Sacher-Masoch / Gratzke | Die Liebe des Plato | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 112 Seiten

Sacher-Masoch / Gratzke Die Liebe des Plato

Eine galizische Geschichte
1. überarbeitete Auflage 2012
ISBN: 978-3-86300-111-7
Verlag: Männerschwarm, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine galizische Geschichte

E-Book, Deutsch, 112 Seiten

ISBN: 978-3-86300-111-7
Verlag: Männerschwarm, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Geschlecht zu wechseln, um dem Geliebten zu gefallen, ist seit Shakespeare ein ergiebiger Gegenstand der Literatur. Sacher-Masoch unterlegt das Motiv mit seiner eigenen Typologie der Geschlechter, die auch der berühmten Erzählung Venus im Pelz zugrunde liegt: Die Frauen sind zu wahrer Liebe nicht fähig. In "Venus im Pelz" ersetzt der Held deshalb Liebe durch Unterwerfung, in "Die Liebe des Plato" entsagt der junge Graf Tarnow vollständig der Liebe der Frauen – und wird deshalb zum Gegenstand einer raffinierten Täuschung. Schließlich spielt er wider besseres Wissen sogar mit in diesem Spiel, da er seinen "Anatol" nicht verlieren will.

Michael Gratzke hat mit viel Sorgfalt eine Neuausgabe dieser seit langem nicht mehr lieferbaren Erzählung besorgt und kenntnisreich kommentiert. Aufgrund seiner galizischen Wurzeln verkörpert Sacher-Masoch eine literarische Tradition, die im modernen Europa verschüttet ist. So ist vor allem eine zauberhafte Prosa wiederzuentdecken, die den Leser auf ihre eigene Weise in die Welt schneidiger Offiziere, rauschender Ballkleider und flackernder Kerzen entführt.

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BRIEFE AN MEINE MUTTER Den 7. December. Liebe Mutter! Ich bin glücklich angekommen und befinde mich wohl, aber dabei ist es mir recht einsam und – ich schäme mich nicht, es zu gestehen – recht bange. Du weißt ja, daß ich den Soldatenrock angezogen habe, um in dem Lande, dessen Bürger ich bin, einen Beruf zu erfüllen, nicht aber, um den Helden zu spielen. Ich habe Heimweh und ein heftiges, tiefes Heimweh nach Dir, aber auch nach jedem alten Möbel, nach jedem halbdunklen Winkel, nach meiner schwarzen Katze, ja sogar nach dem Vater, der mir immer streng und fremd gegenüber gestanden ist. Ich bin eben das erstemal vom Hause fort. Meine Wohnung ist freundlich und bequem eingerichtet, ich habe auch bereits dem Obersten meine Aufwartung und meinen Kameraden Besuche gemacht; der Oberst war ziemlich kühl, die Officiere behandeln mich mit einer beleidigenden Artigkeit. Man läßt es mich fühlen, daß ich mit dem goldenen Porte-épée* in das Regiment kam. So sitze ich denn Abends allein an dem warmen Ofen, mein Bursch kocht mir das Wasser zum Thee, und ich hänge meinen Gedanken nach und dies sind meine glücklichsten Stunden, denn dann bin ich bei Dir in unserem lieben Hause. Ich brauche nur die Augen zu schließen, und Alles steht lebhaft vor mir. Es ist fünf Uhr, die Stunde, wo wir in Deinem Zimmer den Kaffee nahmen. Anna deckt schon den großen runden Tisch mit dem gelben geblumten Tuch, und Marcin klappert mit den Tassen; ich höre Deine sanfte Stimme – ich höre Alfred und Roman, wie sie die gute Anna necken, sie die heilige Lichtscheere nennen und sie ganz zornig wird. Ich weiß nicht, aber ich kann in diesem Augenblicke weder über ihre vielen Heiligenbilder noch über ihren Myrthenkranz oder ihre Schwärmerei für den Pater Seraphikus* lachen, nicht einmal über den Jungfrauenverein. Marcin sogar in seiner komischen Leidenschaft für die Gouvernante erscheint mir als eine Naturnothwendigkeit, es würde dem alten Hause etwas fehlen, wenn er nicht während dem Serviren die Augen verdrehen und seufzen und während er den Boden wichst und auf seinen Bürsten tanzt, französisch lernen würde. Was macht der Adam, der herrliche Adam, den ich schon als Kind so liebte, der mich allein außer meiner Amme auf dem Arm haben durfte und den ich trotz seinem Stallgeruch, seinen ungewaschenen Händen und seinem von Branntwein rothlackierten Gesicht den schönen Ada nannte. Aber ich thue ihm Unrecht, er hat doch einmal seine Hände gewaschen und das war an dem Tage, wo er, zwei rothe Nelken im Knopfloch, um die Rosalie anhielt. Ob er sie am Hochzeitstage auch gewaschen, weiß ich nicht. Und Rosalie, was macht sie, die gute Seele hat manche Thräne in den letzten Äpfelstrudel hineingebacken, den sie mir gemacht hat. Aber ich spreche da von den Dienstleuten und vergesse – Aber meine Brüder wissen ja wie ich sie liebe, sie meine besten Freunde, haben sie seitdem viele Schlachten geliefert, wer commandirt die französische Armee, seitdem ich fort bin. Sie werden vielleicht den Napoleon suchen und bei den Grenadieren werden ihnen vier Mann im Gliede fehlen und einer bei den Voltigeurs* der Garde und – ich kann es ihnen ja so nicht verheimlichen, auch bei den Uhlanen* einer – sie werden böse sein – aber sage ihnen, daß es mir schwer war, mich von meinen papiernen Soldaten zu trennen und daß ich diese wenigen mitgenommen habe und daß sie jetzt auf meinem Tische stehen zwischen meinen Büchern und den Büsten von Puschkin und Lermontow. Und nach dem Kaffee sehe ich Dich an dem kleinen Nähtisch sitzen, auf dem eine Stadt abgebildet ist, unter der mit großen Buchstaben Petersburg steht, weil sie sonst Niemand erkennen würde. Erinnerst Du Dich noch, wie ich als Kind, wenn der Herr von Festenburg zum Vater kam und ich Dir nicht zu sagen wußte, wer bei ihm ist, da ich mir den Namen nie merken konnte, jedesmal zu Deinem Nähtisch lief und dann erfreut ausrief: der Herr von Petersburg, Mama, der Herr von Petersburg! Ich sehe Dich an dem Nähtisch sitzen in Deinem weißen Häubchen und die Stadt Petersburg ist mit Hemden und Strümpfen bedeckt und Dir gegenüber hängt das Bild meiner kleinen verstorbenen Schwester, und über Deinem Bette hängt das Kreuz mit dem Heiland und die Mutter mit dem Jesuskinde und wie es dunkel wird, sitzen die Dienstleute in dem großen Zimmer, das keine Fenster hat und in dem eine ewige Dämmerung ist und, die Anna liest ihnen zum dreißigstenmale den Rinaldo Rinaldini oder die Geschichte von dem Czaren Iwan dem Schrecklichen und seinem Leibwächter und Du holst Deine Tücher und Fetzelchen und deckst die Vögel zu, die den Kopf unter dem Flügel auf den Sprossen sitzen und schlafen wollen, den Staar, die Turteltauben, die Kreuzschnäbel und die 21 Kanarienvögel, ich glaube, es sind wirklich 21 oder noch mehr, denn wir haben die Jungen niemals weggegeben, obwohl wir es uns jedesmal feierlich vornahmen. Leben die Katzen noch und Mimi, meine schwarze Freundin, wer läßt sie apportiren, und der alte Dschox, hat er nicht wieder dem Adam ein Kaninchen todt gebissen, ich höre ihn knurren und sehe ihn unter giftigem Gewinsel die Brodkügelchen essen, welche ihm Roman auf den Tisch legt. Der Saal ist wohl schon ganz dunkel wie damals, wo der Vater mich in demselben auf den Vorposten stellte und die weißen Vorhänge lebendig wurden und ich weinend davonlief, der schöne Saal, der bei Sonnenlicht so freundlich ist, mit seinen blauseidenen Möbeln, seinen rothblühenden Kaktusen und seinen vielen Gemälden, dem Mädchen mit der Katze, der Maske, dem Moses, der den Israeliten in der Wüste die Schlange zeigt, den Landschaften, auf denen ich jeden Baum, jeden Zweig kenne. Der Vater sitzt in seinem Zimmer an dem Marmortisch und liest, auf dem Tisch stehen Virgil, Goethe in seinem langen Kaputrock, die Hände auf dem Rücken und Friedrich der Große. Wie of unterhielt ich mich damit, seinen kleinen Degen aus der Scheide zu ziehen und wieder hineinzustecken. Auch Napoleon ist da, rittlings auf dem Sessel sitzend wie in der Schlacht bei Leipzig, und der kleine Klavierspieler aus Porzellan mit dem großen Zopf. Zwischen den beiden Fenstern steht drohend der geharnischte Mann, über seinem Helme kreuzen sich schartige Säbel, auf denen alte Blutflecken rosten und an der Wand hängt eine türkische Fahne, das Panzerhemd eines Tartarenchans, den ein Tarnow unter Sobieski* bei Zolkiev erschlagen, und auch die Mongolenpfeile hängen da, welche ich nie anrühren durfte, weil sie vergiftet sind. Aber ich unterhalte Dich da mit Dingen, die Du alle kennst, die Dich umgeben, die mir indeß alle so unendlich kostbar und merkwürdig erscheinen, seitdem ich ferne von ihnen bin. Du willst Nachrichten von mir und ich weiß Dir heute nichts zu erzählen, aber in meinem nächsten Briefe hoffe ich Dir Manches mittheilen zu können, denn wie ich Dir zu Hause stets Alles gesagt habe, so sollst Du auch jetzt von mir wissen und jeden geheimsten Gedanken und jedes Gefühl, das sich vor sich selbst schämt, Alles werde ich Dir schreiben, sollte es Dir auch zu viel werden, Alles was ich erlebe, die Gedanken, die mir kommen, die Empfindungen, die ich habe, und meine Handlungen, und Du wirst mir immer wie zu Hause sagen, ob ich unvernünftig oder ob ich recht gehandelt habe. Denn Du hast mich immer gut geleitet mit Deiner lieben, sanften Hand und wenn Dein Auge freundlich auf mir ruhte, so wußte ich, daß ich mit mir zufrieden sein durfte. Leb’ wohl, liebe Mutter, grüße mir Alle, Alle von ganzem Herzen, Dein dankbarer Sohn Henryk. Nachschrift. Wie ich den Brief schließen will, fällt mir noch etwas ein, was ich Dir mittheilen muß, eine auffallende Begegnung. Wie ich aus der Kaserne nach meiner Wohnung ging, schoß ein phantastischer Schlitten an mir vorbei und in dem Schlitten saß eine junge Frau in prachtvoller Toilette. Ich sah sie nur einen Augenblick, aber ich weiß, daß sie blonde Haare hat und schöne Augen und die Haltung einer Fürstin, einer Herrscherin. Ich blieb stehen und sah ihr nach und wenn ihre vier kleinen Ukrainer Pferde nicht Flügel gehabt hätten, ich wäre ihr nachgegangen. Ja ich bin imstande, die Promenade, das Theater zu besuchen, ja sogar die Kirchen, um sie wieder zu entdecken, und wenn ich einmal ihre Wohnung weiß, Stunden unter ihren Fenstern zu stehen, nur um ihren Schatten an den Vorhängen vorüber schweben zu sehen. Erkläre mir dieß? Eine schöne Frau ist das Entzückendste, was es für mich gibt, ich kann mich Tag und Nacht mit ihr beschäftigen, ich erzähle mir selbst Romane, deren Held ich, deren Heldin sie ist, sie taucht in meinen Träumen auf, aber ich denke nie daran, sie zu besitzen, ja ich habe die Erfahrung gemacht, daß ich nur zehn Worte mit ihr zu wechseln brauche, um – Eine schöne Frau ist mir wie ein Kunstwerk, z. B. ein Gemälde, das man nie berühren, ja dem man nicht einmal nahe kommen darf, wenn man den Zauber nicht schwinden sehen will. Ich werde meine Fürstin wiedersehen, aber...



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