Rusam | Lust auf Theologie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 199 Seiten

Rusam Lust auf Theologie

Zehn Themen der Theologie zum Lesen, Lernen und Weiterdenken
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7887-2915-8
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Zehn Themen der Theologie zum Lesen, Lernen und Weiterdenken

E-Book, Deutsch, 199 Seiten

ISBN: 978-3-7887-2915-8
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Theologie ist nicht ausschließlich eine Wissenschaft für Fachleute. Deshalb will dieses Buch bei allen theologisch Interessierten "Lust auf Theologie" wecken. Es ist allgemeinverständlich verfasst und setzt bei seinen Lesern kein theologisches Vorwissen voraus. In zehn Kapiteln werden zentrale Themen christlicher Theologie - teilweise im Vergleich mit den Lösungsvorschlägen der Philosophie - allgemeinverständlich aufbereitet: (1) Jesus Christus (Kreuz und Auferweckung) in seiner Bedeutung für die christliche Theologie, (2) Aspekte des biblischen Gottesbildes, (3) Die Frage nach der Erkenntnis der Wahrheit und der Umgang mit Andersgläubigen (Toleranz), (4) Die Rechtfertigung Gottes angesichts des Bösen in der Welt (Theodizee) und der Atheismus, (5) Christliche, philosophische und psychologische Entwürfe vom Menschen (Anthropologie), (6) Christliche Vorstellung vom Heil des Menschen (Taufe und Abendmahl), (7) Christliche Bewertung von Gesundheit und ihre ethische Refl exion (Sterbehilfe), (8) Ausgewählte christliche und philosophische Gewissensvorstellungen, (9) Ausgewählte christliche und philosophische ethische Entwürfe sowie einzelne Modelle zur Frage nach christlichem Handeln innerhalb des Staates, (10) Christliche Zukunftsvorstellungen (Eschatologie) im Vergleich mit Entwürfen der Naturwissenschaften. Das Buch will nicht nur die theologischen (und philosophischen) Ansätze darstellen, sondern auch exemplarisch deutlich machen, wie christliche Positionen innerhalb aktueller Problemstellungen profiliert werden können.
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?1 Jesus Christus in seiner Bedeutung für die christliche Theologie 1.1 Einleitung: Der historische Jesus und der Jesus der Evangelien »Jesus war ein guter Mann, der hatte einen Umhang an, Jesus war ein flotter Typ, den hatten alle Leute lieb. Jesus hatte langes Haar und braune Augen – wunderbar! Jesus hatte Latschen an wie kein anderer Mann. Jesus, Jesus, du warst echt o.k. Jesus, Jesus, everytime fair play! Jesus war ein Wandersmann, am liebsten auf’m Ozean, ja, und seine Zaubershow, die hatte wirklich Weltniveau. Ja, aus Wasser machte er Wein. Wer will da nicht sein Kumpel sein? Aus einem Brötchen wurden zwei – Mensch, komm doch nochmal vorbei! Jesus, Jesus, du warst echt o.k. Jesus, Jesus, everytime fair play!« Das Lied von Wigald Boning und Olli Dittrich (»Die Doofen«) aus dem Jahr 1995 spiegelt – bei aller Komik – ein bestimmtes Jesusbild wider: »Jesus, Jesus, du warst echt o.k. Jesus, Jesus, everytime fair play!« Es ist das Bild von Menschen, die Jesus »ganz o.k.« finden, aber keine Glaubensaussage über ihn wagen. Es findet sich kein Wort von Gottessohnschaft, von Kreuzigung und Auferstehung in dem Lied. Die drei angesprochenen Jesuswunder (Seewandel [Mk 6,45–52; Mt 14,22–33], Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana [Joh 2,1–12] und die Speisung der 5000 [Mk 6,30–44 u.ö.]) werden als »Zaubershow« bezeichnet, die man bestaunt, aber mehr auch nicht. Darüber hinaus gibt das Lied Informationen über diesen Jesus, die durch die neutestamentliche Überlieferung nicht gedeckt sind: Er hätte langes Haar und braune Augen gehabt und darüber hinaus einen Umhang und »Jesuslatschen« getragen. Tatsächlich lässt sich hier bereits ein wichtiger Aspekt herauslesen. Die neutestamentliche Überlieferung ist am Aussehen Jesu deshalb nicht interessiert, weil es in ihr um Kreuz und Auferweckung Jesu geht, aber auch um die Frage, wie das Leben der Menschen, die dem irdischen Jesus begegnet sind, sich nach dieser Begegnung geändert hat. Der Evangelist Lukas ist der einzige, der seine Leserschaft einmal kurz über seine Schulter blicken lässt: »Viele haben es schon unternommen, Bericht zu geben von den Geschichten, die unter uns geschehen sind, wie uns das die überlieferten, die es von Anfang an selbst gesehen haben und Diener des Wortes gewesen sind« (Lk 1,1–2). Lukas macht mit diesen beiden Anfangsversen folgendes deutlich: (1) Er ist nicht der erste, der die Jesusgeschichten aufschreibt. Die Wissenschaft bezeichnet ihn als Mann der dritten Generation. (2) Er hat andere Evangelien (wir wissen: auf jeden Fall das Markusevangelium) gekannt. (3) Er behauptet darüber hinaus, er habe Augenzeugenberichte vorliegen. Das Besondere an den Augenzeugenberichten ist nun, dass diese Augenzeugen »Diener des Wortes« gewesen sind, d.h. Lukas hat Geschichten von Menschen vorliegen, die geglaubt haben, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der gekreuzigt wurde nach drei Tagen auferstanden ist. Es sind keine Berichte von Menschen, die sich einfach nur gedacht hatten: »Jesus war ein flotter Typ, den hatten alle Leute lieb.« Solche distanzierten (»unmessianischen«) Geschichten von Jesus liegen uns weder innerhalb noch außerhalb des Neuen Testaments vor. Alle neutestamentlichen Zeugnisse sind also Glaubenszeugnisse oder, anders gesagt: Die Evangelien sind keine Biographien, sondern sind aus dem Glauben heraus geschrieben, dass Jesus der Gottessohn ist und zum Heil der Menschen gekreuzigt und auferweckt wurde. Sie wollen dementsprechend Glauben an Jesus wecken. Deshalb ist es so schwer, über den historischen Jesus genaue Aussagen zu treffen. Der Historiker mag das bedauern – der Glaubende mag es begrüßen. 1.2 Die Problematik historischer Jesusforschung Versucht man aus der Überlieferung der Evangelien ein Bild des historischen Jesus zu (re)konstruieren, stößt man auf vier Haupthindernisse: a) Jesus selbst hat nichts aufgeschrieben. Wir haben also nur Zeugnisse über ihn, keine Zeugnisse von ihm. b) Das Zeugnis von Menschen, die der Überzeugung sind, dass Jesus Gottes Sohn ist, der von den Toten auferweckt wurde, sieht mit Sicherheit anders aus als das Zeugnis von Menschen, die diesen Jesus distanziert (ich will nicht sagen: »objektiv«) betrachten. Die Evangelien sind generell vom Glauben an den Gekreuzigten und Auferstandenen getragen, und es ist die Frage, ob es überhaupt möglich ist, diese »Brille des Glaubens« abzunehmen und ein »objektives« Bild von Jesus zu rekonstruieren. Meist sind das eher Konstruktionen. c) Jesus sprach aramäisch (ein hebräischer Dialekt), während die Evangelien alle griechisch verfasst wurden. Da jede Übersetzung auch Interpretation ist, wird man fragen müssen, ob man den exakten Wortlaut eines Jesuswortes (die ipsissima vox Jesu) überhaupt wahrscheinlich machen kann. d) Ohne Zweifel ist das Markusevangelium das älteste uns bekannte Evangelium. Es lag u.a. den Verfassern des Matthäus- und Lukasevangeliums vor. Ein Vergleich dieser Evangelien untereinander macht deutlich, dass bereits die Evangelisten einzelne Geschichten verändert, umgestellt, ausgelassen und zugefügt haben. Mit anderen Worten: Die Evangelien sind nicht Verlaufsprotokolle oder Biographien des Lebens Jesu, sondern Glaubenszeugnisse von Menschen, die Jesusüberlieferungen gesammelt und geordnet (Lk 1,3: »in guter Ordnung« bzw. »der Reihe nach«) haben. 1.3 Der historische Jesus Wer der historische Jesus von Nazareth war, können wir heute nicht eindeutig sagen. Unbestritten ist, dass Jesus den Handwerksberuf seines Vaters – Luther übersetzt »Zimmermann«, aber mit dem griechischen Begriff tekton (Mk 6,3) wird eher ein »Bauhandwerker« bezeichnet – erlernt hat. Wahrscheinlich auf dem Weg nach Jerusalem zu einem der drei jüdischen Wallfahrtsfeste (Passa, Wochenfest, Laubhüttenfest) ist er am Jordan Johannes dem Täufer begegnet. Dessen Verkündigung (Mk 1,2–8; Mt 3,1–12; Lk 3,1–20) hat ihn überzeugt, und er hat sich taufen lassen (Mk 1,9–11; Mt 3,13–17; Lk 3,21f). Die Evangelisten – besonders Markus – stilisieren die Taufe Jesu als dessen Berufung, doch dies ist historisch nicht wahrscheinlich. Wie lange Jesus Täuferjünger geblieben ist und welches Ereignis dafür gesorgt hat, dass er sich wieder vom Täufer distanziert hat, wissen wir nicht. Zuweilen wird in der Forschung vermutet, es könnte die Vision sein, die in Lk 10,18 überliefert wird. Dort sagt Jesus den zu ihm zurückkehrenden Jüngern: »Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.« Dies ist aber unsicher, zumal man diese Vision aus ihrem jetzigen Kontext herauslösen und dem Täuferjünger Jesus zuschreiben, d.h. an den Anfang der Jesusüberlieferung platzieren müsste. Tatsächlich hat sich Jesus bald darauf vom Täufer distanziert und einen deutlich anderen Lebensstil gepflegt: Statt zu warten, dass die Menschen zu ihm kommen, ging er in Galiläa zu den Menschen, statt Askese zu pflegen, suchte er die Tischgemeinschaft von Menschen (»Fresser und Weinsäufer«; vgl. Mt 11,19; Lk 7,34), und statt das bevorstehende Zornesgericht zu predigen, verkündigte er die unmittelbar bevorstehende Aufrichtung des Reiches Gottes (Mk 1,14f; vgl. Mt 4,17; Lk 4,43). Im Rahmen dieser Verkündigung ist auch damit zu rechnen, dass Jesus Heilungswunder und Exorzismen erfolgreich durchgeführt und diese in seine Verkündigung als Vergegenwärtigung des Gottesreiches integriert hat (vgl. Mk 4,30–32; Lk 11,20). Zweifellos hat sein Verständnis von der Bedeutung der Tora immer wieder auch den Widerspruch von jüdischen Theologen herausgefordert (vgl. nur Mk 12,38–40). Im Rahmen einer Wallfahrt zum Passafest nach Jerusalem wurde er in einem Schnellverfahren hingerichtet. Was schließlich den Ausschlag für die Kreuzigung gab, kann man mit letzter Sicherheit nicht beantworten. War es seine Aktion im Tempelvorhof (Mk 11,15–18) oder vielleicht doch eher sein problematisches Tempelwort (Mk 14,56–59)? Auf jeden Fall war angesichts der überfüllten Stadt der römische Statthalter besonders nervös und wollte einen möglichen Aufruhr im Keim ersticken. Von daher ist es zu erklären, dass aus römischer Sicht sehr schnell gehandelt werden musste. Mit der Kreuzigung war die Sache jedoch noch nicht beendet. Kurze Zeit später kam das Gerücht auf: »Jesus lebt. Gott hat ihn von den Toten auferweckt.« Diese Überzeugung gründete in der Tatsache, dass er nach seinem Tod als der Lebendige gesehen wurde (vgl. besonders 1Kor 15,3–8). Ob Jesus auferstanden ist, kann historisch-kritisch nicht erforscht werden. Historisch ist aber auf jeden Fall der Osterglaube derjenigen Menschen, die ihn gesehen haben. 1.4 Der irdische Jesus bei Paulus Paulus ist derjenige, von dem die ältesten christlichen Schriften stammen. Er ist wohl kurz nach dem Tod Jesu als Heidenmissionar berufen worden (Gal 1; vgl. Apg 9; 22; 26) und hat sich nach einigen Jahren auf den Weg gemacht, um Heiden den Gekreuzigten und Auferstandenen, d.h. die frohe Botschaft bzw. das »Evangelium« (vgl. nur 1Kor 15,1–5) von Jesus Christus zu verkündigen. Paulus selbst ist – abgesehen von seiner...


Rusam, Dietrich
Dr. theol. Dietrich Rusam unterrichtet Evangelische Religionslehre am Richard-Wagner-Gymnasium in Bayreuth und ist Lehrbeauftragter für Biblische Theologie an der Universität Bamberg.

Dietrich Rusam, geb. 1964, Dr. theol. habil., ist seit 2004 Lehrkraft und Fachbetreuer für Evangelische Religionslehre am Richard-Wagner-Gymnasium Bayreuth. Er bildet VikarInnen religionspädagogisch aus und begleitet seit 2004 SchülerInnen durch die Abiturprüfung im Fach Evangelische Religionslehre.



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