Schelkshorn | Entgrenzungen | Buch | 978-3-938808-71-9 | sack.de

Buch, Deutsch, 680 Seiten, GB, Format (B × H): 154 mm x 230 mm, Gewicht: 1060 g

Schelkshorn

Entgrenzungen

Ein europäischer Beitrag zum philosophischen Diskurs über die Moderne
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-938808-71-9
Verlag: Velbrueck GmbH

Ein europäischer Beitrag zum philosophischen Diskurs über die Moderne

Buch, Deutsch, 680 Seiten, GB, Format (B × H): 154 mm x 230 mm, Gewicht: 1060 g

ISBN: 978-3-938808-71-9
Verlag: Velbrueck GmbH


Im 20. Jahrhundert bilden sich in der euroamerikanischen Philosophie drei paradigmatische Haltungen gegenüber der Moderne heraus: Eine radikale Aufklärungskritik entlarvt das neuzeitliche Denken als ein planetarisch wucherndes Machtsyndrom ohne Auswege aus der Krise

weisen zu können (Heidegger, Horkheimer/Adorno, Foucault); die philosophische Postmoderne, die die Moderne auf ein kulturelles Phänomen reduziert, setzt die emanzipatorischen Errungenschaften der Neuzeit aufs Spiel (Rorty, Lyotard); Verteidiger der Aufklärung bestimmen die Moderne als einen vorläufigen Endpunkt

eines menschheitlichen Lernprozesses, ohne die kulturimperialistischen Implikationen ihrer Deutung hinreichend zu reflektieren (Habermas).

Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit der Versuch

unternommen, die Moderne jenseits der Alternative 'Vernunft versus Macht' als einen vielschichtigen Prozess

von Entgrenzungen zu beschreiben, in dem von Anfang

an rationale Durchbrüche und kulturelle Visionen miteinander verschmolzen sind. Den Ausgangspunkt der Analyse bilden die frühneuzeitliche Astronomie und – angestoßen durch die Kolonialismuskritik der latein-amerikanischen Philosophie – die transozeanische Expansion

Europas im 15. Jahrhundert. Da Kosmologie und Geographie in der Antike jeweils mit anthropologischen, moralischen und politischen Vorstellungen eng verbunden

sind, führen die Entgrenzungen der ptolemäischen Kosmologie und der Ökumenegeographie zu einem umfassenden

kulturellen Umbruch, der sich bereits in der Philosophie der Renaissance in einem komplexen Spiel von 'Entgrenzungen' manifestiert: Nikolaus von Kues gelangt noch vor Kopernikus durch eine neue Philosophie

des Absoluten zur Vorstellung eines grenzenlosen Universums; im Bann der Idee einer immanenten Unendlichkeit

der Welt vollzieht Cusanus darüber hinaus eine epochal bedeutsame Aufwertung unersättlicher Weltneugier,

in der die traditionellen Vorbehalte gegenüber der curiositas im antiken und christlichen Denken zurück-gedrängt werden. Pico della Mirandola überwindet die essentialistische Anthropologie der Antike durch die Idee einer schöpferischen Selbstgestaltung des Menschen, die von Montaigne zum typisch neuzeitlichen Ethos einer experimentellen Selbsterkundung bzw. Selbstkreation fortentwickelt wird. Francisco de Vitoria hingegen entwirft

unter dem Eindruck der Eroberung Amerikas einen neuen Kosmopolitismus, in dem sich eine Fülle an epochalen

Innovationen findet: eine philosophisch fundierte Völkerrechtstheorie, die Utopie einer kommunikativ verfassten Weltgesellschaft, die Ausweitung moralisch-politischer Verantwortung auf die gesamte Menschheit bis hin zur Pflicht zu humanitären Interventionen.

Wie in der Philosophie der Renaissance so sind auch in den philosophischen Grundlegungen moderner Wissenschaft,

Politik und Ökonomie jeweils rationale Elemente und kulturelle Perspektiven miteinander vermengt: Bei Francis Bacon verbindet sich das Programm einer experimentellen

Naturwissenschaft mit der Vision einer vollständigen Entfesselung der produktiven Kräfte von Mensch und Natur; Thomas Hobbes konstruiert den modernen Staat im Ausgang vom extremen Szenario der universellen Entfesselung der Macht; John Locke gelangt von der Rechtfertigung der Geldwirtschaft zur Idee eines grenzenlosen ökonomischen Wachstums.

Wenn die Moderne zugleich ein Prozess der Aufklärung und ein kulturelles Projekt ist, sind sowohl Proklamationen

über das Ende der Geschichte als auch religiöse und säkulare Varianten eines Antimodernismus zu verabschieden.

Einen Ausweg aus den verengten Bildern der Moderne, die auch realgeschichtlich in immer neuen Gewaltexzessen aufeinanderprallen, kann nur ein interkultureller

Diskurs über die Moderne weisen, in dem alle Kulturen sowohl ihre aufklärerischen Traditionen als auch ihre kulturellen Visionen einbringen.

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Weitere Infos & Material


Inhalt
Hinführung
Teil AVernunft und Macht – zwei paradigmatische Selbstdeutungen der Moderne
I. Aufklärung als Entfesselung von Macht?
II. Aufklärung als unvollendetes Projekt? (J. Habermas, K.-O. Apel)
III. Die Herausforderung postkolonialer Philosophien – Zum Beispiel: Lateinamerika
IV. Resümee und Vorblick
Teil B
Entgrenzungen des antik-mittelalterlichen Denkens
Rückstieg in das Denken der Renaissance
I. Die Elemente - Neugier, Selbstkreation, Kosmopolitismus
II. Negation, Modifikation und Verknüpfung der Elemente
Teil C
Rationalisierungen und Entgrenzungen in den Grundlegungen moderner Wissenschaft, Politik und Ökonomie
Rückstieg in die Philosophie des 17. Jahrhunderts
I. Entfesselung der Produktivität von Mensch und Natur – Francis Bacons Begründung der modernen Wissenschaft
II. Thomas Hobbes – das Problem des modernen Staates: Entfesselung und Begrenzung der menschlicher Macht
III. John Locke – die Entgrenzung der Ökonomie
Resümee und Ausblicke: Von der Dialektik der Aufklärung zur Dialektik der Entgrenzung


Schelkshorn, Hans
Hans Schelkshorn, geb. 1960. Studium der Theologie und Philosophie in Wien und Tübingen, 1989 Dr. theol; 1994 Dr. phil.; 2007 Habilitation im Fach Philosophie. Außerordentlicher Professor am Institut für Christliche Philosophie der Universität Wien. Arbeitsschwerpunkte: Theorien der Moderne, praktische Philosophie, Diskursethik, latein-amerikanische Philosophie, philosophischer Nord-Süd-Dialog. Monographien: Ethik der Befreiung. Einführung in die Philosophie Enrique Dussels (1992); Diskurs und Befreiung. Studien zur philosophischen Ethik von Karl-Otto Apel und Enrique Dussel (1997). Seit 2001 Chefredakteur von »Polylog – Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren«.

Hans Schelkshorn, geb. 1960. Studium der Theologie und Philosophie in Wien und Tübingen, 1989 Dr. theol; 1994 Dr. phil.; 2007 Habilitation im Fach Philosophie. Außerordentlicher Professor am Institut für Christliche Philosophie der Universität Wien und dort Institutsvorstand seit dem 01.10.2016. Arbeitsschwerpunkte: Theorien der Moderne, praktische Philosophie, Diskursethik, latein-amerikanische Philosophie, philosophischer Nord-Süd-Dialog. Monographien: Ethik der Befreiung. Einführung in die Philosophie Enrique Dussels (1992); Diskurs und Befreiung. Studien zur philosophischen Ethik von Karl-Otto Apel und Enrique Dussel (1997). Seit 2001 Chefredakteur von 'Polylog – Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren'.



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