E-Book, Deutsch, 166 Seiten
Rief / Hautzinger / Lincoln Leitlinienorientierte Psychotherapie
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-8444-3287-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 166 Seiten
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie
ISBN: 978-3-8444-3287-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Umsetzung einer leitlinienorientierten Behandlung ist das Kernstück einer fachpsychotherapeutischen Weiterbildung. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der neuen Approbationsordnung für Psychotherapie 2020 der Orientierung an Leitlinien im Rahmen der fünf Stationen, die in der Parcoursprüfung zum Gegenstand gemacht wurden, besonderen Stellenwert eingeräumt. Offensichtlich werden auch im Bereich der Psychotherapie Vorteile darin gesehen, sich an Leitlinien zu orientieren.
Das Buch stellt einleitend den theoretischen Rahmen von Leitlinien dar, erläutert wie Leitlinien in der Psychotherapie berücksichtigt werden können und beleuchtet Stärken und Schwächen von Leitlinien. Den Schwerpunkt des Buches bildet die kompakte und praxisorientierte Darstellung der Hauptempfehlungen zur Psychotherapie aus den deutschsprachigen und internationalen Empfehlungen zur Psychotherapie bei den wesentlichen Störungsgruppen. Psychotherapeutisch Tätige bekommen in diesem Buch eine verlässliche Entscheidungshilfe an die Hand: Welche Diagnosemethoden haben sich bewährt, welche Therapien und therapeutischen Techniken sind bei welchem Störungsbild nachweislich wirksam und wie sollte die Versorgung am besten erfolgen? Dies soll die Entscheidung zwischen effektiven und weniger effektiven Behandlungsmethoden für den spezifischen Einzelfall erleichtern.
Evidenzbasierte Psychotherapie ist nicht mit unflexibler, voll standardisierter Behandlung gleichzusetzen: Auch evidenzbasierte Maßnahmen können und sollen hochpersonalisiert auf die spezifische Problemlage der Patientin oder des Patienten zugeschnitten werden. Das Buch liefert somit allen, die Psychotherapie nach bestem Wissensstand und entsprechend der Bedürfnisse ihrer Patientinnen und Patienten anbieten wollen, eine wichtige Entscheidungshilfe. Lernkontrollfragen inkl. Antworten zum Band können nach erfolgter Registrierung von der Webseite des Hogrefe Verlags heruntergeladen werden.
Zielgruppe
Studierende, Ausbildungskandidat*innen und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung, Ärztliche und Psychologische Psychotherapeut*innen, Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psycholog*innen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
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|8|2 Entstehung von Leitlinien und ihre methodischen Grundlagen
Tania Lincoln & Martin Härter Idealerweise unterliegen Leitlinien einem systematischen und transparenten Entwicklungsprozess. Im Folgenden wird beschrieben, wie in Deutschland und international üblicherweise fachspezifische Leitlinien entwickelt werden und welche Systematik diesen zugrunde gelegt wird. 2.1 Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
Grundlage für die Entwicklung der AWMF-Leitlinien ist das sogenannte AWMF-Regelwerk. Dieses Regelwerk beschreibt die Schritte zur Erstellung und Publikation aktueller und hochwertiger Leitlinien der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften im AWMF-Leitlinienregister. Es dient zum einen der Sicherstellung und Darlegung der Qualität der einzelnen Leitlinien und zum anderen der Qualität des AWMF-Leitlinienregisters. Es besteht aus zwei Teilen, einerseits den Hilfen für die Leitlinienentwicklung und andererseits den AWMF-Regeln für das Leitlinienregister (siehe https://www.awmf.org/regelwerk). Der erste Teil des AWMF-Regelwerkes unterstützt mit seinen Ablaufplänen, Hilfen und Werkzeugen die Leitlinienentwickelnden. Ziel dieses Teils ist es, die Leitlinien der Fachgesellschaften nach einem reproduzierbaren Verfahren mit einem bestmöglichen wissenschaftlichen Anspruch zu erstellen und den Erstellungsprozess transparent zu machen. Dazu gehören unter anderem die Regelung der Verantwortung für die Leitlinienentwicklung, die Zusammensetzung der Leitliniengruppe, das Anwenden einer adäquaten Methodik zur Evidenzbasierung und strukturierten Konsensfindung sowie die Erklärung von Interessen und die Bewertung und der Umgang mit Interessenkonflikten. Der erste Teil des Regelwerkes soll auch die Erfüllung der Qualitätskriterien erleichtern, die im internationalen Instrument zur methodischen Leitlinienbewertung („The Appraisal of Guidelines for Research and Evaluation“ [AGREE II]) aufgeführt sind. Der zweite Teil des AWMF-Regelwerkes beschreibt die Verfahren, die im Rahmen des internen Qualitätsmanagements angewandt werden, um das AWMF-Leitlinienregister aktuell und auf einem hohen Qualitätsniveau zu halten. |9|Dazu gehört unter anderem die Überprüfung angemeldeter Leitlinienprojekte in Zusammenschau mit bereits publizierten Leitlinien sowie die Überprüfung der Stufenklassifikation und der Aktualität jeder einzelnen Leitlinie. Der zweite Teil des Regelwerkes dient damit der Sicherstellung der Qualität des Leitlinienregisters. Das AWMF-Regelwerk unterscheidet qualitativ zwischen S1-, S2- und S3-Leitlinien (vgl. Kasten), wobei es innerhalb der Kategorien teils weitere Unterteilungen gibt. Stufenklassifikation der AWMF-Leitlinien S1-Leitlinie Eine repräsentativ zusammengesetzte Expertengruppe der Fachgesellschaft(en) erarbeitet im informellen Konsens eine Empfehlung, die final vom Vorstand der Fachgesellschaft(en) und der ggf. weiteren beteiligten Organisationen verabschiedet wird. S2-Leitlinie S2k-Leitlinie (konsensbasierte S2-Leitlinie) Die Leitliniengruppe ist repräsentativ für den Adressat:innenkreis, Fachgesellschaft(en) und/oder Organisation(en) inklusive der Patient:innen bzw. Bürger:innen werden frühzeitig eingebunden. Die Methoden zur Formulierung der Empfehlungen sind klar beschrieben, formale Konsensustechniken sind erforderlich. Die Empfehlungen basieren auf einer strukturierten Konsensfindung und werden unter neutraler Moderation abgestimmt. Eine Beschreibung zum methodischen Vorgehen (Leitlinienreport) ist hinterlegt. Angaben zum Gültigkeitszeitraum und zur Aktualisierung der Leitlinie sind enthalten. Die Leitlinie wird final von den Vorständen aller beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen verabschiedet. S2e-Leitlinie (evidenzbasierte S2-Leitlinie) Die Sichtweise und die Präferenzen von Patient:innen bzw. Bürger:innen werden ermittelt. Wissenschaftliche Evidenz zu den relevanten klinischen Fragestellungen wird systematisch recherchiert, ausgewählt und bewertet. Zur Evidenzermittlung werden systematische Methoden angewandt, das heißt, die Suchstrategie ist detailliert beschrieben mit der Auflistung verwendeter Suchbegriffe und Quellen. Die Auswahlkriterien für die Evidenz werden explizit dargelegt, inklusive der Gründe für den Einschluss (z.?B. Zielpopulation, Interventionen, Endpunkte, Sprache, Kontext, Studiendesign) und für den Ausschluss. |10|Die Qualitätsbewertung der Evidenz enthält eine nachvollziehbare Verknüpfung der Empfehlungen mit der Beschreibung der zugrunde liegenden Evidenz. Eine Beschreibung zum methodischen Vorgehen (Leitlinienreport) ist hinterlegt. Angaben zum Gültigkeitszeitraum und zur Aktualisierung der Leitlinie sind enthalten. Die Leitlinie wird final von den Vorständen aller beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen verabschiedet. S3-Leitlinie Die Leitliniengruppe ist repräsentativ für den Adressat:innenkreis, Fachgesellschaft(en) und/oder Organisation(en) inklusive der Patient:innen bzw. Bürger:innen werden frühzeitig eingebunden. Wissenschaftliche Evidenz zu den relevanten klinischen Fragestellungen wird systematisch recherchiert, ausgewählt und bewertet. Zur Evidenzermittlung werden systematische Methoden angewandt, das heißt, die Suchstrategie ist detailliert beschrieben mit der Auflistung verwendeter Suchbegriffe und Quellen. Auswahlkriterien für die Evidenz werden explizit dargelegt, inklusive der Gründe für den Einschluss (z.?B. Zielpopulation, Interventionen, Endpunkte, Sprache, Kontext, Studiendesign) und für den Ausschluss. Die Qualitätsbewertung der Evidenz enthält eine nachvollziehbare Verknüpfung der Empfehlungen mit der Beschreibung der zugrunde liegenden Evidenz. Die Methoden zur Formulierung der Empfehlungen sind klar beschrieben, dazu sind formale Konsensustechniken erforderlich, z.?B. Konsensuskonferenz, Nominaler Gruppenprozess oder Delphi-Verfahren. Die Empfehlungen werden im Rahmen einer strukturierten Konsensfindung unter neutraler Moderation diskutiert und abgestimmt, deren Ziele die Lösung noch offener Entscheidungsprobleme, die Festlegung des Empfehlungsgrades und die Messung der Konsensstärke sind. In der fertigen Leitlinie werden zu jeder Empfehlung Evidenz- und/oder...