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E-Book, Deutsch, 600 Seiten

Rudolph In den Stürmen der Geschichte

Leben und Werk des Schriftstellers Leonhard Frank zwischen Kaiserreich und geteiltem Deutschland 1882-1961
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8412-2127-8
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Leben und Werk des Schriftstellers Leonhard Frank zwischen Kaiserreich und geteiltem Deutschland 1882-1961

E-Book, Deutsch, 600 Seiten

ISBN: 978-3-8412-2127-8
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
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Leonhard Frank (1882-1961) gehört zu den bedeutenden Schriftstellern der Weimarer Republik. In ärmsten Verhältnissen in Würzburg geboren, kämpfte er sich als ehemaliger Schlossergeselle ohne höhere Schulbildung ganz nach oben. Kaum ein anderer der großen Autoren seiner Generation weist eine solch außergewöhnliche Laufbahn auf. Er war bekannt oder befreundet u. a. mit Erich Mühsam, Hugo Ball, Alfred Döblin, Erich Kästner, Alfred Polgar, Billy Wilder, Thomas und Heinrich Mann. Immer wieder erhob der Verfasser des aufsehenerregenden Novellenbandes »Der Mensch ist gut« (1917) seine Stimme für Frieden, Gerechtigkeit und Menschlichkeit, selbst dann, wenn es hieß, dafür alles aufs Spiel zu setzen: Er war einer der wenigen deutschen Schriftsteller, die gleich zweimal ins Exil gehen mussten, im Ersten Weltkrieg und während der NS-Zeit. »Sein Leben«, resümierte Frank in seiner Autobiographie mit dem bezeichnenden Titel »Links wo das Herz ist« (1952), »war das eines kämpfenden deutschen Romanschriftstellers in der geschichtlich stürmischen ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. [...] Er hat sich von Jugend an um Dinge gekümmert, die ihn nichts angingen, und ist der Meinung, daß Menschen, die das nicht tun, die Achtung vor sich selbst verlieren müssen [...].« Trotz der Bedeutung, die er einst in Deutschland hatte, ist Frank heute aus der Forschung und dem kulturellen Gedächtnis weitgehend verschwunden. Anhand von umfangreichen, teils unbekannten Quellen aus rund fünfzig Archiven schildert die vorliegende Arbeit das Leben dieses unangepassten Schriftstellers - in dem sich auf ganz besondere Art ein Stück deutsche Zeitgeschichte spiegelt. »Ein wirkliches, lauteres Talent.« Thomas Mann

 Katharina Rudolph, 1984 in Hamburg geboren, Studium der Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte in Frankfurt. Stipendiatin der Leonhard-Frank-Gesellschaft, des Deutschen Literaturarchivs in Marbach sowie der FAZIT-Stiftung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Katharina Rudolph ist freie Journalistin und schreibt u. a. für das Feuilleton der FAZ und das Magazin 'Frankfurter Allgemeine Quarterly', Veröffentlichungen zu Literatur, Sachbuch, Architektur und Kunst. Wissenschaftliche Veröffentlichung zu Leonhard Franks Buch „Der Mensch ist gut“ im von Prof. Dr. Wolfgang Riedel herausgegebenen Sammelband „Felder der Ehre. Krieg und Nachkrieg in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts“. Promotion über das Leben Leonhard Franks.

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1. Einleitung
Es war ein Dienstag, der 22. August des Jahres 1961, ein milder Hochsommermorgen. Neun Tage nachdem in Berlin mit dem Bau der Mauer begonnen worden war und die Teilung zwischen den Deutschen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs weiter zementiert werden sollte, kam in der Aussegnungshalle des Krematoriums auf dem Münchner Ostfriedhof eine kleine Schar von Menschen aus West- und Ostdeutschland zusammen, um den Tod eines Mannes zu betrauern, in dessen Leben sich auf besondere Art ein Stück deutsche Zeitgeschichte spiegelt – Leonhard Frank. Er war vier Tage zuvor gestorben, rund zwei Wochen vor seinem 79. Geburtstag am 4. September. Gewürdigt wurde ein Mann, der einst zu den bedeutendsten Schriftstellern Deutschlands gehört hatte, dessen Romane und Erzählungen in die wichtigsten Sprachen der Welt übersetzt und zum Teil verfilmt wurden, der mit unkonventionellen Theaterstücken Furore machte, der für seine politischen Überzeugungen konsequent einstand und deshalb gleich zweimal ins Exil ging, der sich, zurück in Deutschland, in der Zeit des Kalten Krieges auf keine der beiden verfeindeten Seiten schlug, auf die östliche nicht, die ihn umwarb und die er mit Sympathie betrachtete, und auf die westliche nicht, zu der er zwar politisch in Opposition stand, die zu verlassen er aber nicht bereit war. »Sein Leben«, so resümierte er in seiner 1952 erschienenen Autobiographie mit dem bezeichnenden Titel »Links wo das Herz ist«, »war das eines kämpfenden deutschen Romanschriftstellers in der geschichtlich stürmischen ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Bücher sind Bildnisse seines Innern. Er hat sich von Jugend an um Dinge gekümmert, die ihn nichts angingen, und ist der Meinung, daß Menschen, die das nicht tun, die Achtung vor sich selbst verlieren müssen […].«1 Im Jahr 1882 in Würzburg geboren in eine protestantische Familie von Tagelöhnern und Dienstmägden aus der mittelfränkischen Provinz, durchbrach er schon früh die engen Schranken seiner Herkunft. Mit Anfang zwanzig fasste er, ohne jegliche Erfahrung in einem akademisch gebildeten Umfeld und mit kaum mehr als dem Monatslohn eines Arbeiters in der Tasche, den waghalsigen Entschluss, seine Heimatstadt zu verlassen, um Bildender Künstler zu werden. Als es mit dem Malen nicht recht gelang, begann er zu schreiben. Gleich der erste Roman, die 1914 veröffentlichte »Räuberbande«, ein Werk, in dem er eine Gruppe von jungen Schülern porträtiert, die von Freiheit und Unabhängigkeit träumen, brachte Frank den Fontane-Preis ein, den ein Jahr zuvor, 1913, Annette Kolb erhalten hatte und den zwei Jahre später, 1916, Alfred Döblin erhielt. Als im Ersten Weltkrieg in den Schützengräben Europas Millionen Menschen starben, ging er ins Exil in die Schweiz und schrieb mit flammenden Appellen gegen Militarismus, Nationalismus und Chauvinismus an. Seine Novellensammlung mit dem programmatischen Titel »Der Mensch ist gut« wurde, ähnlich wie »Le Feu« von Henri Barbusse, zu einem der bekanntesten Antikriegswerke der Zeit – und das schon 1917, zwölf Jahre, bevor Erich Maria Remarque mit »Im Westen nichts Neues« Weltruhm erlangen sollte. Nach Verstrickungen in die revolutionären Nachkriegswirren in Deutschland kehrte seit Mitte der zwanziger Jahre allmählich Ruhe ein in Franks Leben. 1928 wurde der mittlerweile 45-Jährige endgültig zum Arrivierten, zum Hochgeehrten: man nahm ihn in die Preußische Akademie der Künste auf. Seine Bücher erreichten Auflagen von bis zu 100 000 Exemplaren, die zu Dramen umgearbeiteten Erzählungen, so die Geschichte des sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegsetzenden Liebespaares »Karl und Anna« oder »Die Ursache«, eine eindringliche Anklage gegen die Todesstrafe, wurden auf den Bühnen der europäischen Metropolen gezeigt. Zu Beginn des Jahres 1933 ging Frank als erklärter Gegner des Nationalsozialismus zum zweiten Mal ins Exil in die Schweiz. Noch im selben Jahr wurden seine Bücher in Deutschland verbrannt, und 1934 wurde er, zusammen mit Klaus Mann, Erwin Piscator, Wieland Herzfelde, Alfred Kantorowicz und vielen anderen, auf die dritte Ausbürgerungsliste gesetzt. Sie alle waren jetzt staatenlos, ihr Vermögen wurde beschlagnahmt. Frank floh weiter nach Frankreich, wurde dort interniert. 1940 gelang ihm beim Einmarsch der deutschen Truppen eine gefährliche Flucht aus der Bretagne nach Marseille und von dort über Spanien und Portugal ins rettende Amerika. Zehn Jahre, von 1940 bis 1950, lebte und arbeitete er dort, erst in Los Angeles und dann in New York, ohne Erfolg, ohne jemals wirklich anzukommen. Alles blieb ihm fremd. 1950 kehrte er im Alter von 68 Jahren zurück nach Deutschland. Hier erhielt er, beinahe zeitgleich, zwei große Auszeichnungen, die eine in der Bundesrepublik, die andere in der DDR: 1955 wurde er mit dem Nationalpreis 1. Klasse der DDR ausgezeichnet, zwei Jahre später, 1957, mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Für seine Bücher allerdings interessierten sich zumindest im Westen nur wenige, man wollte nach der vermeintlichen Stunde Null nichts mehr wissen von denen, die zum alten Deutschland gehörten. Am 18. August 1961 um neun Uhr vormittags starb Leonhard Frank im Krankenhaus in der Schönfeldstraße 16 in München an Herzversagen. Vier Tage später wurden seine sterblichen Überreste nach der Trauerfeier auf dem Ostfriedhof verbrannt. »Wieder ist einer verschwunden aus der Generation, welche die heutige so weit überragt«2, schrieb Katia Mann, die Witwe Thomas Manns, zu dessen engsten Gesprächspartnern Frank eine Zeitlang gehört hatte. 1.1. Thesen und Ziele
Welche Folgen Franks zweites Exil hatte, erfuhr er unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1950. In seiner Autobiographie, in der er von sich als »Michael Vierkant« in der dritten Person schreibt, berichtet er von einem erwartungsvollen Besuch des ersten Buchladens, den er in Deutschland betrat: Er fragte »lächelnd nach seinen Büchern. Er nannte ein paar Titel. Der junge Buchhändler kannte die Titel der Bücher nicht, er kannte nicht Michaels Namen. Ein deutscher Buchhändler wußte nichts von Michael, der kurz vor der Abreise von New York seine Bücher hinter dem Schaufenster einer Buchhandlung in der Fifth Avenue gesehen und auf der ›Flying Enterprise‹ einen Passagier beobachtet hatte, der in die Lektüre der französischen Ausgabe von ›Karl und Anna‹ vertieft gewesen war. Im Land seiner Sprache waren Michaels Bücher verboten und verbrannt. Die deutschen Leser bis zu vierzig Jahren kannten nichts von ihm. Über Michael hatte Hitler gesiegt.«3 Ein Auslöschungsprozess hatte stattgefunden4, der Frank und viele andere der ins Exil gegangenen Schriftsteller betraf und der bis heute nachwirkt. Die vorliegende Studie geht von dem Grundgedanken aus, dass Leonhard Frank eine zu Unrecht vergessene Persönlichkeit des literarisch-geistigen Lebens in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ist, mit Erfahrungen und Werken, die diese Zeit mit ihren Höhen und Tiefen auf besondere Weise spiegeln. Leonhard Frank hat die wechselvolle Geschichte vom Kaiserreich bis zum geteilten Deutschland intensiv miterlebt und miterlitten. Seine Werke und sein unruhiges Leben, das »fünf Deutschland«5 umfasst – die Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik, des Dritten Reiches (da allerdings im Exil), der Bundesrepublik und der DDR –, offenbaren in Wechselwirkung mit den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Umständen exemplarische Einblicke in die historische Wirklichkeit vom Ende des neunzehnten bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Frank war darüber hinaus auch eine Ausnahmeerscheinung: Es gab keinen vergleichbaren Schriftsteller, der sich, in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen, ohne Abitur und akademische Bildung das Schreiben selbst beibrachte, zu einem der bekanntesten Autoren der Weimarer Republik wurde und zeitweise weltweit Erfolge feierte. Ziel der Arbeit ist es, die vielen biographischen Lücken zu schließen und das Leben dieses bedeutenden deutschen Autors im Spiegel der jeweiligen historischen Umstände zu rekonstruieren. Die Studie verfolgt dabei einen interdisziplinären Ansatz zwischen Geschichts- und Literaturwissenschaft, da sowohl die üblichen historischen Quellen untersucht als auch literarische Werke in die Analyse miteinbezogen werden. Am Beispiel des politischen, gesellschaftlichen und schriftstellerischen Engagements von Leonhard Frank soll so ein spezifisches Schlaglicht auf die, wie er es nannte, »geschichtlich stürmische erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts«6 geworfen werden. 1.2. Zur Forschung
Grundlegende, lexikalische Informationen zu Leonhard Frank standen zur Verfügung, dennoch war über viele Etappen seines Lebens im Detail nur wenig bekannt. Was genau etwa erlebte er in den Jahren der Münchner Bohème, die für seine weitere Entwicklung so relevant waren? Welche politischen Prägungen erhielt er während seines Exils im Ersten Weltkrieg? Wie und wo verbrachte er die unsteten Jahre nach der gescheiterten Revolution von 1918/19? Was sind die Etappen seines Exils während der NS-Zeit und wie erging es ihm in diesen Jahren? Was tat er, was schrieb er warum? Wie lebte er in den USA, wo er beispielsweise in Hollywood zeitweise Tür an Tür mit Heinrich Mann in den Filmstudios arbeitete? In der Forschung wurde und wird Frank kaum und wenn, dann nur in thematisch relativ begrenzten, meist literaturwissenschaftlichen Arbeiten berücksichtigt. Eine Biographie existierte bisher nicht. Zwar rückte die in der Bundesrepublik seit Mitte der sechziger Jahre einsetzende Exilforschung viele bis dahin vergessene Autoren wieder stärker in den...



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