Sauer | In 170 Tagen um die Welt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 312 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 220 mm

Sauer In 170 Tagen um die Welt

Tagebuch eines Bordpfarrers
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-429-06581-2
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Tagebuch eines Bordpfarrers

E-Book, Deutsch, 312 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 220 mm

ISBN: 978-3-429-06581-2
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Über 25 Jahre lang ist Hanjo Sauer als Bordgeistlicher auf Kreuzfahrtschiffen über die Ozeane gefahren. 170 Tage und Nächte ist er in diesem Buch unterwegs. Das Schiff macht Station in Europa, Afrika, Asien, Ozeanien und Südamerika. Es ist eine Weltreise voller kleiner und großer Ziele sowie überraschender Begegnungen. Mit seinen Erfahrungen als Begleiter von Menschen rund um den Globus entführt Hanjo Sauer die Leser auf eine ganz besondere Fahrt.

? Gedanken und Erlebnisse eines Pfarrers auf einem Kreuzfahrtschiff

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Seetag auf dem südlichen Atlantik
Drei Tage werden wir noch auf See unterwegs sein, bis wir in Walfischbai, Namibia, das afrikanische Festland erreichen. Wie mit Gisela, der Künstlerbetreuerin, abgesprochen, soll ich heute am Nachmittag im Kino meinen ersten Vortrag anbieten. Ich freue mich darauf, bin jedoch auch ein bisschen angespannt, ob technisch alles klappen wird. Ich brauche unbedingt Bilder und hoffe, dass wir die Power-Point-Datei zum Laufen bekommen. Doch erst steht noch die Morgenandacht auf dem Programm. Sie hat sich so gut eingespielt, dass kein Herzklopfen mehr notwendig ist. Heute möchte ich zu den Psalmen etwas sagen. Seit einigen Jahren habe ich mir bei den Morgenandachten angewöhnt, jeweils abwechselnd mit den Gästen einen Psalm zu beten. Das passt gut zum ökumenischen Charakter, denn Luther hat den Psalmen eine hohe Wertschätzung entgegengebracht. Außerdem habe ich festgestellt, dass das Gebet im Wechsel, also jeweils ein Vers von mir gesprochen, dann einer von den anwesenden Gästen, sehr gut klappt und sich die meisten der Gottesdienstbesucher unproblematisch darauf einlassen. Wichtig ist nur, dass sie den Text gut lesen können. Sowohl im „Evangelischen Gesangbuch“ als auch im katholischen „Gotteslob“ findet sich eine ausreichende Zahl von Psalmen zu allen möglichen Gelegenheiten. Für meinen Geschmack sind die Psalmentexte im „Evangelischen Gesangbuch“ etwas besser lesbar. Nachdem eine genügend große Anzahl davon vorhanden ist, werden sie gerne von mir eingesetzt. Warum Psalmen? Erstens gehören sie zum ältesten und bedeutendsten Gebetsschatz der jüdisch-christlichen Tradition. Zweitens schlägt sich in ihnen das Beste nieder, was das Volk Israel auszeichnete: die Fähigkeit zu einer überragenden Poesie und drittens verbinden uns die Psalmen mit dem Volk Israel. Das Großartige liegt in der Situationsbedingtheit und deswegen in der Authentizität der Gebetserfahrung. Hier wird kein Lexikonartikel geschrieben: Der Mensch. Hier wird eine Erfahrung mit Gott in Worte gebracht. Am Nachmittag halte ich meinen ersten Vortrag zum Thema: Wer hat die Religion erfunden? Ich beginne mit der Frage nach dem Ursprung der Religion. Mein Gedankengang: Eine „Erfindung“ der Religion lässt sich in der langen Geschichte der Menschheit nicht nachweisen. Mit anderen Worten: Die Religion gehörte schon immer zum Menschen. Um wenigstens ein Anschauungsbeispiel zu zeigen, hatte ich Tierbilder aus der berühmten Chauvet-Höhle aus dem Flusstal der Ardèche in Frankreich mitgebracht. Großartige Bilder von Löwen, Bisons und sogar Vögeln. Natürlich stellt sich die Frage: Welche Funktion sollten diese Bilder haben? Jagdzauber, um den Erfolg der Jagd sicherzustellen? Die Beschwörung dunkler Mächte, die als Tiere dargestellt wurden? Die religiöse Bedeutung der Bilderwelt steht außer Frage. Sehr eindrucksvoll lässt sich anhand dieser frühen Gesellschaft, die vor mehr als 30.000 Jahren gelebt hat, zeigen, wie damals Kunst, Religion und Wissen noch eins waren und es erst sehr viel später zu einer Differenzierung der einzelnen Lebensbereiche kommt. Auf der Kabine lasse ich mir Gedanken für die Morgenandacht des kommenden Tages durch den Kopf gehen. Es soll um die Christophorus-Geschichte gehen. Die Geschichte hat mehrere Schichten. Ursprünglich könnte sie einmal erzählt worden sein, um die heilsame Wirkung des Glaubens zu demonstrieren und die christliche Taufe zu propagieren. Demnach wurde ein ursprünglich wilder und sprachunfähiger Riese durch die Begegnung mit Christus in der Taufe zivilisiert, lernte zu sprechen und erwies sich als Musterbeispiel eines Frommen. Dann begann die Geschichte ihr Eigenleben zu entwickeln. Von besonderem Einfluss wurde im 13. Jahrhundert die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Sie erzählt von einem Riesen mit Namen Offerus, ausgestattet mit einem furchtbaren Antlitz und einer Körpergröße von fast zehn Metern. Dieser Riese machte sich auf die Suche nach dem mächtigsten König der Erde, dem allein er dienen wollte. Offerus fand einen mächtigen König, musste jedoch feststellen, dass sich dieser vor dem Teufel fürchtete. So suchte er diesen, den er für mächtiger hielt, in der Gestalt eines schwarzen Ritters auf. Doch auch hier musste er feststellen, dass der Teufel jedes Mal einem Kreuz auswich, sobald eines sichtbar wurde. Das war schließlich für ihn der Grund, sich in den Dienst des Gekreuzigten zu stellen. Schließlich wurde der entscheidende Akzent der Geschichte auf die Begegnung mit dem Jesuskind gelegt. Durch diese Begegnung wurde aus dem „Offerus“ ein „Christophorus“, also ein Christusträger. Intensiv hat sich auch die bildende Kunst mit dem Thema auseinandergesetzt und die Tatsache, dass Christophorus zum Patron der Reisenden und insbesondere der Autofahrer*innen wurde, hat seine Popularität erheblich erhöht. Ich werde für die Morgenandacht wieder kleine Bilder austeilen, nämlich Abbildungen des wunderschönen Freskos von Masaccio, das um 1420 entstanden ist und sich in San Clemente in Rom befindet. Dargestellt ist der Moment, als Christophorus voller Staunen auf das Kind auf seiner Schulter sieht und sich fragt, welche Last er sich da aufgeladen hat. Im Hinblick auf die ökumenische Öffnung der Geschichte merke ich an, dass Martin Luther eigentlich nichts dagegen haben dürfte. Geht es doch um den Glauben und seine wirklichkeitsverändernde Kraft. Natürlich weiß ich, dass Heilige nicht zum Inventar lutherischer oder reformierter Kirchen gehören, aber die Situation hat sich deutlich verändert. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, wie unbefangen die evangelische Kirche in Thüringen mit der Gestalt der Elisabeth umgeht. Nach der Morgenandacht gibt es Gesprächsbedarf, keine grundsätzlichen Einwendungen. Ich gehe davon aus, dass knapp die Hälfte meiner Gottesdienstbesucher evangelisch ist. Der „Morgenwecker“ vor Namibia
Um 6:30 Uhr werde ich durch das Läuten des Weckers wach. Heute bin ich der „Morgenwecker“. Normalerweise ist das kein Job für den Bordpfarrer, aber nachdem ich seit vielen Jahren auf dem Schiff bekannt bin, hat Gisela mein Angebot gerne angenommen, alle ein bis zwei Wochen eine Sendung in der Frühe zu gestalten. Der „Morgenwecker“ ist ein zusätzlicher Service, die Gäste auf angenehme Art und Weise aufzuwecken und in den Tag zu begleiten. Unter den Mitgliedern des Ariadne-Teams ist der Job allerdings nicht sehr begehrt, weil er mit frühem Aufstehen und auch mit ein bisschen mehr Arbeit zusammenhängt. So sind alle froh, wenn jemand von außen noch mitmacht. Worin besteht die Arbeit? Zunächst ist es wichtig, sich ein paar Musikstücke einfallen zu lassen, dann aber vor allem einige passende Texte zum Vortrag. Das ganze Programm ist auf 30 Minuten begrenzt. Es gibt auch keinen leitenden Redakteur, der die Sendung überwacht. Ich bin mir in dem kleinen Senderaum auf Deck 2, der wegen der Rechner, die hier laufen, heruntergekühlt ist, vollkommen selbst überlassen. Als festes Ritual gibt es eine Aufwachmelodie mit Vogelgezwitscher. Am Anfang steht die Begrüßung: „Einen wunderschönen guten Morgen! Heute ist Freitag, der 12. Januar, und wir haben 7:34 Uhr. Also durchaus Zeit, sich noch einmal im Bett umzudrehen und sich genüsslich den Morgenwecker anzuhören. Ich habe für Sie heute lateinamerikanische Musik ausgesucht, deren Lebensfreude ansteckend sein soll.“ Nach der Begrüßung folgt Musik. Die passende CD habe ich längst schon in das Gerät geschoben und mit der Pausentaste gestoppt. Diese Methode ist die einfachste, damit es keine unschöne Unterbrechung zwischen Text und Musik gibt. Im nächsten Punkt dann ausführliche Informationen über Wind und See, Luft und Wassertemperatur. Nun die Positionsangabe: „Wir sind in südöstlicher Richtung unterwegs und werden morgen Walfischbai, Namibia, erreichen.“ Es bleibt etwas Zeit für Musik, eine herrlich mitreißende Rumba, dann folgt meine angekündigte Geschichte. Es ist eigentlich eine Geschichte für Kinder, aber auch Erwachsene können sie sich anhören: „Vor langer Zeit fuhr ein alter Dampfer über den Atlantik. Immer die gleiche Richtung – hin und zurück. Auf dem Weg westwärts hatte er Industrieprodukte geladen, auf dem Weg zurück – ostwärts – Südfrüchte, Sojabohnen und Kaffee. Nun passierte es eines Tages, dass ganz unten im Maschinenraum, wo es heiß und dunkel war und wo es immer nach Öl und Schiffsdiesel stank, eine kleine Schraube die Lust verloren hatte. Ihr stank alles und sie sah den Grund nicht ein, warum sie noch länger halten sollte. Sie sagte: ‚Mir reicht es. Ich kündige. Ich quittiere meinen Dienst.‘ Die anderen Schrauben waren ganz betroffen, als sie das hörten, ebenso die Nieten und die Träger. Sie meinten, wenn die kleine Schraube nicht mehr halten will, dann müssten sie das auch nicht mehr tun. Wie...


Hanjo Sauer ist emeritierter Prof. für Fundamentaltheologie an der Katholischen Universität Linz.



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