Sachse Therapeutische Beziehungsgestaltung
2., aktualisierte und ergänzte Auflage 2016
ISBN: 978-3-8444-2718-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 126 Seiten
ISBN: 978-3-8444-2718-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine tragfähige Therapeut-Klient-Beziehung ist für alle Psychotherapeuten, Psychologen, Ärzte, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen das zentrale Element einer erfolgreichen Therapie. Diese Arbeitsbeziehung muss stets aktiv hergestellt und gestaltet werden.
In diesem Band wird zunächst die Wichtigkeit der therapeutischen Beziehung begründet, und es werden verschiedene Beziehungskonzepte diskutiert. Erörtert werden auch der Sinn und die Ziele der Beziehungsgestaltung und ihre therapeutische Funktion. Das Konzept der motivbezogenen komplementären Beziehungsgestaltung wird ebenfalls eingehend erläutert: Ein Therapeut sollte die zentralen Beziehungsmotive eines Klienten verstehen und sich zu diesen im Rahmen der therapeutischen Regeln komplementär verhalten. Die einzelnen Beziehungsmotive und die Arten von Komplementarität werden im Detail dargestellt. Therapeutische Strategien werden erklärt und an Beispielen und einem Transkript veranschaulicht. Schließlich wird auch auf andere Konzepte der Komplementarität eingegangen, und es werden Zusammenhänge und Unterschiede erläutert.
Zielgruppe
Psychologische und Ärztliche Psychotherapeuten, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychologische Berater, klinische Psychologen und Studierende der klinischen Psychologie.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
|19|2 Therapeut-Klient-Beziehung: Konzepte und Ergebnisse
In diesem Kapitel wird auf die Aspekte der therapeutischen Allianz sowie der therapeutischen Beziehungsgestaltung und deren Relevanz für Therapieprozesse und Ergebnisse eingegangen. 2.1 Konzeptionen
In der Literatur kann man grob zwei Konzepte zur Therapeut-Klient-Beziehung unterscheiden. 2.1.1 Therapeutische Beziehungsgestaltung Der Begriff der „therapeutischen Beziehung“ oder „therapeutischen Beziehungsgestaltung“ bezieht sich im Wesentlichen auf diejenigen Aspekte der Beziehung, die der Therapeut gestaltet: Auf Empathie, Akzeptierung usw. des Therapeuten (vgl. Watson & Greenberg, 1994). Hier geht es um Fragen wie: Wie genau gestaltet der Therapeut die Beziehung? Welche Auswirkungen hat die Beziehungsgestaltung auf den Bearbeitungs- oder Veränderungsprozess beim Klienten (während der Therapie)? Welche Auswirkungen hat die Beziehungsgestaltung auf die Therapie, das Therapieergebnis? In diesem Konzept geht es somit primär um den Beitrag des Therapeuten und die Fragen: Wie können die Beiträge des Therapeuten aussehen? Wie genau sollte der Therapeut sein Handeln gestalten? Welche Strategien kann ein Therapeut anwenden? usw. Das Konzept betont somit die Handlungsseite des Therapeuten; diese sind gewissermaßen die „unabhängigen Variablen“. Die Effekte dieses Handelns auf den Klienten sind dann die abhängigen Variablen. |20|2.1.2 Therapeutische Allianz Der Begriff der „therapeutischen Allianz“ geht weit über die Frage der Beziehungsgestaltung durch den Therapeuten hinaus: Allianz bezieht sich nicht nur auf die Handlungen des Therapeuten, sondern darauf, was Therapeut und Klient zu einer konstruktiven Beziehung beitragen, also auf Aspekte beider Interaktionspartner; therapeutische Allianz bezieht sich damit auf „die Stärke und Qualität der Arbeitsbeziehung zwischen Therapeut und Klient“ (Horvath & Bedi, 2002, S.?41). Relevante Fragen sind hier z.?B.: Wie handeln Therapeut und Klient Ziele der Therapie aus? Wie nimmt der Klient den Therapeuten wahr? Welche Bindung entwickelt der Klient zum Therapeuten? Welchen Beitrag leistet der Klient zur therapeutischen Allianz? Leistet der Klient Widerstand, realisiert er Vermeidung? Wie bearbeiten Therapeut und Klient therapeutische Aufgaben? (vgl. Bordin, 1979, 1989, 1994; Henry & Strupp, 1994) In „therapeutische Allianz“ gehen somit z.?B. ein (Bordin, 1979, 1994; Hausner, 2000; Hentschel, 1990; Horvath, 1994, 2001; Horvath & Bedi, 2002; Horvath & Luborsky, 1993; Horvath & Marx, 1991; Lambert & Barley, 2002; Norcross, 2002): Interpersonelle Skills des Therapeuten Kommunikative Skills des Therapeuten Empathie des Therapeuten Expertise des Therapeuten Negative Verhaltensweisen des Therapeuten „matching“ von Therapeut und Klient Zusammenarbeit Dysfunktionale Verhaltensmuster des Klienten „Allianz“ umfasst somit einerseits Beiträge beider Interaktionspartner, andererseits umfasst das Konzept aber auch deutlich mehr Aspekte als „Beziehung im engeren Sinne“. „Allianz“ umfasst schon die Interaktion zwischen Therapeut und Klient und umfasst auch schon Aspekte, die in unserer Therapiekonzeption (vgl. Sachse, 1992a) eher als „therapeutische Bearbeitung“ angesehen werden. Wie Hatcher (1999) es formuliert: „Confident collaboration is proposed as a key alliance concept“ (S.?405) wird deutlich, dass Allianz nicht nur die Handlungsseite des Therapeuten erfasst, sondern auch die Wahrnehmungsseite des Klienten, also das Ergebnis der Therapeuten-Handlungen. Dieses Ergebnis, so wird aber unmittelbar deutlich, hängt nicht nur vom Handeln des Therapeuten ab, sondern auch von der „Aufnahmebereitschaft“ (oder „collaboration“) des Klienten (vgl. Tryon & Winograd, 2002) und die wiederum hängt von vielen Klienten-Faktoren ab oder vom Widerstand des Klienten (vgl. Beutler, Moleiro & Talebi, 2002). Allianz umfasst somit eindeutig nicht nur die Beziehungsgestaltung durch den Therapeuten, sondern erfasst schon die dadurch beim Klienten ausgelösten Probleme mit. Natürlich kann es sinnvoll sein zu untersuchen, inwieweit ein Zustand, zu dem Klient und Therapeut gemeinsam beitragen und der eine Reihe von therapeutischen Aspekten umfasst, den Therapieerfolg vorhersagt. Tut er dies, dann ist es sinnvoll, diesen Zustand im Therapieprozess anzustreben. |21|Aber genau daraus ergibt sich die eigentlich spannende Frage: Was genau kann und sollte ein Therapeut tun, um einen solchen Zustand zu erreichen? Und diese Frage beantwortet das Konzept der „therapeutischen Allianz“ nicht, denn es konfundiert verschiedene andere Aspekte mit Aspekten der therapeutischen Beziehungsgestaltung. Da wir aber gerade dieser Frage nachgehen wollen, was genau ein Therapeut tun kann, können wir uns konsequenterweise gerade nicht dem Konzept der Allianz zuwenden, sondern wir müssen genau analysieren, wie genau Therapeuten aktiv, geplant, bewusst und strategisch die Therapeut-Klient-Beziehung gestalten können. Dieses Handeln des Therapeuten sollte dann genau erfasst werden und dann mit anderen therapeutischen Variablen in Verbindung gesetzt werden. Erst dann kann man genau sagen, unter welchen Bedingungen ein Therapeut genau was tun sollte. Aus diesen Gründen soll das Konzept der therapeutischen Allianz hier nicht weiter verfolgt werden, sondern behandelt werden sollen Aspekte der therapeutischen Beziehungsgestaltung. 2.2 Zusammenhang: Therapeut-Klient-Beziehung – Therapieergebnis
Das erste, was man deutlich sagen kann ist, dass Konzepte der therapeutischen Allianz deutlich höher mit dem Therapieergebnis korrelieren als Konzepte der „therapeutischen Beziehungsgestaltung“ durch den Therapeuten. „Therapeutische Allianz“ korreliert (je nach verwendetem Indikator der Allianz und dem verwendeten Erfolgsmaßen und untersuchten Therapien) zwischen 0.24 und 0.64 (vgl. Barber et?al. 1999; Barber, Connolly, Crits-Christoph, Gladis & Siqueland, 2000; Castonguay, Goldfried, Wiser, Raue & Hayes, 1996; Cooley & LaJoy, 1980; Crits-Christoph & Connolly Gibbons, 2003; Crits-Christoph et?al., 2009; Gaston, 1990; Gaston, Marmar, Gallagher & Thompson, 1991; Gaston, Piper, Debbane, Bienvenu & Garant, 1994; Grawe, Caspar & Ambühl, 1990; Hentschel, 1990; Horvath, 1994; Horvath & Luborsky, 1993; Horvath & Symonds, 1991; Jordan, 2003; Krupnick et?al., 1996; Lambert & Barley, 2002, 2008; Luborsky, 1976, 1994; Luborsky & Auerbach, 1985; Luborsky, Crits-Christoph, Alexander, Margolis & Cohen, 1983; Morgan, Luborsky, Crits-Christoph, Curtis & Solomon, 1982; Marziali, 1984; Safran & Wallner, 1991; Salvio, Beutler, Wood & Engle, 1992; Svartberg & Stiles, 1994; Webb et?al., 2011). Natürlich ist das auch nicht weiter verwunderlich, da „therapeutische Allianz“ weit mehr Aspekte des therapeutischen Geschehens umfasst als „Beziehungsgestaltung“: Vor allem umfasst „Allianz“ auch Aspekte der therapeutischen Arbeit, die ja ebenfalls mit dem Therapieerfolg korrelieren. Daher müssen Maße der „Allianz“ höher mit dem Therapieergebnis korrelieren als Maße des Therapeuten-Handelns allein. Die spannende Frage (aus meiner Sicht) in diesem Konzept ist aber auch gar nicht, wie ein komplexer Zustand „Allianz“ mit Therapieerfolg korreliert, sondern wie genau die Beziehungsgestaltungsvariablen des Therapeuten mit dem Erfolg korrelieren, also die Frage: Was genau bewirkt therapeutische Beziehungsgestaltung? ...