und Slowenen ein. Der Chef des Generalstabs der kaiserlichen und königlichen (k. u. k.) Armee, General Franz Conrad von Hötzendorf, forderte daraufhin einen Krieg gegen Serbien. Die von Serbien ausgehende Gefahr sollte ein für alle Mal beseitigt werden. Conrad scheiterte am Widerstand des Außenministers Alois Lexa von Aehrenthal und dem des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand. 1912 – 1913: Zwei Mal Krieg vor Österreichs Haustür Wenige Jahre später, 1912, führte Serbien zusammen mit Bulgarien und Griechenland Krieg gegen die Türkei. Serbien wollte einen Zugang zur Adria gewinnen, dehnte die Kämpfe dorthin aus. Österreich hielt dagegen. Wieder stellte man sich in Wien die Frage: Sollte Österreich-Ungarn gegen Serbien in den Krieg ziehen? Ein Teil der Staatsführung war dafür, aber die Oberhand behielten die Kriegsgegner. Schließlich gab es eine diplomatische Lösung. Die europäischen Großmächte schufen den Staat Albanien, der Serbiens Zugang zur Adria blockierte. 1913 zerstritten sich die Sieger des Ersten Balkankriegs: Serbien und Griechenland führten Krieg gegen Bulgarien. Serbien gewann neues Land im Süden, mit zusätzlichen Einwohnern. Besetzte auch Teile von Albanien. Nach Ansicht der Kriegsbefürworter in Wien wurde es damit noch gefährlicher. Im Oktober 1913 verlangte Wien den Rückzug Serbiens aus Albanien. Wieder gab [<<17||18>>] Serbien nach, wieder war der Krieg vermieden worden, zum Ärger jener Teile der k. u. k. Staatsführung, die nur einen geeigneten Anlass zum Losschlagen suchten … Deutschland hatte, wann immer es in diesen Jahren Krieg hätte geben können, Österreich-Ungarn seine bedingungslose Unterstützung zugesagt. Ein Kontinent des Gegeneinanders Im Europa des 19. Jahrhunderts galt Krieg als etwas Normales im Leben der Nationen. Als »Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«, wie der preußische Militärschriftsteller Carl von Clausewitz formuliert hatte. Das galt auch für Angriffskriege. Jeder Staat versuchte, die eigene Kraft durch Bündnisse zu verstärken. Deutschland fühlte sich durch Frankreich im Westen und Russland im Osten bedroht. Es schloss 1879 ein Bündnis mit Österreich-Ungarn. 1882 kam Italien dazu. Ein, wie sich zeigen solle, sehr unsicherer Partner mit Ambitionen auf Kolonien in Afrika und Gebietserwerb auf dem Ostufer der Adria. Frankreich und Großbritannien setzten 1904 diesem »Dreibund« ein eigenes Bündnis entgegen, die »Entente cordiale« (»herzliches Einvernehmen«). Russland kam 1907 als dritter Partner dazu. Dem Dreibund schloss sich wiederum Rumänien als heimlicher Verbündeter an. Serbien stand unter dem besonderen Schutz Russlands. Losschlagen oder auf den Angriff des Gegners warten? Klar, dass die Bündnispartner militärische Absprachen trafen. In Berlin ging man davon aus, dass Deutschland von Frankreich und Russland in die Zange genommen werden könnte. Um im Fall eines [<<18||19>>] Zweifrontenkriegs bestehen zu können, sollte nach den Plänen des deutschen Generalstabschefs Alfred von Schlieffen zunächst Frankreich angegriffen und niedergeworfen werden. Anschließend ginge es gegen Russland. Schlieffens Nachfolger, Helmut von Moltke, fand daran nichts auszusetzen. Österreichs Militärplanung war flexibler, wollte aber ebenso Prioritäten setzen. Ein Teil des Heeres sollte gegen Russland, ein anderer gegen Serbien aufmarschieren. Ein dritter Teil sollte dort zum Einsatz kommen, wo man ihn dringender brauchte: Falls es Krieg mit Russland gab, an dieser Front. Falls nicht, auf dem Balkan. Am liebsten wäre Conrad gewesen, wenn Österreich-Ungarn von sich aus Serbien oder auch (das mit Österreich verbündete!) Italien angreifen würde. So stünde später die ganze Kraft der k. u. k. Monarchie für den Kampf gegen Russland zur Verfügung. » Losschlagen, bevor es zu spät ist, weil die Gegner immer stärker werden« – das war ein in Deutschland und in der k. u. k. Monarchie weitverbreiteter Gedanke. In Deutschland, um die empfundene Einkreisung durch Frankreich und Russland zu beenden, in Österreich aber auch, um die dahinkränkelnde, am Streit der Nationalitäten leidende...