E-Book, Deutsch, Band 33, 404 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Reihe: Öffentliche Theologie (ÖTh)
Roth Option Menschlichkeit
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-374-04826-7
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wirtschaftsethische Perspektiven im Kontext Öffentlicher Theologie und religiöser Bildung
E-Book, Deutsch, Band 33, 404 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Reihe: Öffentliche Theologie (ÖTh)
ISBN: 978-3-374-04826-7
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Evangelische Theologie kann Impulse für wirtschaftliches Handeln geben. Andrea Roth zeigt dies eindrucksvoll am Beispiel prekärer Ausbildungsbedingungen in der Hotel- und Gastronomiebranche. Sie entwickelt wirtschaftsethische Handlungsperspektiven, die verdeutlichen: 'Menschlichkeit' ist eine Option, die sich gut mit ökonomischer Rationalität vereinbaren lässt. Den Rahmen bildet dabei der Ansatz der 'Öffentlichen Theologie', dessen Anliegen es ist, christliche Perspektiven so in die aktuelle Weltwirklichkeit einzubringen, dass sie zur Förderung des Gemeinwohls beitragen. Am gewählten Beispiel führt dies insbesondere zur Anregung von Bildungsprozessen, die Menschen dazu befähigen, ökonomische Problemstellungen aus theologisch-ethischer Perspektive zu analysieren und zu beurteilen.
[Humanity as an Option. Business Ethical Perspectives in the Context of Public Theology and Religious Education]
Evangelical theology can indeed provide incentives for economic action. Andrea Roth illustrates this impressively using the example of questionable training conditions in the hotel and catering industries. She opens up economic-ethical perspectives demonstrating that it is possible for humanity to be made compatible with economic rationality.
The framework for this conviction is provided by a 'public theology' approach which is concerned with importing Christian perspectives into current global reality in such a way as to contribute to the promotion of common welfare. On the basis of the cited example, this leads to a proposal in favour of educational processes which enable people to analyse and judge economic problems from theological-ethical perspectives.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Praktische Theologie Religionspädagogik, Christlicher Katechismus
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Systematische Theologie Ethik, Moraltheologie, Sozialethik
- Geisteswissenschaften Philosophie Angewandte Ethik & Soziale Verantwortung Wirtschaftsethik, Unternehmensethik
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christliche Kirchen, Konfessionen, Denominationen Protestantismus, evangelische und protestantische Kirchen
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Theologie
Weitere Infos & Material
I. EINFÜHRUNG
»Eine menschengerechte Arbeitswelt [ist] kein Widerspruch zu einem erfolgreichen Unternehmen, sondern seine Voraussetzung.«1 »In eineinhalb Jahren hatte er zwei freie Wochenenden. Alle weiteren fallen zufällig in seine Urlaubszeit. 16-Stunden-Schichten, unbezahlte Überstunden, zwischendurch eine halbe Stunde Pause, sechs Stunden Schlaf bis zur Frühschicht, drei Tage in Folge. Daniel ist sich nicht sicher, ob das legal ist […]. Bei allen Unterschieden zwischen den Chefs des Familienunternehmens, erzählt Daniel: Alle schreien sie Angestellte und Lehrlinge an – als ›dämlich‹, ›dumm‹, ›nicht fähig logisch zu denken‹«.2 Wie das Beispiel deutlich werden lässt, werden nicht nur gesetzlich geregelte Bestimmungen des Arbeitsrechts in diesem Betrieb nicht beachtet3, sondern es wird auch keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des jungen Menschen genommen, ein Würde achtendes Verhalten unterbleibt. Häufig beruft man sich hier auf ökonomische Sachzwänge, die kein anderes Handeln als das beschriebene ermöglichen, will das Unternehmen erfolgreich, und das heißt gewinnbringend, wirtschaften. Unter Berufung auf solche ökonomischen Sachzwänge, die sich aus der Marktsituation heraus ergeben, wird dann auch mehr oder weniger die Notwendigkeit von Seiten der Unternehmen begründet, am geltenden Recht vorbei handeln zu müssen. Damit einher geht meist auch die Forderung nach der Veränderung rechtlicher Bestimmungen in Form von Flexibilisierung. Hier konkretisieren sich moralisch fragwürdige Auswirkungen des bereits erwähnten ökonomischen Prinzips der Gewinnmaximierung und die damit verbundene Sachzwangslogik auf der Ebene des Unternehmens. Hier trifft es ein schwaches, weil in Abhängigkeit befindliches, Glied der Gesellschaft: Auszubildende junge Menschen. Mit der Fokussierung dieser Problemlage wähle ich einen expliziten Ort für die Suche nach Auswirkungen der strikten Orientierung an Gewinnmaximierung und ökonomischen Zwängen zur Beantwortung der zuvor gestellten Fragen. Stellt man zudem fest, dass der Graben zwischen Ethik und Ökonomie weder in der wissenschaftlichen noch in der gesellschaftlichen Debatte der letzten Jahre schmäler geworden ist17 und dass es weitgehend in den aktuellen philosophisch, theoretisch und praxeologisch orientierten Diskursen18 weiterhin fast ausschließlich um die Frage des Ausgangsparadigmas »Ethik oder Ökonomie« geht, dann versucht diese Arbeit einen Weg zu finden methodologisch über das Prinzip »Sehen-Urteilen-Handeln« eine Vermittlung hin zu einer Verständigung zwischen theologischethischen Orientierungen, wie sie die christliche Theologie bietet und der Ökonomie, mit ihrer spezifischen Theorie und Handlungsrationalität. 1. GEGENSTAND UND BEDEUTUNG DER THEMATIK
1.1 Darstellung des Forschungsstands
Die Schilderung der Ausgangssituation für diese Untersuchung hat bereits deutlich werden lassen, dass es sich um eine Arbeit mit interdisziplinären Bezügen handelt. Den Forschungsstand für eine solche Arbeit zu verfassen, die einen interdisziplinären Ansatz zwischen Ökonomie, Theologie, Recht und Religionspädagogik verfolgt, stellt eine Herausforderung dar. Um einen möglichst systematischen Überblick zu bieten, erscheint es zunächst sinnvoll, den Forschungsüberblick anhand der verschiedenen beteiligten Disziplinen darzustellen. Dabei ergibt sich jedoch das Dilemma, dass bereits die Disziplin »Wirtschaftsethik« interdisziplinär ist. In ihr verbinden sich ethische (philosophischethische oder/und theologisch-ethische) mit ökonomischen Überlegungen und eine klare Trennung ist demnach nicht möglich. Daher erscheint es zielführend, in der Darstellung chronologisch dem Aufbau der Arbeit zu folgen. Weiterhin zeigt es sich, dass, wie eingangs erwähnt, ein Ansatz der Produktionsorientierung21 und Gewinnmaximierung als ursächlich für die von mir angenommenen Missstände im Ausbildungsbereich bezüglich einer nicht menschengerechten Ausbildungssituation gesehen werden könnte, was zu prüfen ist. Die Wirtschaftswissenschaftler Georges Enderle26 und Christopher Große27 bieten m. E. jedoch von ihrem Forschungsansatz her ein hohes Anknüpfungspotential für die vorliegende Arbeit. Beide zeigen durch ihre Versuche der Integration theologischer Überlegungen in ökonomisch-wirtschaftsethisches Denken -- Enderle28 am Beispiel der theologischen Wirtschaftsethik Arthur Richs und Große durch eine Befragung der christlichen Tradition – dass eine Integration möglich ist und auch von Seiten der Ökonomie Beachtung findet. Ebenso ist ihnen eine möglichst plausible Verbindung von Theorie und Praxis wichtig. 1.2 Anliegen, Fragestellung und Zielsetzung
»Die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft bemisst sich nicht zuletzt daran, welche Perspektiven und Zukunftschancen sie ihrer Jugend gibt. Es geht um die Fragen: Wachsen junge Menschen in einem menschlichen Klima und unter günstigen Bedingungen auf? Erfahren sie die nötige Zuwendung, Annahme, Akzeptanz und Förderung?«44 Diese Fragen wurden im gemeinsamen Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland 1997 gestellt und erscheinen mir geeignet, das große Ziel dieser Arbeit, die Frage, ob eine aus theologisch-ethischer Perspektive definierte »Option Menschlichkeit« eine Option im Kontext ökonomischer Theorie und Handlungsrationalität sein kann, in der Potential für Veränderung hin zu einer menschengerechter gestalteten Arbeitswelt liegt, zu beantworten. Meine These dazu lautet: Jungen Menschen die am Beginn ihres beruflichen Lebens stehen, müssen »Perspektiven und Chancen« durch die Praxis ihrer Ausbildung vermittelt werden, doch treffen die Attribute »Zuwendung, Annahme, Akzeptanz und Förderung« auf die Art und Weise, wie Ausbildung in vielen Unternehmen stattfindet, nicht zu. So ist beispielsweise die Person »Hotel-Unternehmerin« in ihrem Unternehmensalltag gefragt: »Was soll ich tun, wenn ich kein Personal zur Verfügung habe, Gäste im Haus sind und der 16-jährige Auszubildende bereits seine arbeitsrechtlich vorgegebene Ausbildungszeit für diesen Tag geleistet hat?« 3. Sie bringt das, was sie aus der Perspektive des christlichen Ethos als geboten erkennt in die gesellschaftliche Debatte, hier konkret in die Debatte mit Branchenvertretern ein, lässt sich dabei jedoch auch im Kontext der Ökonomie von anderen Wirklichkeitsverständnissen selber hinterfragen.53 Versteht man Religionspädagogik analog zu einem Ansatz Öffentlicher Theologie als Öffentliche Religionspädagogik, wird hier auch nach religionspädagogischen Impulsen für Bildungsprozesse mit Auszubildenden, Lehrenden und Unternehmensverantwortlichen in Bezug auf ethische Urteilsbildung auf einer Basis theologischer Ethik zu suchen sein. Ebenso geht es darum, zu fragen, welche Übersetzungsleistung sowohl eine Öffentliche Theologie wie auch eine Öffentliche Religionspädagogik für das Einbringen theologischer Optionen in säkular-ökonomische Diskussionen erbringen kann. Wie sehen ökonomische Rahmenbedingungen und Richtlinien der Branche aus und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Ausbildungssituation? Welche Auswirkungen sind bei den jungen Auszubildenden, die unter den beschriebenen Bedingungen arbeiten müssen, festzustellen? Inwiefern können ökonomische Prinzipien von Gewinnerwirtschaftung und Effizienzsteigerung in einen Widerspruch zu menschengerechten Arbeitsbedingungen geraten und auf welche Weise können ökonomische mit ethischen Prinzipien vereinbart werden? Welche theologisch-ethischen Überlegungen können in die öffentliche Debatte mit Vertretern aus Ökonomie und Politik eingebracht werden und in welcher Weise können diese in eine der aktuellen Debatte gemäße Sprache gebracht werden, um als normativ-ethische Orientierungen Anerkennung im gemeinsamen Prozess ethischer Urteilsbildung zu erlangen? Wie kann ein Dialog zwischen den beteiligten Gruppen angebahnt, gestaltet und institutionalisiert werden und wie gestaltet sich dabei die Rolle von Kirche im Sinne eines Ansatzes von...