E-Book, Deutsch, Band 3, 507 Seiten
Reihe: KEEPING
Savas Keeping Hope
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7363-1555-6
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 3, 507 Seiten
Reihe: KEEPING
ISBN: 978-3-7363-1555-6
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Anna Savas wurde 1993 geboren und kann sich ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen. Seit ihrer Kindheit ist Schreiben für sie wie Atmen, und weil Ideen oftmals aus dem Nichts kommen, hat sie immer ein Notizbuch dabei. Sie freut sich, von ihren Leser*innen auf Instagram zu hören (@annasavass).
Autoren/Hrsg.
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1. KAPITEL
Ella Meine Finger huschten über die Tastatur, Buchstabe reihte sich an Buchstabe, Wörter füllten Seite um Seite. Die Stille der Nacht beflügelte mich. Nur die Melodie meiner tippenden Finger auf der Tastatur war zu hören. Feuerte mich an, weiterzumachen, und mit jedem Buchstaben, jedem Wort, jeder Seite nahmen meine Figuren mehr Gestalt an. Sie lebten, atmeten, fühlten. Ich schrieb wie besessen. Die Deadline kam näher und näher. Keine achtundvierzig Stunden mehr. Ich war viel zu spät dran, aber ich war selbst schuld. Wer drei Tage vor Abgabe die Hälfte des Plots noch einmal umwirft, sollte wohl damit rechnen, dass die Zeit knapp werden könnte. Nicht, dass ich den gesamten Plot jetzt schon benötigen würde, aber ich konnte nicht richtig schreiben, wenn ich nicht zumindest die groben Punkte kannte. Und wenn ich die änderte, tja … dann hatte ich ein Problem. Mein Handy leuchtete auf, doch ich ignorierte es. Vee musste jetzt noch ein paar Minuten warten. Ich warf einen kurzen Blick auf Wort- und Seitenzahl, und ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Na also, wenigstens die Mindestanzahl hatte ich für die Leseprobe zusammen. Ich beendete das Kapitel mit dem miesesten Cliffhanger, den man sich für die Leseprobe eines New-Adult-Liebesromans vorstellen konnte, öffnete Vees Chat in der Webversion von WhatsApp, kopierte das Kapitel, das ich gerade geschrieben hatte, und schickte es ihr. Ich 04:03: Hier bitte schön. Wenn es dir nicht gefällt, gehe ich sterben. Vee 04:04: Hör auf, rumzuheulen, es ist garantiert großartig! Ich lese. Unruhig kaute ich auf meiner Unterlippe herum, während ich darauf wartete, dass Vee mir sagte, ob ich es versaut hatte oder nicht. Vermutlich hängte ich mein Herz zu sehr an dieses Stipendium. Es war absolut unwahrscheinlich, dass ich es bekommen würde. Aber ich konnte diese Chance auch nicht ignorieren. Nicht, wenn die Faerfax University die Voraussetzungen für ein Stipendium für das Fach Creative Writing geändert hatte. Nach meinem Highschool-Abschluss hatte ich mich schon mal für ein Stipendium beworben, weil meinen Eltern das Geld für die Studiengebühren gefehlt hatte und ich keinen Studienkredit für ein Fach mit eher semiguten Berufschancen bekommen hatte. Damals war ich nicht genommen worden. Danach hatte ich mir eingeredet, dass ich kein Studium brauchte, dass ich es auch ohne einen Abschluss schaffen konnte, meinen Traum zu verfolgen und Schriftstellerin zu werden. Dass ich gut genug war, es ohne Hilfe zu schaffen. Ich hatte es nicht geschafft. Drei Jahre waren vergangen, und ich war heute keinen Schritt weiter als nach meinem Abschluss. Deshalb hatte ich nicht lange gezögert, als ich erfahren hatte, dass ein Stipendium für Creative Writing nicht mehr von meinen Noten abhing, sondern von meinem Talent als Schriftstellerin. Wer das Geld hatte und kein Stipendium brauchte, musste sich nicht bewerben, zumindest nicht so wie ich. Für all diejenigen, die nicht auf die Wohltätigkeit anderer angewiesen waren, reichte eine normale Collegebewerbung. Wer jedoch versuchte, eins der begehrten Stipendien zu ergattern, musste nicht nur eine Reihe Gedichte oder Poetry Slams und eine Kurzgeschichte einreichen, sondern auch die Leseprobe für einen Roman. An ebendieser Leseprobe hatte ich die letzten Wochen gesessen und vor drei Tagen noch mal von vorne angefangen, weil sich an der ersten Version irgendetwas falsch angefühlt hatte. Diese Version fühlte sich besser an, aber nur weil meine Idee gut war, musste dem Gremium, das die Stipendien vergab, noch lange nicht mein Schreibstil gefallen. Instinktiv zog ich die Schultern hoch. Wenn Vee wüsste, dass ich schon wieder in Zweifeln zu ertrinken drohte, würde sie mich einen Kopf kürzer machen. Wir hatten uns vor fast zwei Jahren über Instagram kennengelernt. Im Gegensatz zu mir war sie schon ein paar Schritte weiter und veröffentlichte Dark Romance im Selfpublishing. Ich hatte alle ihre Bücher in kürzester Zeit verschlungen und sie angeschrieben, ohne mir Gedanken darüber zu machen, ob sie mir antwortete. Hatte sie aber, und irgendwie waren wir Freundinnen geworden. Seitdem verging kein Tag mehr, an dem wir nicht schrieben und uns gegenseitig unsere neuesten Textstellen zum Lesen schickten. Jemanden live mitlesen zu lassen war wirklich praktisch. Manchmal war es allerdings auch die absolute Hölle, wenn man auf eine Antwort wartete und wartete und dabei vielleicht ein kleines bisschen die Nerven verlor. Als ihre Nachricht endlich auf dem Bildschirm erschien, atmete ich erleichtert auf. Vee 04:17: Das kannst du doch nicht machen! Das soll das Ende der Leseprobe sein? Sie müssen dich allein deshalb nehmen, damit du diesen Cliffhanger auflösen kannst! Ich 04:18: Dann kann ich das also so abschicken? Vee 04:18: Kannst du! Tu es! Los jetzt! Bevor du es dir wieder anders überlegst! Ich wurde rot, weil sie recht hatte. Ich sollte es sofort tun, sonst verlor ich mich wieder in meinen Selbstzweifeln, und dann würde ich mich am Ende gar nicht bewerben. Und das ging nicht. Eilig öffnete ich mein Mailprogramm und schickte meine Bewerbungsunterlagen ab. Alles würde gut werden. Wenn ich nicht selbst daran glaubte, hätte ich mir den Stress der letzten Zeit auch sparen können. In ein paar Wochen würde ich die Zusage für das Stipendium bekommen. Dann würde ich im Herbst zu studieren anfangen, und irgendwann wäre ich schließlich so weit, es zu wagen, meine Geschichten in die Welt hinauszulassen. Es würde passieren. Ich musste nur ganz fest daran glauben. Ich 04:33: So, hab’s getan, ich gehe sterben. Vee 04:34: Nein, tust du nicht! Du musst los, dein Flieger geht gleich! Mason wartet bestimmt schon auf dich … Als hätte mein Wecker nur auf das Kommando gewartet, begann er zu klingeln. Fünf nach halb fünf. Es war viel zu früh und gleichzeitig viel zu spät. Gähnend schaltete ich den Wecker aus, und mein Rücken gab ein protestierendes Knacken von sich, als ich mich streckte, und ein schmerzhaftes Stechen schoss durch meinen Nacken. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und es nicht mal gemerkt. Jetzt, da die Anspannung nachließ und das Adrenalin abklang, traf mich die Müdigkeit wie ein Schlag, aber nun war es zu spät, um ins Bett zu krabbeln und zu schlafen. Mit einem erschöpften Seufzen stand ich auf, fischte Unterwäsche und ein Sommerkleid aus dem Kleiderschrank und verließ mein Zimmer. Als ich ins Wohnzimmer trat, ging gerade die Sonne auf. Lichtstrahlen tasteten sich am Fenstersims empor, orangerot und kräftig, malten Schatten auf die Buchrücken, die sich dicht an dicht in dem hohen Regal aneinanderschmiegten. Über Jamies Klavier wirbelten winzige Staubkörner durch die Luft, nur sichtbar gemacht von der Sonne, und meine Pflanzen, die ich auf praktisch jeder freien Fläche des Raums platziert hatte, reckten sich dem Licht entgegen. Leise schlich ich durchs Wohnzimmer, vorbei an meinem allerliebsten Leseplatz, dem Korbsessel, der an der Decke baumelte, und ging ins Bad. Zwanzig Minuten später war ich fertig angezogen, meine Tasche gepackt und der Laptop sicher in meinem Rucksack verstaut. Ich überprüfte noch einmal, ob ich tatsächlich alles hatte, checkte das Datum des Flugtickets auf meinem Handy und schlüpfte aus meinem Zimmer. Gerade als ich auch die Wohnung verlassen wollte, hielt Jamies dunkle, leicht raue Stimme mich auf. »Wo willst du denn so früh hin?« Ich stieß einen erschrockenen Laut aus, weil ich mit ihm um diese Uhrzeit nicht gerechnet hatte, und wirbelte zu ihm herum. Er stand im Türrahmen seines Zimmers, die braunen Haare standen zerzaust in alle Richtungen ab, seine dunkelblauen Augen waren glasig. Ich musste lächeln. Er schlief noch halb. »Ich bin dieses Wochenende doch bei Mason«, erinnerte ich ihn. Jamie verzog das Gesicht und wandte sich mit einem Gähnen ab. »Richtig. Da war ja was. Na dann, guten Flug.« »Danke. Hey, Jamie, warte mal«, hielt ich ihn auf, und er drehte sich mit einem fragenden Ausdruck auf dem Gesicht wieder zu mir um. »Wollen wir Sonntagabend, wenn ich zurückkomme, mal wieder einen Filmabend machen? Unser letzter ist schon Ewigkeiten her.« Seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln, ein Grübchen erschien auf seiner rechten Wange. »Klar. Aber nur, wenn wir auch Pizza bestellen.« Ich schmunzelte. »Ich glaube, das sollten wir hinkriegen. Dann sehen wir uns Sonntag.« »Bis Sonntag, Ella.« Ein warmer Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen, und sein Lächeln wurde noch ein wenig breiter. Ich erwiderte es und tippte mir zweimal an die Nase, weil wir das immer taten, wenn wir unter uns waren und uns voneinander verabschiedeten. Ich erinnerte mich nicht mehr daran, wann und warum genau wir mit diesem kleinen Ritual angefangen hatten, aber es war über die letzten Jahre zur Gewohnheit geworden. Jamie wiederholte die Geste, und ein warmes Gefühl durchströmte mich. Dann verließ ich die Wohnung. Es war ungewöhnlich heiß, als ich in Dallas ankam, obwohl es noch früh war. Ich suchte mir ein Taxi und nannte dem Fahrer Masons Adresse. Eine Mischung aus...