E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Reihe: Scriptor Praxis
Römer Scriptor Praxis: Klassenarbeiten im Fach Mathematik gestalten
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-589-16776-0
Verlag: Cornelsen Scriptor
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Reihe: Scriptor Praxis
ISBN: 978-3-589-16776-0
Verlag: Cornelsen Scriptor
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
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1 Einführung
1.1 Aufbau des Buches
Es ist zwischen Mikroebene, also den einzelnen Aufgaben und der Makroebene, also der ganzen Klassenarbeit zu unterscheiden. Wie so oft ist die Summe der Teile nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem Ganzen. Das gilt auch für Klassenarbeiten. So garantiert eine Ansammlung guter Aufgaben nicht unbedingt eine hohe Qualität der ganzen Klassenarbeit. Und auch umgekehrt lässt sich bei einer nicht gelungenen Klassenarbeit nicht automatisch folgern, dass darin nur schlechte Aufgaben enthalten sind. Beide Ebenen sind dennoch in hohem Maße voneinander abhängig. Dieser Trennung und auch der Abhängigkeit soll anhand der Aufteilung des Buches Rechnung getragen werden. Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels wird als Einführung in das Thema eine Bestandsaufnahme anhand aktueller Forschungsbefunde vorgenommen. Im darauffolgenden Kapitel werden Begriffe geklärt und die verschiedenen Formen der schriftlichen Leistungsbewertung kurz beschrieben. Allgemeine Kriterien für die Analyse von Klassenarbeiten sowie ein kurzer theoretischer Hintergrund schließen sich an. In Kapitel 3 werden Hinweise zur visuellen Gestaltung von Aufgaben in einer Klassenarbeit gegeben. Diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten sind wichtiger als man gemeinhin vermutet, weil Layout und Typografie die optische Einladung zu einer schriftlichen Arbeit sind. Sie stellen eine der Ursachen für Erfolg oder Misserfolg in einer Klassenarbeit dar. In jenem Kapitel werden Mikroebene und Makroebene zusammen behandelt. Zahlreiche Beispiele und Hinweise illustrieren die Problematik der Gestaltung. Abbildung 1 Das vierte Kapitel ist der Mikroebene, also den einzelnen Aufgaben, gewidmet und schafft einen Überblick über wichtige Details beim Aufbau und der Erstellung aber auch der Veränderung von Mathematikaufgaben für Klassenarbeiten. Dort wird auch diskutiert, inwieweit Lern- und Leistungsaufgaben überhaupt zu trennen sind bzw. was sie auszeichnet. Vieles im Mathematikunterricht und im Binnenverhältnis zwischen Lehrendem und Lernendem unterliegt einer impliziten Vereinbarung, nach dem „die Lehrperson […] die Situation und ihre Erwartungen an die Lernenden so definieren [muss], dass die Lernenden diese auch erfüllen können“ (Bohlmann 2015, 85). So gilt auch bei der Erstellung von Klassenarbeiten, dass man trotz der Orientierung an sachlichen Kriterien auch die eigenen Schülerinnen und Schüler im Blick hat und haben muss. Dies ist Teil des didaktischen Vertrages (Brousseau 1997, 31), in dem es zwischen den schulischen Protagonisten weniger um eine allgemeine pädagogische Vereinbarung, sondern vor allem um einen Vertrag über mathematische Inhalte und allem, was damit zusammenhängt, geht. Demzufolge sind viele Elemente der Leistungserfassung durchaus individualisiert zu interpretieren. Ein praxisnaher Ratgeber muss in einem pragmatischen Ansatz die Unterrichtswirklichkeit und somit auch die (individuelle) Wirklichkeit der Leistungserfassung im Auge haben. Dazu kommt der arbeitsökonomische Aspekt: Je nach unterrichtetem Fach, gewählter Wochenarbeitszeit und entsprechenden Vorgaben müssen theoretisch bis zu 30 Klassenarbeiten, also in jeder Schulwoche durchschnittlich eine, konzipiert werden. Das fünfte Kapitel widmet sich der Makroebene, also der Zusammenstellung der einzelnen Aufgaben zu einer Klassenarbeit und versucht die Frage zu beantworten, wie aus einzelnen Aufgaben eine ganze Klassenarbeit entsteht. Anmerkungen zu möglichen differenzierenden Arrangements runden dieses Kapitel ab. Im letzten Kapitel tritt die Bewertung von Klassenarbeiten in den Vordergrund. Dies ist nicht das eigentliche Thema des Buches, muss aber bereits bei der Erstellung berücksichtigt werden und verdient aus diesem Grunde einen angemessenen Platz. Am Ende dieses Kapitels werden kurze Hinweise zur Rückmeldung an die Schülerinnen und Schüler gegeben. Das Buch ist nicht notwendigerweise linear zu lesen. Einzelne Kapitel und Abschnitte können getrennt voneinander bearbeitet werden. 1.2 Bestandsaufnahme
Mathematik-Klassenarbeiten waren bereits mehrfach Ziel von Untersuchungen in der Fachdidaktik. Drüke-Noe merkt zur Aufgabenkultur in Mathematik-Klassenarbeiten1 an, dass eine Reihe von Gemeinsamkeiten über alle untersuchten Klassenarbeiten als auch über unterschiedliche Schulformen hinweg bestehen (Drüke-Noe 2014, 97 ff.). Neben dem Mangel an einzelnen Kompetenzbereichen, wird festgestellt, dass in vielen untersuchten Arbeiten, der Anforderungsbereich III der Bildungsstandards der KMK (Kultusministerkonferenz 2004a, Kultusministerkonferenz 2004b) nicht oder nur selten berücksichtigt wird. So ist von einer „variationsarmen Aufgabenkultur“ und bei Klassen mit einem höheren Anspruchsniveau von einem „fast durchgängigem Umgehen mit unterschiedlich komplexen Kalkülen“ die Rede (Drüke-Noe 2014, 249). Es wird darauf hingewiesen, dass die Struktur der Zusammenstellung und die Auswahl der Aufgaben in den meisten Klassenarbeiten oft nur implizit bleibt bzw. nicht einem vorher festgelegten Schema folgt. Drüke-Noe/Schmidt (2015, 4 f.) rekurrieren in ihrer Zusammenfassung empirischer Studien zum Thema Klassenarbeiten vor allem auf die Daten und Erkenntnisse aus dem COACTIV2-Projekt: Ein hoher Anteil von Aufgaben in Klassenarbeiten, die eher technischen (lediglich Wahl eines passenden Lösungsverfahrens) oder rechnerischen (selbstständige Wahl eines Ansatzes zur Bearbeitung der Aufgabe) Charakter haben, der damit verbundene geringe Anteil von Aufgaben in Klassenarbeiten mit begrifflichem Charakter, der geringe Gebrauch von Argumentationen und/oder Reflexion in Klassenarbeitsaufgaben, die häufige Bezugnahme auf Standardaktivitäten, deren Charakter oft aus der Aufgabenstellung bereits herauszulesen ist. Leuders (2006) kommt zusammenfassend zu ähnlichen Ergebnissen über die Qualität vieler Klassenarbeiten. Seine Perspektive orientiert sich am diagnostischen Aspekt der Aufgaben. Dieser Aspekt, der mit Leistungserfassung eng verbunden ist, wird in traditionell strukturierten Klassenarbeiten sowohl bei der Erstellung aber auch bei der Beurteilung nicht ausreichend berücksichtigt. Leuders merkt an, dass „überwiegend geschlossene Aufgaben gestellt [werden], bei denen nur ein einziger ‚richtiger‘ Weg zu einem einzig ‚richtigen‘ Ergebnis erwartet und akzeptiert wird.“ (Leuders 2006, 79) Überdies „fragen die meisten Aufgaben lediglich Kenntnisse und Fertigkeiten auf einer mechanisch lernbaren Ebene ab – und fördern so das oberflächliche Lernen. Komplexere Aufgabenteile unterscheiden sich mitunter nur durch eine höhere technische Komplexität und nicht etwa durch höhere Anforderungen an die Selbstständigkeit oder das Reflexionsvermögen.“ (ebd., 80) Bezogen auf die diagnostischen Möglichkeiten einer Klassenarbeit resümiert Leuders: „Klassenarbeiten werden ausschließlich mit dem Ziel der Leistungsbewertung und nicht der Leistungsfeststellung geschrieben und propagieren zudem das kurzfristige Lernen.“ (ebd.) Dass das Schreiben von Klassenarbeiten häufig l’art pour l’art darstellt und die innewohnenden diagnostischen Chancen dieser Art der Erfassung von Leistungen viel zu oft nicht genutzt werden, ist somit ein zentraler Kritikpunkt. Die Makel traditioneller Klassenarbeiten werden auch von Lederer (2008) zusammengefasst. Sie kommt, basierend auf einer statistischen Aufgaben- und Klassenarbeitenanalyse von Mathematikarbeiten an Realschulen in Bayern, zu dem Schluss, dass nur rund die Hälfte aller betrachteten Aufgaben eine angemessene Trennschärfe aufweisen. Lederer (ebd., 83) beurteilt, aufgrund der zu hohen Schwierigkeit, rund ein Viertel der Aufgaben, als ungeeignet für Klassenarbeiten. Da die erwähnten Resümees zeitlich teilweise nach der ersten großen Veränderungswelle durch die Verabschiedung der Bildungsstandards im Fach Mathematik für die Sekundarstufe I im Jahr 2004 einzuordnen sind, liegt die Vermutung nahe, dass Veränderungen im Mathematikunterricht nur partiell in der Leistungserfassung angekommen sind. Vor diesem Hintergrund besitzt die in Drüke-Noe (2014, 39 f.) aufgestellte Liste, der durch Befragungen validierten Praxisbeobachtungen hinsichtlich des Anfertigens von Klassenarbeiten, wahrscheinlich immer noch Gültigkeit: „Demnach enthält eine Klassenarbeit Aufgaben zu jenem Inhalt, der im Unterricht „in letzter Zeit durchgenommen“ und nach Einschätzung der Lehrkraft hinreichend vorbereitet wurde, eine als (sehr) einfach eingeschätzte Aufgabe, von der erwartet wird, dass nahezu alle diese lösen können, eine als schwierig eingeschätzte Aufgabe, die nur sehr gute Schülerinnen und Schüler in der vorgegebenen Zeit korrekt lösen, und die zum Ziel hat, zwischen jenen mit einer guten und jenen mit einer sehr guten Note zu differenzieren, ein nach ansteigendem Schwierigkeitsgrad angeordnetes Spektrum von Aufgaben, deren Schwierigkeit nach subjektivem Ermessen vor dem Hintergrund der behandelten Unterrichtsaufgaben eingeschätzt wird, unterschiedlich umfangreiche Aufgaben, deren Umfang an der Anzahl der Bearbeitungsschritte „gemessen“ wird, häufig wenigstens eine Textaufgabe, die je nach Thema der...