Reinhart | "Wir wollten einfach unser Ding machen" | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 945, 424 Seiten

Reihe: Campus Forschung

Reinhart "Wir wollten einfach unser Ding machen"

DDR-Sportler zwischen Fremdbestimmung und Selbstverwirklichung
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-593-40859-0
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

DDR-Sportler zwischen Fremdbestimmung und Selbstverwirklichung

E-Book, Deutsch, Band 945, 424 Seiten

Reihe: Campus Forschung

ISBN: 978-3-593-40859-0
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Funsport in der DDR - das klingt wie ein Widerspruch in sich. Kai Reinhart zeigt, dass der sozialistische Sport als ein Werkzeug der Disziplinierung im Sinne Michel Foucaults gedacht war. Gleichzeitig aber erforscht er am Beispiel des Bergsteigens und des Skateboardens auch den informellen Sport und stellt dar, wie dieser durchaus zu einem Mittel der Selbstbestimmung wurde.

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1;Inhalt;8
2;Vorwort;12
3;1. Einleitung;14
3.1;1.1 Ziel, Methodik und Aufbau der Arbeit;14
3.2;1.2 Grundzüge der DDR-Forschung;17
3.3;1.3 Foucaults Analyse der modernen (sozialistischen) Herrschaft;25
3.4;1.4 Grundzüge der Erforschung des DDR-Sports nach der Wende;33
4;2. Theorie und Geschichte der Leibesübungen im Lichte Foucaults;43
4.1;2.1 Zur Theorie der Leibesübungen;43
4.2;2.2 Die Geschichte der Körpererziehung in der Bio-Macht;45
4.3;2.3 Zwischenbilanz;49
5;3. Körperkultur und Sport (KKS) in der DDR;52
5.1;3.1 Die Ideologie;55
5.2;3.2 Der Nachwuchsleistungssport (NWLS);62
5.3;3.3 Das Sportabzeichen (BAV-Komplex);81
6;4. Erstes Resümee: Sport als soziale Praxis der sozialistischen Herrschaft;88
6.1;4.1 Ideologie;88
6.2;4.2 Leistungssport;92
6.3;4.3 Massensport;99
6.4;4.4 Sport-Wissenschaft;105
6.5;4.5 Informeller Sport;107
7;5. Theorie und Geschichte des Subjekts im Lichte Foucaults;111
7.1;5.1 Die Theorie des Subjekts;111
7.2;5.2 Die Geschichte des Subjekts in der Antike;114
7.3;5.3 Moderne Leibesübungen als Technologie des Selbst;118
7.4;5.4 Zwischenbilanz;120
8;6. Oral History;122
8.1;6.1 Oral History in der DDR-Forschung;123
8.2;6.2 Theoretische und methodologische Probleme;124
8.3;6.3 Zwischenbilanz;131
9;7. Das Sächsische Bergsteigen;133
9.1;7.1 Historischer Hintergrund;134
9.2;7.2 Quellen- und Forschungslage;139
9.3;7.3 Organisatorische Weichenstellung;148
9.4;7.4 Die Kletterklubs;154
9.5;7.5 Die einheitliche Sportklassifizierung;161
9.6;7.6 Die Entwicklung der Kletterkunst;170
9.7;7.7 Zwischenbilanz;183
10;8. Skateboarden in der DDR;192
10.1;8.1 Historischer Hintergrund;193
10.2;8.2 Quellen- und Forschungslage;202
10.3;8.3 Anfänge;206
10.4;8.4 Organisation;216
10.5;8.5 Ausrüstung;225
10.6;8.6 Stilkultur;236
10.7;8.7 Wettkämpfe;249
10.8;8.8 Zwischenbilanz;256
11;9. Theorie und Geschichte des Widerstandes im Lichte Foucaults;267
11.1;9.1 Die Theorie des Widerstandes;268
11.2;9.2 Die Geschichte des Widerstandes seit den sechziger Jahren;270
11.3;9.3 Zwischenbilanz;274
12;10. Das Verhältnis der Bergsteiger und Skateboarder zu Staat und Partei;276
12.1;10.1 Quellen- und Forschungslage;276
12.2;10.2 Die Bergsteiger;277
12.3;10.3 Die Skateboarder;310
13;11. Zweites Resümee: Informeller Sport als soziale Praxis des Widerstandes;322
13.1;11.1 Die Kunst, »sein eigenes Ding zu machen«;322
13.2;11.2 Pioniere des Umbruchs;326
14;12. Kritische Anmerkungen zur Foucaultschen Theorie;330
14.1;12.1 Vorzüge;330
14.2;12.2 Nachteile;332
14.3;12.3 Die marxistische Tradition;337
15;13. Ausblick;340
15.1;13.1 Parkour – Eine neue Bewegungskunst;340
15.2;13.2 Risiko in der Sicherheitsgesellschaft;342
15.3;13.3 Sport und das Ethos der Grenzhaltung;344
16;Verzeichnis der Interviewpartner;348
16.1;Sächsisches Bergsteigen;348
16.2;Skateboarden;350
17;Medienverzeichnis;353
17.1;Literatur;353
17.2;Gipfelbücher;395
17.3;Filme;396
17.4;Musik;397
18;Abkürzungsverzeichnis;398
19;Anhang;402
19.1;Dok. 1: Offener Beschwerdebrief sächsischer Bergsteiger an Walter Ulbricht (13.2.1960);404
19.2;Abschrift von Dok. 1;411
19.3;Dok. 2: Einladung des American Alpine Club (AAC) für Bernd Arnold (29.1.1981);418
19.4;Dok. 3: Schreiben von DWBO-Vizepräsident Leder an DTSB-Präsident Ewald (6.1.1987);420
19.5;Abschrift von Dok. 3;422
19.6;Dok. 4: Mitteilung von DWBO-Generalsekretär Grallert an DWBO-Vizepräsident Leder (2.3.1987);424
19.7;Dok. 5: Schreiben von DTSB-Vizepräsident Geilsdorf an DWBO-Vizepräsident Leder (19.9.1985);425


8. Skateboarden in der DDR (S. 191-192)

Skateboarden ist spätestens seit den neunziger Jahren ein weltweit ausgeübter Sport, der zum Straßenbild jeder größeren westlichen Stadt gehört. Anders als traditionelle Sportarten kommt er dabei weitgehend ohne feste organisatorische Strukturen aus, weshalb genaue Zahlen schwer zu ermitteln sind. Laut Seewaldt (1990, S. 21) soll es 1988 weltweit zwei bis drei Millionen Skater gegeben haben. Diese Zahl scheint sehr niedrig angesetzt zu sein, denn nach Berichten des amerikanischen Magazins Transworld Skateboarding waren es 1990 allein in den USA über neun Millionen (vgl. Borden, 2006, S. 184) und 2003 weltweit über 22 Millionen Skateboarder (vgl. Rabinowitz, 2004). In der Bundesrepublik gab es Anfang der neunziger Jahre etwa 200.000 Skater (vgl. Doren & Pramann, 1991, S. 25f.), und im Jahre 2005 galten die Skateboarder mit etwa einer Million Fahrern als größte sportzentrierte Jugendszene in Deutschland (vgl. Bemerburg, 2005). Darüber hinaus ist Skateboarden ein Teil der Jugendkultur, der seit den fünfziger Jahren immer wieder neue Impulse setzte und Mode, Musik, Fotografie sowie Film maßgeblich beeinflusste.

Nachdem es aus den USA nach Europa gekommen war, ließ sich das Skateboarden auch vom Eisernen Vorhang nicht aufhalten und sickerte mit zeitlicher Verzögerung ab Ende der siebziger Jahre in das sozialistische Lager ein. Das Skateboarden kann nur im internationalen Kontext verstanden werden, der noch weitaus stärker als das Bergsteigen von den USA bestimmt wurde. »Telling the story of skateboarding is like telling the story of American History«, schrieb Rhyn Noll (2000, S. 10), einer der wenigen Hobbyforscher des Skateboardens.

Bis zur Wende waren die ostdeutschen Skateboarder eine äußerst überschaubare Gruppe, und eine DDR-weite Szene war erst in Ansätzen vorhanden, sodass noch 1992 manche Skateboarder aus Westdeutschland im Osten das Gefühl hatten, »absolutes Neu-Land« zu betreten und »Skateboard- Entwicklungshilfe« zu leisten (vgl. Ludewig, 1992, S. 41). Selbst den meisten DDR-Bürgern blieb anscheinend verborgen, dass in ihrem Land geskatet wurde, wie sich in zahlreichen Gesprächen herausstellte, und eine längere Recherche war nötig, bis erste Zeitzeugen des DDR-Skatens gefunden werden konnten. Wie im Laufe der Studie deutlich wurde, gab es in Ostdeutschland ca. 200–300 Skater, hauptsächlich in Ostberlin, Dresden sowie Leipzig. Die folgende Darstellung ist daher eine »Graswurzelgeschichte « einzelner lokaler Szenen.

8.1 Historischer Hintergrund

Die Ursprünge des Skateboardens liegen in der spielerischen Fantasie von Kindern, insbesondere in den wohlhabenden USA. »Two hundred years of American technology has unwittingly created a massive cement playground of unlimited potential. But it was the minds of 11 year olds that could see that potential« (Stecyk III., 2000 [1975], S. 2). Neben dem »cement playground« war die Verbreitung funktionstüchtiger Rollschuhe in Amerika eine weitere wichtige Voraussetzung für die spielerische Entwicklung erster Skateboards (vgl. Wilhite, 1994; Turner & Zaidman, 1997). Das Skateboarden lässt sich, wie viele Sportarten, nicht auf eine einzelne Erfindung oder ein einzelnes Ereignis zurückführen, sondern wurde von Kindern in verschiedenen Varianten immer wieder neu erfunden. Ein amerikanischer Zeitzeuge erinnerte sich: »I was nine years old in 1961, and I was there the day they invented the skateboard, at least in my neighborhood« (Schmidt, 2003, S. 18).

8.1.1 Skateboarden in den USA

Schmidt relativiert seine Äußerung zu Recht, denn bereits im Jahre 1927 wurde in den USA ein Rollbrett für Kinder namens Kne-Koster [sic] auf den Markt gebracht (vgl. Thrasher, 1992), und 1936 wurde das erste Patent auf ein Skateboard angemeldet (vgl. Noll, 2000, S. 14f.). Solches Spielzeug war aber für viele Familien unerschwinglich, sodass viele Kinder auf eigene Konstruktionen aus alten Rollschuhen oder Rollern angewiesen blieben (vgl. Rose, 1999, S. 8; Noll, 2000, S. 18f.; www.skullskates.com/museum/ homemade.html).


Kai Reinhart, Dr. phil., ist Akademischer Rat am Institut für Sportwissenschaft der Universität Münster.



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