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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Roselt Seelen mit Methode

Schauspieltheorien vom Barock bis zum postdramatischen Theater
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-89581-369-6
Verlag: Alexander
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Schauspieltheorien vom Barock bis zum postdramatischen Theater

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-89581-369-6
Verlag: Alexander
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ist Schauspielen eigentlich eine Kunst?

Schauspieler(innen) sind die Fixpunkte der Aufmerksamkeit im Theater. Seit dreihundert Jahren nehmen Theoretiker die Herausforderung an, schauspielerisches Handeln zu definieren. In Schauspieltheorien wird danach gefragt, ob der Schauspieler sich selbst oder jemand anderes spielt, ob seine Gefühle echt oder nur vorgetäuscht sind, ob er seinen Körper kontrolliertund kühl einsetzt oder unbewußt und unter Feuer spielt. Über welche geistigen und körperlichen Voraussetzungen müssen Schauspieler verfügen, und wie kann man diese schulen? Die Lektüre von Schauspieltheorien verspricht Aufschlüsse darüber, welches Menschenbild zu einer bestimmten Zeit in Szene gesetzt wurde, welches Körperverständnis vorherrschte und wie diese Menschenbilder im Theater wiederholt, bestätigt, in Frage gestellt und erweitert wurden.

Der Band versammelt zentrale schauspieltheoretische Texte vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Theorien von Franziscus Lang, Pierre Rémond de Sainte Albine, Francesco Riccoboni, G. E. Lessing, Denis Diderot, Johann Jakob Engel, J. W. Goethe, HeinrichTheodor Rötscher, William Archer, Max Martersteig, Georg Simmel, Konstantin S. Stanislawski, Bertolt Brecht, Helmuth Plessner, Richard Schechner u. a. werden in den historischen Kontext gestellt und erläutert. Eine systematische Einführung schafft den Überblick zu zentralen Kategorien der Schauspielkunst wie Nachahmung, Verkörperung, Natürlichkeit oder Emotionalität auf der Bühne.

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Franciscus Lang
ABHANDLUNG ÜBER DIE SCHAUSPIELKUNST § I. Was die Schauspielkunst ist und von ihrer Vortrefflichkeit. […] Als Schauspielkunst in meinem Sinne bezeichne ich die schickliche Biegsamkeit des ganzen Körpers und der Stimme, die geeignet ist, Affekte zu erregen. Und zwar umfaßt die Schauspielkunst sowohl die Beherrschung des Körpers selbst, die Bewegungen und Stellungen, als auch die Veränderung der Stimme, welche sie nach den Gesetzen der Kunst und Natur vereint, so daß sie den Zuschauern Genuß verschafft und daher wirksamer zum Affekt führt. § II. Ob zur Darstellung Kunst benötigt wird,
oder ob allein die Natur genügt. […] Nach der Erfahrung aller ist es gewiß, daß einige Bewegungen der Hände oder anderer Glieder dem Menschen von Natur aus angeboren sind, Bewegungen, mit denen er seine Rede belebt und dieser eine größere Kraft verleiht, als sie das bloße Aussprechen von Worten bewirkt. Aber diese Kraft ist noch roh und ungepflegt. Daher muß sie durch die Kunst verfeinert und zur Eleganz ausgebildet werden, damit sie ihren Zweck sicherer erreiche. Wie also in den übrigen Wissenschaften oder bei manuellen Tätigkeiten das Schaffen der Natur durch die Kunst vollendet wird, so geschieht es auch in der Schauspielkunst, die nichts anderes ist als eine Nachahmung der Sitten, und zwar der Sitten jener Personen, welche der Chorag durch die Darstellung vergegenwärtigt und auf der Bühne vorführt. Dies aber kann die Natur allein nicht rein und vollkommen leisten, da es gründlicher und vielfacher Überlegung bedarf, wie man eines anderen Handlungen zunächst im Geiste entwerfen, dann auch durch sorgfältige Angleichung des eigenen Körpers und der Stimme nachahmen soll: was die eigentliche Ausübung der Kunst ist. In dieser Arbeitsweise stimmt die Schauspielkunst genau mit dem Aufbau des Stückes überein, welches der Dichter ersinnt und zur Vorstellung auf der Bühne ausarbeitet; denn wie dieses durch geeignete Erfindung und Anordnung der Teile in schöner Abwechslung die Peripetien oder Verwicklungen der verschiedenen Geschehnisse und die Handlungsausgänge in eben der Form verbindet, wie sie der Dichter mit dem Ziel entwirft, die nötige Eigentümlichkeit des Themas und der Personen vollständig auszudrücken: so stellt auch die Schauspielkunst die nämlichen Personen, die im Verlaufe des Stückes eingeführt werden, in ihren Sitten und ihrem Tun auf der Bühne dar. Es gibt niemanden, der nicht wüßte, mit wieviel Kunstleistung und Beschwerlichkeit diese Aufgabe verbunden ist. Denn die Bühnenpersonen sind schlechterdings nicht mit jenen identisch, welche einst Geschichte gemacht haben, zum Beispiel war Senecas Medea nicht wirklich jene Tochter des Kolcherkönigs Aietes, sondern irgendeine Nachahmerin derselben, die auf der Bühne tat, was die andere wirklich vollbrachte. Und dieser erfundenen Medea hat der Dichter Worte und Taten zugewiesen: nicht gerade das, was sie sagte, als sie ihre Söhne ermordete, sondern was man passenderweise meinen könnte, sie würde es gesprochen haben, wenn sie im Rausch der Rache gesprochen hätte. Ein solches Drama aber mittels wahrscheinlicher Wirkungen der vorausgesetzten Ursachen zu einem Abbild der Natur zu machen, wird nach dem Urteil aller als eine außerordentliche Fähigkeit der Kunst angesehen, die entweder zu erlernen oder auszuüben sowohl Jünglinge wie Männer sich beharrlich abmühen. Was aber der Dichter bei der Erfindung des Dramas dadurch vollbringt, daß er, um die Natur nachzuahmen, die Worte den Affekten seiner Personen anpaßt, eben das setzt er später mit Hilfe der Schauspielkunst fort, indem er, um dieselbe Natur nachzuahmen, durch eine äußere Beherrschung des ganzen Körpers die Affekte der Personen auf der Bühne zeigt, was man allein schon für ein herrliches Werk der Kunst halten muß. […] § III. Von welchen Grundlagen aus die Schauspielkunst erstrebt
werden soll, und welche Körperteile hauptsächlich für
sie gut auszubilden sind. […] Nach deren* Meinungen also, wie geschmackvolle Körperbewegungen und ausgesuchte Anordnungen der Glieder erfolgen sollen, ist hauptsächlich auf diejenigen Körperteile zu achten, mit welchen sämtliche richtigen und natürlichen Bewegungen ausgeführt werden: zuerst auf die Fußsohlen und die Füße selbst; ferner auf die Knie, auf Stand, Schritt und Bewegung der Füße; dann auf die Hüften, Schultern und den eigentlichen Rumpf des Körpers; außerdem auf die Arme, Ellenbogen und Hände; ja sogar auf Hals, Kopf, Gesicht und Augen. Das allein ist schon über die Lage und Bewegung der Glieder zu lernen, ohne die Aussprache der Worte, worüber später zu sprechen sein wird. Jetzt beginne ich anzugeben, auf welche Art gemäß der Meinung der vorgenannten Künste jene Körperteile, gemeinsam und einzeln, zu beherrschen und zu ordnen sind. § IV. Über die Fußsohlen und Füße. Stellung der Füße. Beim Niedersetzen der Fußsohlen also, was das erste ist, muß darauf geachtet werden, daß sie niemals in gleicher Richtung, sondern immer um ein beträchtliches von einander abgekehrt auf die Bretter gestellt werden, und zwar so, daß, während die Zehen des einen Fußes auf die eine Seite weisen, der zweite sich zur anderen wendet. Es sei erlaubt, diese Art des Stehens und Gehens künftig Bühnenkreuz zu nennen, damit wir einen Ausdruck haben, mit dem wir das Gemeinte anschaulich bezeichnen. Um verständlich zu sprechen, füge ich einige figürliche Darstellungen bei, auf denen erheblich deutlicher sichtbar werden dürfte, was der stumme Buchstabe nicht genügend ausdrückt. Abb. I. Falscher Stand auf der Bühne. Und zwar zeige ich zuerst eine Gestalt voller Fehler, damit aus dem Gegensatz der Unterschied klar werde. Betrachte also auf der ersten Abbildung die Stellung der Füße, wie die Sohlen gewissermaßen auf eine einzige und gerade Linie gestellt sind, obwohl sie halb von einander abgewendet gesetzt werden müßten. Woraus eine verkehrte Haltung des ganzen Körpers entsteht, so daß der Schauspieler ganz wie ein Klotz und eine leblose Statue dasteht. Fehler der Arme und Ellenbogen. Fehler der Hand und der Finger. Aber auch die Arme und Ellenbogen und Hände haben bei dieser Gestalt nichts von Kunst und Schicklichkeit an sich; weiter unten wird nämlich dargelegt werden, daß das Spiel der Hände und Arme nicht nahe der Körpermitte erfolgen darf, indem man die Hände unter den Gürtel senkt, und daß weder beide Hände gleichförmig auszustrecken, noch die Ellenbogen und Arme in der Körpermitte an den Rumpf zu legen, noch die Finger bei geöffneter Hand gleichartig gerade zu halten sind. Aber jetzt wollen wir weiter über die Füße sprechen, und nicht nur über ihren Stand, sondern auch über den Gang, die Bewegung und den Bühnenschritt. Stand der Füße. Und was den Stand betrifft, so sorge man vor allem dafür, daß niemals beide Füße in einer geraden, gleichförmigen und parallelen Stellung auf den Brettern stehen; sondern immer werde der eine Fuß von dem anderen schräg abgewinkelt, so daß der eine beim Stehen eine beinahe gerade Linie, der andere eine schräge aufweist, oder sich die eine Fußsohle nach rechts, die andere jedoch nach links kehrt; der eine Fuß werde ein wenig vorgesetzt, der andere zurückgezogen. Das wird geschehen, wenn man den Körper selbst niemals in gerader und flacher, sondern immer in schräger Stellung bald mehr, bald weniger den Zuschauern zuwendet. So wird nämlich jeder Fuß notgedrungen, eben durch die selbst lenkende Natur, der Haltung und Stellung des übrigen Körpers folgen müssen; es wird dann nicht geschehen (wenn du keinen völlig verdrehten und widernatürlichen Stand einnimmst), daß bei schräger Haltung des Körpers beide Füße eine gerade Richtung beibehalten, sondern einer von beiden wird sich von dem anderen schräg abwinkeln müssen. Bühnenkreuz. Abb. III. […] Beim Gehen also und bei der Bewegung der Füße verlange ich einen bestimmten Bühnenschritt oder eine gewisse entschiedene, beständige Art des Gehens mit bestimmten Schritten. Dieser Bühnenschritt wird mit drei oder vier Tritten vollführt, wobei der Schauspieler so schreiten muß, daß das Bühnenkreuz […] beharrlich eingehalten wird, was auf jeden Fall zu beachten ist. Ich erkläre die Sache folgendermaßen. Will sich der Schauspieler auf der Bühne von einer Stelle zur anderen begeben und beim Gehen den Fuß vorwärts bewegen, wird er unpassend schreiten, wenn er nicht aus der Stellung heraus, in welcher er stand, zuerst jenen Fuß ein wenig zurückzieht, der dem anderen vorgesetzt war. Zurückgezogen werde also der Fuß, welcher vorne stand, und...


Werdegang:

*1989 bis 1994 Studium der Angewandten Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität in Gießen
*1995 bis 1998 Graduiertenkolleg Theater als Paradigma der Moderne in Mainz
*1998 Promotion in Gießen. Die Dissertation ist unter dem Titel Die Ironie des Theaters 1999 beim Passagen Verlag Wien erschienen.
*seit 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich Kulturen des Performativen an der Freien Universität Berlin
*Lehraufträge an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Technischen Universität Berlin (Studiengang Bühnenbild)
*1996 Gerhart-Hauptmann-Förderpreis der Freien Volksbühne Berlin
*2000/2001 Hausautor am Staatstheater Stuttgart
*2000 Zusammenarbeit mit Stefan Pucher bei dessen Inszenierung von Die Möwe am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg
*2001 Dramatisierung des Romans Erniedrigte und Beleidigte von Dostojewski für Frank Castorf (Wiener Festwochen)
*2001 Autor für die Schauplätze I am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg



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