Rummel / Janczyk | Angewandte Kognitionspsychologie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 161 Seiten

Rummel / Janczyk Angewandte Kognitionspsychologie

Ein Lehrbuch
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-17-042017-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Lehrbuch

E-Book, Deutsch, 161 Seiten

ISBN: 978-3-17-042017-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Lehrbuch widmet sich klassischen und neueren Anwendungsfeldern der Kognitionspsychologie und beleuchtet diese aus einer grundlagenwissenschaftlichen Perspektive. Behandelte Themen sind u. a. optimales Lernen, Augenzeugengedächtnis, Multitasking im Alltag, Kompatibilitätsphänomene beim Werkzeuggebrauch, Umgang mit Falschinformationen und Trainierbarkeit von kognitiven Fähigkeiten. Ziel des Buches ist es, eine Brücke zwischen Grundlagen und Anwendung zu schlagen, indem aufgezeigt wird, wie vielfältig die Erkenntnisse aus der kognitiven Grundlagenforschung bereits heute in der Praxis genutzt werden und in welchen Bereichen diesbezüglich noch Potential zu vermuten ist.
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2 Lernen und Gedächtnis
Dieses Kapitel befasst sich mit den Themen Lernen und Gedächtnis. Lernen kann dabei als der Prozess verstanden werden, der zur Ausbildung von Gedächtnisinhalten führt. Insofern sind beide Themengebiete eng miteinander verwoben. Es werden hier zunächst relevante Gedächtnistheorien und -systeme eingeführt (? Kap. 2.1.1) und darauf aufbauend relevante kognitionspsychologische Zugänge zur Messung der Gedächtnisleistung (? Kap. 2.1.2). In Kapitel 2.2 werden diese Themen dann aus anwendungsorientierter Sichtweise wieder aufgegriffen. 2.1 Relevante Grundlagen
2.1.1 Gedächtnistheorien und -systeme
Wie ist es Menschen möglich, sich neue Informationen oder auch erlebte Ereignisse so einzuprägen, dass sie Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre später noch erinnert werden können? Diese Frage ist aus einer anwendungsorientierten Sicht zentral, da die Erinnerungen an vergangene Ereignisse für uns selbst und für unser soziales Umfeld prägend sind. Ohne solche Erinnerungen könnten wir uns zum Beispiel nicht über den Kollegen aufregen, der uns gestern so genervt hat, oder mit unserer Freundin in Erinnerungen an den gemeinsamen Urlaub schwelgen. Darüber hinaus nutzen wir unser Gedächtnis auch, um Aufgaben zu bewältigen, etwa wenn wir uns auf eine Klausur vorbereiten. Selbst um uns einfach nur Termine zu merken, verlassen wir uns manchmal auf unser Gedächtnis. Entsprechend bemüht sich die Kognitionspsychologie bereits seit ihrer Entstehung in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts darum, menschliches Lernen und Erinnern besser verstehbar zu machen (Neisser, 1967). Die Ursprünge der Lern- und Gedächtnispsychologie liegen sogar noch deutlich vor der sogenannten kognitiven Wende innerhalb der Psychologie, über die wir in Kapitel 1 schon gesprochen haben. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche lernpsychologische Untersuchungen durchgeführt. Die Forschung zu dieser Zeit war jedoch noch stark von der behavioristischen Sichtweise geprägt. Nach dieser Sichtweise müssen sich wissenschaftliche Untersuchungen generell auf direkt beobachtbares Verhalten beschränken, da die diesem Verhalten zugrunde liegenden kognitiven Prozesse sich nach der Überzeugung der Vertreter und Vertreterinnen des Behaviorismus der direkten Beobachtung (und somit der wissenschaftlichen Beurteilung) entziehen (Watson, 1913). Entsprechend beschäftigte sich die behavioristisch geprägte Lernpsychologie überwiegend damit, wie erlernt wird, auf einen bestimmten dargebotenen Reiz mit einer bestimmten motorischen Handlung zu reagieren (also z.?B. an einer roten Ampel die Bremse zu betätigen). Diese Art des Reiz-Reaktions-Lernens lässt sich sehr gut an Tieren untersuchen und entsprechend wurde der Großteil der behavioristischen Lernforschung auch an Tieren durchgeführt. Der wohl bekannteste Versuchsaufbau in diesem Zusammenhang ist die so genannte Skinner-Box (Skinner, 1999), ein Rattenkäfig, in welchem Reize systematisch dargeboten und Reaktionen systematisch beobachtet werden können. Zum Beispiel kann einer Ratte in diesem Käfig beigebracht werden, einen Hebel zu drücken, um dafür eine Futterpille zu bekommen. Mit der kognitiven Wende trat das Tiermodell jedoch in den Hintergrund. Stattdessen wurden Studien mit menschlichen Versuchspersonen durchgeführt, um die der menschlichen Lern- und Gedächtnisleistung zugrunde liegenden kognitiven Prozesse besser zu verstehen. Dazu werden oft experimentelle Methoden genutzt, deren Ursprünge bereits im 19. Jahrhundert liegen. Als wegweisend sind hier vor allem die Untersuchungen von Hermann Ebbinghaus (1885) zu nennen, der im Selbstversuch zunächst Listen sinnfreier Silben so lange auswendig lernte, bis er sie perfekt erinnern konnte. Dann testete er sein Gedächtnis für diese Silben in unterschiedlichen Abständen (etwa nach 24, 48, 72, ... Stunden). Aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen leitete Ebbinghaus die sogenannte Vergessenskurve ab, die beschreibt, wie das Vergessen erlernter Information zunächst beschleunigt erfolgt, sich dann aber über die Zeit verlangsamt. Wie man in Abbildung 2.1 sieht, ist bereits nach 20 Minuten fast die Hälfte der gelernten Silben vergessen. Nach einem Tag sind es bereits 70?%. Von den nach einem Tag erinnerten gelernten Silben wird dann aber selbst etwa einen Monat später noch ein Großteil erinnert. Abb. 2.1:Eine Illustration der Vergessenskurve wie sie von Ebbinghaus (1885) beschrieben wurde. Ein großer Anteil des zunächst perfekt gelernten sinnfreien Materials (bei Ebbinghaus bestand dies aus Vokal-Konsonant-Vokal-Folgen) wird bereits nach einem Tag wieder vergessen. Der Anteil, der im weiteren Zeitverlauf dann noch erinnert werden kann, ist jedoch beständiger. Bevor wir uns aber dem Vorgang des Vergessens bereits gelernter Informationen zuwenden, wollen wir uns zunächst einmal mit dem kognitiven System auseinandersetzen, das es uns überhaupt ermöglicht, Informationen in Erinnerung zu behalten: das menschliche Gedächtnis. Atkinson und Shiffrin (1968) schlugen vor, drei verschiedene Gedächtnissubsysteme zu unterscheiden (vgl. auch Malmberg, Raaijmakers & Shiffrin, 2019). Wie auch aus Abbildung 2.2 ersichtlich wird, sind diese drei Subsysteme nicht unabhängig voneinander; vielmehr basiert die Abgrenzung der Subsysteme auf ihrer jeweiligen Funktion für das Erinnern von Informationen. Das sensorische Register ist hier als eine Art vorgeschalteter Speicher konzipiert, der Informationen für Bruchteile von Sekunden (ca. 200?–?400 ms) für die sofortige Verarbeitung bereitstellt. Daher wird es oft auch als Ultrakurzzeitgedächtnis bezeichnet. Im sensorischen Register kann eine große Menge an Informationen aufrechterhalten werden, aber eben nur für sehr kurze Zeit (siehe auch Sperling, 1960, für einen empirischen Nachweis des sensorischen Registers). Abb. 2.2:Die Gedächtnissubsysteme und ihre angenommenen Interaktionen nach der Konzeption von Atkinson und Shiffrin (1968). Jedes externe Ereignis, das wahrgenommen wird, wird für einige wenige Millisekunden im sensorischen Register repräsentiert. Wird jedoch keine Aufmerksamkeit auf die im sensorischen Register bereitgestellte Information gerichtet, zerfällt diese schnell wieder. Die Information, auf die Aufmerksamkeit gerichtet wurde, gelangt ins Kurzzeitgedächtnis, wo sie durch mentales Wiederholen aufrechterhalten, aber auch weiter bearbeitet oder modifiziert werden kann. Information aus dem kapazitätsbeschränkten Kurzzeitgedächtnis kann (willentlich oder auch unwillentlich) in das Langzeitgedächtnis überführt werden. Dort steht sie dann zeitüberdauernd zur Verfügung und kann, sofern die Bedingungen stimmen, wieder abgerufen werden. Das Kurzzeitgedächtnis hingegen ermöglicht es, eine begrenzte Menge an Informationen über einen Zeitraum von einigen Minuten aufrechtzuerhalten. Die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses wird hierbei als begrenzt angesehen und zwar häufig, im Einklang mit der entsprechenden empirischen Forschung, auf etwa 7 (+/-2) Informationen (Miller, 1956). Atkinson und Shiffrin (1968) lieferten auch direkt eine kognitive Erklärung für diese Begrenztheit des Kurzzeitgedächtnisses: Es kann nur eine begrenzte Menge an Informationen gleichzeitig mental aufrechterhalten werden, in der Regel durch ein kontinuierliches inneres Vorsprechen der Information (mentales Wiederholen; engl. Rehearsal). Kommen neue Informationen hinzu, geht entweder alte Information aus dem Kurzzeitgedächtnis verloren oder die neue Information gelangt erst gar nicht in das Kurzzeitgedächtnis. Allerdings ist es möglich, die gerade im Kurzzeitgedächtnis vorhandene Information auch weiter zu bearbeiten, also etwa mit anderen Informationen zu kombinieren oder anderweitig zu modifizieren. Daher wird das Kurzzeitgedächtnis häufig auch als Arbeitsgedächtnis bezeichnet (Hitch & Baddeley, 1976). Beide Begriffe werden heute in der Regel synonym verwendet, der Begriff Arbeitsgedächtnis ist jedoch der gebräuchlichere. Werden Informationen im Arbeitsgedächtnis zu größeren Einheiten von mehreren Einzelinformationen zusammengefasst, kann die Kurzzeitgedächtniskapazität dadurch weiter erhöht werden. Statt nur 7 Einzelinformationen können dann etwa 4 (+/-1) zusammengesetzte Informationseinheiten im Gedächtnis behalten werden (Cowan, 2010). Das dritte Gedächtnissubsystem nach Atkinson und Shiffrin (1968) ist das Langzeitgedächtnis. Informationen aus dem Kurzzeit- beziehungsweise Arbeitsgedächtnis gelangen in das Langzeitgedächtnis, nachdem sie entweder (a) lange genug im Arbeitsgedächtnis aufrechterhalten wurden und/oder nachdem sie (b) im...


Jan Rummel ist Professor für Allgemeine Psychologie und Kognitive Selbstregulation an der Universität Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Grundlagenbereichen Aufmerksamkeitskontrolle, Langzeitgedächtnis und zukunftsgerichtete Kognition. Markus Janczyk ist Professor für Psychologische Forschungsmethoden und Kognitive Psychologie an der Universität Bremen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Handlungssteuerung, Multitasking und Sprachverstehen sowie Methoden der mathematischen Modellierung kognitiver Prozesse.



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