E-Book, Deutsch, 324 Seiten
Schäfer Große Damen, große Steine
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95959-379-3
Verlag: Machandel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 324 Seiten
ISBN: 978-3-95959-379-3
Verlag: Machandel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Johanna Schmid möchte nur das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden: Eine Besichtigung archäologischer Stätten in Frankreich für die Planung ihrer nächsten Exkursion und gemeinsame Wohnmobil-Ferien mit ihrer englischen Freundin Scarlett. Doch was entspannte, genüssliche und manchmal auch lehrreiche Zweisamkeit werden sollte, wird unversehens durch reisende Esoterik-Damen, gestohlene Museumsschätze und einen verschwundenen Archäologen zu einem Ereignis ganz anderer Art. Interessant, findet Scarlett. Doch denken das auch die französischen Gendarmen?
Über die Autorin Martina Schäfer 1952 wurde ich in Düsseldorf geboren, um dort auch zur Schule zu gehen und dann das Abitur mit Bestnoten in Deutsch, Biologie und Geschichte zu vollenden. Zum Schrecken meiner Vormundstante studierte ich solch angeblich brotlose Künste wie Literatur- Musik- und Theaterwissenschaft in Düsseldorf, Frankfurt, München und Bremen. Lies mich aber dann doch dazu erweichen, ein anständiges Staatsexamen in Heil- und Sonderpädagogik, sowie den Diplompädagogen in Frankfurt abzuschliessen um dann wacker im Jahre Tschernobyl in Bremen zu promovieren. Hernach hatte ich das Gefühl, ich hätte wirklich noch nichts Richtiges gelernt, obwohl ich als selbstständige Trainerin und Coach für Kampfsport und Empowerment nicht am Hungertuch nagte und stürzte mich in das Studium der Ur- und Frühgeschichte in Köln, um als Magistra derselben wieder aufzutauchen, mit der Krone meines Bildungsganges, einem Master of Theology auf dem Haupt, in der Schweiz weiter zu schwimmen. Entsprechend diesem Lebenslauf als poeta docta füllte ich viele Seiten mit belletristischen aber auch fachwissenschaftlichen Texten, die teilweise in unendlichen Ordnerreihen auf dem Dachboden dahin vegetieren, teilweise sich in unergründlichen Tiefen meines Computers aufhalten und nach dem Tageslicht der Veröffentlichung gieren, teilweise tatsächlich an die Oberfläche eines allgemeineren Bewusstseins gelangten teilweise als Fachliteratur zur Gewaltprävention und interreligiöser Kommunikation, teilweise als schillernde Fischlein aus Fantasy- und Kriminalroman.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Sonnenhochstand am Tag der Grablegung vor ungefähr 6000 Jahren
Sorban richtete den Heiligen Speer neben sich auf und ließ seinen Blick schweigend über den Strand, die umliegenden Dünen und die Menschenmenge streifen, welche das Lange Grab mit der neu angebauten Kammer umstanden. Unten, vor dem Eingang zum Langen Grab, hatten die Träger die Bahre mit dem Toten am Fuße des Menhirs abgesetzt. Es waren die edelsten, tapfersten und klügsten Männer seines und des Toten Clans, schnelle, geschickte Fischer, starke, unverwüstliche Jäger, geduldige Austernsammler, sonnenverbrannte Bauern mit schwieligen Händen und Väter oder Brüder der Axtschlägerinnen, die drüben, auf der Insel der Meabhan, die heiligen Geräte aus den groben Rohstücken schlugen, die von weit her aus dem Inland angeliefert wurden. Sorban hatte sich so aufgestellt, dass sein Speer, der Menhir am Fuße des Hügels vor dem Eingang zur Kammer und die ferne Einkerbung zwischen den Brüsten der heiligen Insel in einer Linie lagen, Drohung und Ehrfurcht zugleich, Angriff oder Schutz. Doch der Himmel war trübe und grau, die Sonne verhüllte sich angesichts des Schrecklichen, das geschehen war, das Meer kabbelte ungeduldig und nagte am Strand. Er musste den richtigen Zeitpunkt des Höchststandes der Sonne auf anderem Wege erkennen, den Moment, da der Schatten des Menhirs den Eingang in die Unterwelt kennzeichnen würde. Denn da war kein Schatten, nur trübe, graue Luft, als trauerten selbst die Großen Kräfte um Soltans frühen Tod. Hinter den Trägern standen die Bewohner der Dünen-Siedlung, deren kleine Dächer kaum über die Bodenwellen herausragten. Große Körbe gefüllt mit allem Reichtum umgaben die Bahre seines Mutterbruders (*3): Helles Getreide, dunkel geräucherte Fleischstücke, Krüge, überschäumend vom Met in kleinen, feuchten Lachen, als wütete selbst dieses Getränk, das Vergessen bescherte, gegen die Ungeheuerlichkeit dessen, was wohl drüben auf der Heiligen Insel geschehen war, tropfende Körbe voller Austern und eine kleine Schale mit den Perlen, die sie hin und wieder in den Muscheln fanden, dem wahren Reichtum der Austernfischer und somit auch seines Clans. Abordnungen aus anderen Siedlungen und Stammesgebieten waren herübergekommen. Sie legten Fellbündel, Decken, kunstvolle Geräte, die seltenen, kleinen Grünsteindolche von weit her aus dem Süden und Töpferwaren am Fuße des neben dem Grabeingangs stehenden Menhirs ab, Tontöpfe voller Linsen und Bohnen, Vorratsgefäße, die zum Aufhängen in Netze gewickelt waren und in denen sich getrocknetes Obst befand, das eher landeinwärts wuchs: Pflaumen und Äpfel, von fleißigen Händen gesammelte Haselnüsse und Eicheln aus den höher gelegenen Nachbargebieten, Säcke mit Emmer und Einkorn, bauchige Gefäße mit vergorener Gerste und gestocktem Rinderblut. Nun fehlten nur noch die heiligen Äxte aus Feuerstein, manche so groß und schwer, dass sie kaum mit einer Hand angehoben werden konnten, manche klein und filigran, eingefügt in Arm- und Halsketten, in Diademe der Großen Kräfte, die sie alle umgaben. Sorban wandte den Blick von all der Fülle ab und schaute über das unruhige Meer, auf dem sich jetzt neun Coracles näherten. Im vordersten stand SIE, hoch aufgerichtet, mit wehendem Haar, dahinter die anderen Boote, tief liegend, schwankend in der unruhigen See, beladen mit den Zeichen der Großen Kraft aus der Tiefe, die nun mal in den Frauen schlummerte und ihnen Macht verlieh. Auch die Äxte würden mit dem Toten in die Tiefe des Grabes gegeben werden in der Hoffnung, dass er, wie alle Toten, einst wieder geboren würde aus dem Schoss der Erde, verwandelt, verjüngt, das Rad des Lebens weiter zu treiben. Und sich zu rächen! Sorban presste die Lippen aufeinander, dann hob er kurz entschlossen den Speer: „Halt!“ Er blickte vom Grabhügel den kleinen Steilhang hinunter, der Wind trug seine Stimme über den Strand und über die See: „Halt!“ Erstaunt sahen die Menschen zu ihm hinauf und er meinte selbst aus der Entfernung zu sehen, wie ein höhnisches Lächeln über IHR Gesicht glitt. „Was wagst du kleiner Clanführer?“ Die Menschen bewegten sich unruhig, als sie diese offensichtliche Herabsetzung ihres Anführers vernahmen. Doch Sorban zuckte nur mit den Schultern. Die Meabhan, die Herrin über die Heilige Insel der Äxte, war nun mal mehr, als alle Clanführer hier an den Stränden zusammen genommen. SIE wusste, wie das Heilige Gestein, das von so weit herkam, bearbeitet werden musste, um in Farbe und Maserung wie ein Abglanz des Himmels zu strahlen. SIE allein war in der Lage, jene Kraft in die Äxte zu legen, die den Toten die Wiedergeburt garantierte. SIE schickte jährlich ausgewählte junge Frauen ins Inland zu dem mächtigen anderen Brüsteberg, aus dessen Tiefe das heilige Gestein für die Äxte geholt wurde, oder sogar noch weiter in den Süden hinab, zu den Bergwerken mit dem hell leuchtenden Feuerstein. Im Gegenzug versorgten alle Stämme und Siedlungen die Küste hinauf und hinab die Heilige Insel mit dem, was dort zum Leben gebraucht wurde: Nahrungsmittel, Stoffe und Leder für Kleidung, Holz für die Behausungen der Handwerkerinnen, Werkzeuge, das hellgrün, blutrot, erdgelb schimmernde Gestein zu bearbeiten. „Niemals, niemals wieder wirst DU diese Küste hier betreten. Es sei denn, DU bringst mir die Mörderin meines Mutterbruders gefangen, gefesselt hierher, dass wir Gericht über sie halten, wie es sich gebührt.“ „Wer sagt denn, dass es eine von uns war? Hatte er nicht auch seine Männer dabei, sein Gefolge?“ „Aber DU garantierst den Frieden auf der Heiligen Insel. Selbst Blutsfeinde beten nebeneinander im Schatten ihrer Brüste, Verfolgte fliehen in den Schutz ihrer Großen Kraft. Doch dieser Frieden wurde gebrochen! Wer schlug meinen Soltan nieder? Wer bohrte ihm eine Klinge ins Herz, als er nichtsahnend und voller Vertrauen die Riten begehen wollte?“ „Keine der Frauen! Frauen morden nicht! Sie geben Leben!“ „Ha!“ Sorban stieß einen verächtlichen Ruf aus. „Die Heilige Insel ist nicht mehr heilig, niemand kann mehr darauf vertrauen, dort unverletzt zu verhandeln oder sich mit seinen Sorgen an die Großen Kräfte zu wenden. Die Konflikte zwischen den Dörfern werden zu Flammen werden, zur Feuersbrunst ein Streit zwischen den Clans. Der Ort, an dem alle sich trafen, ist zerstört, der Segen der Großen Kräfte dahin. Halt!, sage ich, halt!“ Während seiner Rede waren die Coracles näher an den Strand herangefahren und die Frauen machten Anstalten, den am Ufer Stehenden Seile zuzuwerfen, um sich aufs Trockene ziehen zu lassen. Auf ein Zeichen Sorbans hin sprangen mehrere seiner Männer zum Strand herab, drängten die Werdemänner (*4), die meistens die Seile in Empfang nahmen, zur Seite und stellten sich mit gekreuzten Speeren am Wasserrand auf. „Gebt den Männern die Körbe mit den Heiligen Äxten, dann fahrt zurück und kommt erst wieder, wenn ihr wisst, wer ihn getötet hat, wer den Heiligen Frieden brach!“ „Sollen auch keine Heilerinnen und Hebammen mehr kommen?“, fragte eine der anderen Frauen spöttisch, doch die Meabhan runzelte nur die Stirn, bedeutete der Fürwitzigen mit einer kurzen Handbewegung, sich zurückzuhalten, senkte den Kopf und dachte kurz nach. „Den Frieden brecht ihr, Sorban. Doch sei es. Der Mord geschah auf meiner Insel, da hast du Recht, und auch ich werde nicht ruhen, bis der Täter oder die Täterin gefunden wurde. Ich beuge mich, für dieses Mal, deinem Wunsch. Aber wenn euch ein Unfall geschieht, eine Krankheit ausbricht, eine Frau im Kindsbett liegt, dann werden wir die Heilerinnen herüber schicken und ihr werdet das sicher annehmen. Mögen euch die Heiligen Äxte Frieden bringen und deinem Onkel einst die selige Wiederkehr.“ SIE gab den Frauen in den Coracles ein Zeichen und diese stellten die schwer beladenen Körbe mit den Äxten, die eigentlich ein Abbild des weiblichen Schoßes waren, aus dem alles neu geboren wurde, in das flache Wasser, von wo sie eilig von umstehenden Werdemännern an den Wächtern mit ihren Speeren vorbei den Strand hinauf geschleift wurden. Aus einem der Boote rief nun eine Frau der Meabhan etwas zu, was Sorban auf seinem erhöhten Posten nicht verstehen konnte, aber die jungen Leute stockten und auch einige der Speermänner nickten zustimmend. Die Meabhan wandte sich noch einmal an Sorban: „Um wirklich nachforschen zu können, reicht es nicht, wenn wir uns auf die Bewohnerinnen der Heiligen Insel beschränken. Wir müssen die Möglichkeit haben, auch hier, an Land, Nachforschungen anstellen zu können.“ Einer der Speermänner warf ihr eine Frage zu und die Meabhan nickte: „Sorbans Mutterbruder, der große Clanführer, der die Dörfer hier an der Küste einte und den Weg ins Inland sicherer machte, war nun mal nicht alleine bei uns, sondern einige Männer begleiteten ihn. Unter anderem auch du!“ SIE starrte Sorban finster an. „Glaubst du etwa, ich...?“ Beinahe wäre er vom Grabhügel herunter gesprungen und IHR an die Kehle. „Ich glaube gar nichts!“, rief die Meabhan. „Doch im Augenblick bist du, der Sohn seiner Schwester, der Einzige, den ich hier sehe, der von seinem Tod Vorteile hat: Du bist nun Clanführer! Wolltest du das nicht schon immer sein?“ Alle Körbe waren mittlerweile ausgeladen und SIE bedeutete den Frauen, die Coracles zu wenden. „Mara!“ Eine junge Frau hob den Kopf und schaute zu Sorban hoch. „Mara ist die Tochter von Soltans jüngstem Bruder, ich denke, dass du ihr vertrauen kannst, ist sie doch aus deiner Sippe. Sie ist klug, eine erfahrene Jägerin und...